Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.Von den geselschaftlichen Verbindungen "ausgeschlossen. Ein ieder dieser besondern Staaten hat"seine eigne, der Regel nach und im Ganzen mit allen "Hoheitsrechten begabte Regierung; ein ieder seine eigne "innere Verfassung, ein ieder sogar gegen auswärtige "Mächte solche Rechte, die sonst nur unabhängige Mäch- "te gegeneinander in Uebung haben; auch Krieg und "Frieden, Bündnisse und Gesandschaften nicht ausge- "schlossen. ---- So sehr aber auch diese Regierungs- "verfassung der einzelnen Länder von einander abgehet; "so ist doch nichts gewisser, als daß dennoch alle ohne "Ausnahme noch als Theile eines einzigen Ganzen in "gleichmäßiger Verbindung unter dem teutschen Rei- "che stehen; und zwar nicht etwa nur in einer solchen "Verbindung, wie die sieben niederländischen Provinzen, "oder die dreizehn Schweitzercantons, ohne weiter eine "gemeinsame höhere Gewalt über sich zu erkennen, sich "unter einander verbunden haben, -- sondern unter "einem gemeinsamen höchsten Oberhaupte, dem die per- "sönliche Maiestät und Unabhängigkeit so wenig als "einem Könige in Frankreich oder irgend einem andern "Monarchen bestritten werden kann. Auch nicht eine "blos persönliche Verbindung ist es, die alle besondere "teutsche Staaten unter dem Kaiser vereiniget, etwa "wie Ungarn, Böhmen und die übrigen österreichischen "Erblande, oder wie England und Hannover einerley "Herrn haben; sondern eben die Realverbindung, wor- "auf die Einheit eines ieden andern Staats beruht, hält "auch noch alle besondere teutsche Staaten in dem Bande "eines einigen Reichs beisammen. ---- Kurz Teutsch- "land ist ein Reich, das in lauter besondere Staaten "eingetheilt ist, die iedoch alle noch unter einer gemeinsa- "men höchsten Gewalt in der Gestalt eines zusammen- "gesetzten Staats vereinigt sind. Die teutschen Reichsstände sind daher nicht nur zu über-
Von den geſelſchaftlichen Verbindungen „ausgeſchloſſen. Ein ieder dieſer beſondern Staaten hat„ſeine eigne, der Regel nach und im Ganzen mit allen „Hoheitsrechten begabte Regierung; ein ieder ſeine eigne „innere Verfaſſung, ein ieder ſogar gegen auswaͤrtige „Maͤchte ſolche Rechte, die ſonſt nur unabhaͤngige Maͤch- „te gegeneinander in Uebung haben; auch Krieg und „Frieden, Buͤndniſſe und Geſandſchaften nicht ausge- „ſchloſſen. —— So ſehr aber auch dieſe Regierungs- „verfaſſung der einzelnen Laͤnder von einander abgehet; „ſo iſt doch nichts gewiſſer, als daß dennoch alle ohne „Ausnahme noch als Theile eines einzigen Ganzen in „gleichmaͤßiger Verbindung unter dem teutſchen Rei- „che ſtehen; und zwar nicht etwa nur in einer ſolchen „Verbindung, wie die ſieben niederlaͤndiſchen Provinzen, „oder die dreizehn Schweitzercantons, ohne weiter eine „gemeinſame hoͤhere Gewalt uͤber ſich zu erkennen, ſich „unter einander verbunden haben, — ſondern unter „einem gemeinſamen hoͤchſten Oberhaupte, dem die per- „ſoͤnliche Maieſtaͤt und Unabhaͤngigkeit ſo wenig als „einem Koͤnige in Frankreich oder irgend einem andern „Monarchen beſtritten werden kann. Auch nicht eine „blos perſoͤnliche Verbindung iſt es, die alle beſondere „teutſche Staaten unter dem Kaiſer vereiniget, etwa „wie Ungarn, Boͤhmen und die uͤbrigen oͤſterreichiſchen „Erblande, oder wie England und Hannover einerley „Herrn haben; ſondern eben die Realverbindung, wor- „auf die Einheit eines ieden andern Staats beruht, haͤlt „auch noch alle beſondere teutſche Staaten in dem Bande „eines einigen Reichs beiſammen. —— Kurz Teutſch- „land iſt ein Reich, das in lauter beſondere Staaten „eingetheilt iſt, die iedoch alle noch unter einer gemeinſa- „men hoͤchſten Gewalt in der Geſtalt eines zuſammen- „geſetzten Staats vereinigt ſind. Die teutſchen Reichsſtaͤnde ſind daher nicht nur zu uͤber-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0222" n="196"/><fw place="top" type="header">Von den geſelſchaftlichen Verbindungen</fw><lb/> „ausgeſchloſſen. Ein ieder dieſer beſondern Staaten hat<lb/> „ſeine eigne, der Regel nach und im Ganzen mit