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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und dem eingeführten Range der Nazionen.
untrüglichen Beweis des Vorranges. Es können, wie
die Erfahrung lehrt, auch halbsouveraine Staaten sich
durch Verträge und Herkommen einen Rang vor den
ganz souverainen erwerben, wie dies der Fall in Anseh-
ung der Kurfürsten des teutschen Reichs und der Repu-
bliken in Europa ist.

§. 14.
Einräumung des Ranges durch a] ausdrück-
liche Verträge
.

Alle vorgedachten zufälligen Eigenschaften der Nazio-
nen geben, wie gedacht, zwar Gelegenheit vor andern
einen Vorrang zu behaupten, aber kein Recht: was
blos billig und schicklich ist, -- Gründe deren man
sich sehr häufig in dieser Materie bedient -- gehören
nicht in das Völkerrecht. Ueberhaupt laufen diese ver-
meintlichen Gründe so oft gegeneinander, daß darauf
ohnmöglich zuverlässige Regeln gebaut werden können.
Bald soll die Regierungsform entscheiden, bald, wenn
diese geändert wird, der Besitz, oder die Macht, und
ieder Staat hat doch immer wenigstens eine dieser Eigen-
schaften aufzuweisen. Es müsten solche also zuförderst
gehörig und mit Einverständnis der Nazionen klassificirt
werden, weil die Natur keine Regeln dazu an die Hand
giebt. Das einzige rechtmässige Mittel sich den Rang
zu versichern sind ausdrückliche oder stillschweigende Ver-
träge, wodurch alle Streitigkeiten, die aus ienen Grün-
den nothwendig entstehen müssen, aufgehoben werden.
Einige europäische Nazionen haben, wie man in der
Folge schen wird, dergleichen Verträge unter sich errich-
tet; aber die Anzahl derselben ist noch zur Zeit sehr gerin-
ge. Die übrigen suchen dermalen bey Anmassung des
Ranges hauptsächlich stilschweigende Verträge und den
Besitz zu erweisen.

§. 15.
O 5

und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen.
untruͤglichen Beweis des Vorranges. Es koͤnnen, wie
die Erfahrung lehrt, auch halbſouveraine Staaten ſich
durch Vertraͤge und Herkommen einen Rang vor den
ganz ſouverainen erwerben, wie dies der Fall in Anſeh-
ung der Kurfuͤrſten des teutſchen Reichs und der Repu-
bliken in Europa iſt.

§. 14.
Einraͤumung des Ranges durch a] ausdruͤck-
liche Vertraͤge
.

Alle vorgedachten zufaͤlligen Eigenſchaften der Nazio-
nen geben, wie gedacht, zwar Gelegenheit vor andern
einen Vorrang zu behaupten, aber kein Recht: was
blos billig und ſchicklich iſt, — Gruͤnde deren man
ſich ſehr haͤufig in dieſer Materie bedient — gehoͤren
nicht in das Voͤlkerrecht. Ueberhaupt laufen dieſe ver-
meintlichen Gruͤnde ſo oft gegeneinander, daß darauf
ohnmoͤglich zuverlaͤſſige Regeln gebaut werden koͤnnen.
Bald ſoll die Regierungsform entſcheiden, bald, wenn
dieſe geaͤndert wird, der Beſitz, oder die Macht, und
ieder Staat hat doch immer wenigſtens eine dieſer Eigen-
ſchaften aufzuweiſen. Es muͤſten ſolche alſo zufoͤrderſt
gehoͤrig und mit Einverſtaͤndnis der Nazionen klaſſificirt
werden, weil die Natur keine Regeln dazu an die Hand
giebt. Das einzige rechtmaͤſſige Mittel ſich den Rang
zu verſichern ſind ausdruͤckliche oder ſtillſchweigende Ver-
traͤge, wodurch alle Streitigkeiten, die aus ienen Gruͤn-
den nothwendig entſtehen muͤſſen, aufgehoben werden.
Einige europaͤiſche Nazionen haben, wie man in der
Folge ſchen wird, dergleichen Vertraͤge unter ſich errich-
tet; aber die Anzahl derſelben iſt noch zur Zeit ſehr gerin-
ge. Die uͤbrigen ſuchen dermalen bey Anmaſſung des
Ranges hauptſaͤchlich ſtilſchweigende Vertraͤge und den
Beſitz zu erweiſen.

§. 15.
O 5
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[215[217]/0243] und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen. untruͤglichen Beweis des Vorranges. Es koͤnnen, wie die Erfahrung lehrt, auch halbſouveraine Staaten ſich durch Vertraͤge und Herkommen einen Rang vor den ganz ſouverainen erwerben, wie dies der Fall in Anſeh- ung der Kurfuͤrſten des teutſchen Reichs und der Repu- bliken in Europa iſt. §. 14. Einraͤumung des Ranges durch a] ausdruͤck- liche Vertraͤge. Alle vorgedachten zufaͤlligen Eigenſchaften der Nazio- nen geben, wie gedacht, zwar Gelegenheit vor andern einen Vorrang zu behaupten, aber kein Recht: was blos billig und ſchicklich iſt, — Gruͤnde deren man ſich ſehr haͤufig in dieſer Materie bedient — gehoͤren nicht in das Voͤlkerrecht. Ueberhaupt laufen dieſe ver- meintlichen Gruͤnde ſo oft gegeneinander, daß darauf ohnmoͤglich zuverlaͤſſige Regeln gebaut werden koͤnnen. Bald ſoll die Regierungsform entſcheiden, bald, wenn dieſe geaͤndert wird, der Beſitz, oder die Macht, und ieder Staat hat doch immer wenigſtens eine dieſer Eigen- ſchaften aufzuweiſen. Es muͤſten ſolche alſo zufoͤrderſt gehoͤrig und mit Einverſtaͤndnis der Nazionen klaſſificirt werden, weil die Natur keine Regeln dazu an die Hand giebt. Das einzige rechtmaͤſſige Mittel ſich den Rang zu verſichern ſind ausdruͤckliche oder ſtillſchweigende Ver- traͤge, wodurch alle Streitigkeiten, die aus ienen Gruͤn- den nothwendig entſtehen muͤſſen, aufgehoben werden. Einige europaͤiſche Nazionen haben, wie man in der Folge ſchen wird, dergleichen Vertraͤge unter ſich errich- tet; aber die Anzahl derſelben iſt noch zur Zeit ſehr gerin- ge. Die uͤbrigen ſuchen dermalen bey Anmaſſung des Ranges hauptſaͤchlich ſtilſchweigende Vertraͤge und den Beſitz zu erweiſen. §. 15. O 5

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 215[217]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/243>, abgerufen am 22.11.2024.