zur Bequemlichkeit und zum Vergnügen gehörten. Da- her suchten sie blos ihres Nutzens wegen, die Verbindung anderer.
a]Vattel pref. und prelim. §. 11. Real am a. O.
§. 4. Grosser algemeiner Weltstaat.
Wenn man aber auch zugiebt, daß die Natur selbst die Geselschaft einzelner Menschen und politischer Kör- per nicht nur anempfehle, sondern auch gebiete, so folgt doch daraus bey weitem noch nicht, wie einige vorgeben, die Nothwendigkeit der bürgerlichen oder Staatsverbind- ungen, am wenigsten unter ganzen Nazionen, da der anarchische Zustand, wo die geselschaftliche Vereinigung, ohne gemeinschaftliche Oberherschaft, blos auf gleiche Rechte beruht, ienen Vorschriften schon sattsam Gnüge geleistet haben würde a]. Bey einzelnen Menschen und kleinen Familien läßt sichs allenfals einräumen, daß sie wegen Unvermögenheit von andern die Erfüllung einge- gangener Verträge zu erlangen, und um den deshalb öf- ters vorgekommenen Streitigkeiten und daraus zu befürch- tenden Gefahren vorzubeugen, sich bewogen gefunden, ihrer Freiheit und Gleichheit zu entsagen, und freiwillig oder gezwungen ein gemeinschaftliches Oberhaupt zu erken- nen; aber dies ist, wie schon gedacht, der Fall zwischen mehrern Staaten nicht, die durch Vereinigung einer Menge von Menschen und Familien gegen iene Ungemäch- lichkeiten weit mehr gesichert sind. Indes haben doch schon verschiedene ältere und neuere Philosophen b] den Begrif von einem großen Weltstaat, worinn die Völker nur als Familien zu betrachten, sich gebildet, und der scharfsinnige Wolf hat ihn mit vielen scheinbaren Grün- den vorzutragen gesucht c]. Jedoch fält die Unrichtigkeit seiner Beweise, wenn man sie genau untersucht, leicht
in
Von den geſelſchaftlichen Verbindungen
zur Bequemlichkeit und zum Vergnuͤgen gehoͤrten. Da- her ſuchten ſie blos ihres Nutzens wegen, die Verbindung anderer.
a]Vattel préf. und prélim. §. 11. Real am a. O.
§. 4. Groſſer algemeiner Weltſtaat.
Wenn man aber auch zugiebt, daß die Natur ſelbſt die Geſelſchaft einzelner Menſchen und politiſcher Koͤr- per nicht nur anempfehle, ſondern auch gebiete, ſo folgt doch daraus bey weitem noch nicht, wie einige vorgeben, die Nothwendigkeit der buͤrgerlichen oder Staatsverbind- ungen, am wenigſten unter ganzen Nazionen, da der anarchiſche Zuſtand, wo die geſelſchaftliche Vereinigung, ohne gemeinſchaftliche Oberherſchaft, blos auf gleiche Rechte beruht, ienen Vorſchriften ſchon ſattſam Gnuͤge geleiſtet haben wuͤrde a]. Bey einzelnen Menſchen und kleinen Familien laͤßt ſichs allenfals einraͤumen, daß ſie wegen Unvermoͤgenheit von andern die Erfuͤllung einge- gangener Vertraͤge zu erlangen, und um den deshalb oͤf- ters vorgekommenen Streitigkeiten und daraus zu befuͤrch- tenden Gefahren vorzubeugen, ſich bewogen gefunden, ihrer Freiheit und Gleichheit zu entſagen, und freiwillig oder gezwungen ein gemeinſchaftliches Oberhaupt zu erken- nen; aber dies iſt, wie ſchon gedacht, der Fall zwiſchen mehrern Staaten nicht, die durch Vereinigung einer Menge von Menſchen und Familien gegen iene Ungemaͤch- lichkeiten weit mehr geſichert ſind. Indes haben doch ſchon verſchiedene aͤltere und neuere Philoſophen b] den Begrif von einem großen Weltſtaat, worinn die Voͤlker nur als Familien zu betrachten, ſich gebildet, und der ſcharfſinnige Wolf hat ihn mit vielen ſcheinbaren Gruͤn- den vorzutragen geſucht c]. Jedoch faͤlt die Unrichtigkeit ſeiner Beweiſe, wenn man ſie genau unterſucht, leicht
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Von den geſelſchaftlichen Verbindungen
zur Bequemlichkeit und zum Vergnuͤgen gehoͤrten. Da-
her ſuchten ſie blos ihres Nutzens wegen, die Verbindung
anderer.
a] Vattel préf. und prélim. §. 11. Real am a. O.
§. 4.
Groſſer algemeiner Weltſtaat.
Wenn man aber auch zugiebt, daß die Natur ſelbſt
die Geſelſchaft einzelner Menſchen und politiſcher Koͤr-
per nicht nur anempfehle, ſondern auch gebiete, ſo folgt
doch daraus bey weitem noch nicht, wie einige vorgeben,
die Nothwendigkeit der buͤrgerlichen oder Staatsverbind-
ungen, am wenigſten unter ganzen Nazionen, da der
anarchiſche Zuſtand, wo die geſelſchaftliche Vereinigung,
ohne gemeinſchaftliche Oberherſchaft, blos auf gleiche
Rechte beruht, ienen Vorſchriften ſchon ſattſam Gnuͤge
geleiſtet haben wuͤrde a]. Bey einzelnen Menſchen und
kleinen Familien laͤßt ſichs allenfals einraͤumen, daß ſie
wegen Unvermoͤgenheit von andern die Erfuͤllung einge-
gangener Vertraͤge zu erlangen, und um den deshalb oͤf-
ters vorgekommenen Streitigkeiten und daraus zu befuͤrch-
tenden Gefahren vorzubeugen, ſich bewogen gefunden,
ihrer Freiheit und Gleichheit zu entſagen, und freiwillig
oder gezwungen ein gemeinſchaftliches Oberhaupt zu erken-
nen; aber dies iſt, wie ſchon gedacht, der Fall zwiſchen
mehrern Staaten nicht, die durch Vereinigung einer
Menge von Menſchen und Familien gegen iene Ungemaͤch-
lichkeiten weit mehr geſichert ſind. Indes haben doch
ſchon verſchiedene aͤltere und neuere Philoſophen b] den
Begrif von einem großen Weltſtaat, worinn die Voͤlker
nur als Familien zu betrachten, ſich gebildet, und der
ſcharfſinnige Wolf hat ihn mit vielen ſcheinbaren Gruͤn-
den vorzutragen geſucht c]. Jedoch faͤlt die Unrichtigkeit
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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/176>, abgerufen am 16.02.2025.
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