allen<lb/> „Hoheitsrechten begabte Regierung; ein ieder ſeine eigne<lb/> „innere Verfaſſung, ein ieder ſogar gegen auswaͤrtige<lb/> „Maͤchte ſolche Rechte, die ſonſt nur unabhaͤngige Maͤch-<lb/> „te gegeneinander in Uebung haben; auch Krieg und<lb/> „Frieden, Buͤndniſſe und Geſandſchaften nicht ausge-<lb/> „ſchloſſen. —— So ſehr aber auch dieſe Regierungs-<lb/> „verfaſſung der einzelnen Laͤnder von einander abgehet;<lb/> „ſo iſt doch nichts gewiſſer, als daß dennoch alle ohne<lb/> „Ausnahme noch als Theile eines einzigen Ganzen in<lb/> „gleichmaͤßiger Verbindung <hi rendition="#fr">unter dem teutſchen Rei-<lb/> „che</hi> ſtehen; und zwar nicht etwa nur in einer ſolchen<lb/> „Verbindung, wie die ſieben niederlaͤndiſchen Provinzen,<lb/> „oder die dreizehn Schweitzercantons, ohne weiter eine<lb/> „gemeinſame hoͤhere Gewalt uͤber ſich zu erkennen, ſich<lb/> „unter einander verbunden haben, — ſondern unter<lb/> „einem gemeinſamen hoͤchſten Oberhaupte, dem die per-<lb/> „ſoͤnliche Maieſtaͤt und Unabhaͤngigkeit ſo wenig als<lb/> „einem Koͤnige in Frankreich oder irgend einem andern<lb/> „Monarchen beſtritten werden kann. Auch nicht eine<lb/> „blos perſoͤnliche Verbindung iſt es, die alle beſondere<lb/> „teutſche Staaten unter dem Kaiſer vereiniget, etwa<lb/> „wie Ungarn, Boͤhmen und die uͤbrigen oͤſterreichiſchen<lb/> „Erblande, oder wie England und Hannover einerley<lb/> „Herrn haben; ſondern eben die Realverbindung, wor-<lb/> „auf die Einheit eines ieden andern Staats beruht, haͤlt<lb/> „auch noch alle beſondere teutſche Staaten in dem Bande<lb/> „eines einigen Reichs beiſammen. —— Kurz Teutſch-<lb/> „land iſt ein Reich, das in lauter beſondere Staaten<lb/> „eingetheilt iſt, die iedoch alle noch unter einer gemeinſa-<lb/> „men hoͤchſten Gewalt in der Geſtalt eines zuſammen-<lb/> „geſetzten Staats vereinigt ſind.</p><lb/> <p>Die teutſchen Reichsſtaͤnde ſind daher nicht nur zu<lb/> Beobachtung des aus der geſelſchaftlichen Verbindung<lb/> <fw place="bottom" type="catch">uͤber-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [196/0222]
Von den geſelſchaftlichen Verbindungen
„ausgeſchloſſen. Ein ieder dieſer beſondern Staaten hat
„ſeine eigne, der Regel nach und im Ganzen mit allen
„Hoheitsrechten begabte Regierung; ein ieder ſeine eigne
„innere Verfaſſung, ein ieder ſogar gegen auswaͤrtige
„Maͤchte ſolche Rechte, die ſonſt nur unabhaͤngige Maͤch-
„te gegeneinander in Uebung haben; auch Krieg und
„Frieden, Buͤndniſſe und Geſandſchaften nicht ausge-
„ſchloſſen. —— So ſehr aber auch dieſe Regierungs-
„verfaſſung der einzelnen Laͤnder von einander abgehet;
„ſo iſt doch nichts gewiſſer, als daß dennoch alle ohne
„Ausnahme noch als Theile eines einzigen Ganzen in
„gleichmaͤßiger Verbindung unter dem teutſchen Rei-
„che ſtehen; und zwar nicht etwa nur in einer ſolchen
„Verbindung, wie die ſieben niederlaͤndiſchen Provinzen,
„oder die dreizehn Schweitzercantons, ohne weiter eine
„gemeinſame hoͤhere Gewalt uͤber ſich zu erkennen, ſich
„unter einander verbunden haben, — ſondern unter
„einem gemeinſamen hoͤchſten Oberhaupte, dem die per-
„ſoͤnliche Maieſtaͤt und Unabhaͤngigkeit ſo wenig als
„einem Koͤnige in Frankreich oder irgend einem andern
„Monarchen beſtritten werden kann. Auch nicht eine
„blos perſoͤnliche Verbindung iſt es, die alle beſondere
„teutſche Staaten unter dem Kaiſer vereiniget, etwa
„wie Ungarn, Boͤhmen und die uͤbrigen oͤſterreichiſchen
„Erblande, oder wie England und Hannover einerley
„Herrn haben; ſondern eben die Realverbindung, wor-
„auf die Einheit eines ieden andern Staats beruht, haͤlt
„auch noch alle beſondere teutſche Staaten in dem Bande
„eines einigen Reichs beiſammen. —— Kurz Teutſch-
„land iſt ein Reich, das in lauter beſondere Staaten
„eingetheilt iſt, die iedoch alle noch unter einer gemeinſa-
„men hoͤchſten Gewalt in der Geſtalt eines zuſammen-
„geſetzten Staats vereinigt ſind.
Die teutſchen Reichsſtaͤnde ſind daher nicht nur zu
Beobachtung des aus der geſelſchaftlichen Verbindung
uͤber-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |