War ehemals ein Theil von Sarmatien. Die Er- zählung von einem Stifter des Königreichs, Namens Lech im sechsten Jahrhundert, ist noch großen Zweifeln unterworfen. Wahrscheinlicher entstand dieser Staat im neunten Jahrhundert unter Piast, einem vormaligen Ackermann. Die Beherscher aus dem piastischen Stam- me hießen Anfangs nur Herzoge und standen, wenig- stens seit Miezislav oder MieskoI. unter dem teutschen Reiche, dem die Polen einen iährlichen Tribut bezahlen musten. Boleslav der erste, aber noch mehr sein Sohn MiezislavII. fingen im eilften Jahrhundert an, sich von der Verbindung mit dem teutschen Reiche loszureissen. Ersterer nahm 1025 den Königlichen Titel an, gerieth aber mit dem teutschen Reiche deshalb in Krieg. Nach- dem BoleslavII. vom Papst in den Bann gethan, und des Throns entsetzt worden war, begnügten sich des- sen Nachfolger eine zeitlang wieder mit dem Herzoglichen Titel, aber Premislav erneuerte 1294 den Königlichen abermals. Seit Vladislav Lokietek, der Gros- und Klein-Polen auf immer vereinigte, ist Polen iederzeit für ein unabhängiges Königreich angesehen worden.
*] In Ansehung der ehemaligen Reichsverbindung sehe man: Io. Schultzii tract. hist. polit. de Polonia nunquam tributaria. Gedani 1694. 4. Georg. Dav. Alandi diß. de Imperii Rom. Germ. re- gnante stirpe Salica habitu et praesertim erga Polo- niam. Lips. 1752. 4.
§ 26.
G 5
und den europaͤiſchen insbeſondere.
§. 25. Polen
War ehemals ein Theil von Sarmatien. Die Er- zaͤhlung von einem Stifter des Koͤnigreichs, Namens Lech im ſechſten Jahrhundert, iſt noch großen Zweifeln unterworfen. Wahrſcheinlicher entſtand dieſer Staat im neunten Jahrhundert unter Piaſt, einem vormaligen Ackermann. Die Beherſcher aus dem piaſtiſchen Stam- me hießen Anfangs nur Herzoge und ſtanden, wenig- ſtens ſeit Miezislav oder MieskoI. unter dem teutſchen Reiche, dem die Polen einen iaͤhrlichen Tribut bezahlen muſten. Boleslav der erſte, aber noch mehr ſein Sohn MiezislavII. fingen im eilften Jahrhundert an, ſich von der Verbindung mit dem teutſchen Reiche loszureiſſen. Erſterer nahm 1025 den Koͤniglichen Titel an, gerieth aber mit dem teutſchen Reiche deshalb in Krieg. Nach- dem BoleslavII. vom Papſt in den Bann gethan, und des Throns entſetzt worden war, begnuͤgten ſich deſ- ſen Nachfolger eine zeitlang wieder mit dem Herzoglichen Titel, aber Premislav erneuerte 1294 den Koͤniglichen abermals. Seit Vladislav Lokietek, der Gros- und Klein-Polen auf immer vereinigte, iſt Polen iederzeit fuͤr ein unabhaͤngiges Koͤnigreich angeſehen worden.
*] In Anſehung der ehemaligen Reichsverbindung ſehe man: Io. Schultzii tract. hiſt. polit. de Polonia nunquam tributaria. Gedani 1694. 4. Georg. Dav. Alandi diß. de Imperii Rom. Germ. re- gnante ſtirpe Salica habitu et praeſertim erga Polo- niam. Lipſ. 1752. 4.
§ 26.
G 5
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und den europaͤiſchen insbeſondere.
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Polen
War ehemals ein Theil von Sarmatien. Die Er-
zaͤhlung von einem Stifter des Koͤnigreichs, Namens
Lech im ſechſten Jahrhundert, iſt noch großen Zweifeln
unterworfen. Wahrſcheinlicher entſtand dieſer Staat
im neunten Jahrhundert unter Piaſt, einem vormaligen
Ackermann. Die Beherſcher aus dem piaſtiſchen Stam-
me hießen Anfangs nur Herzoge und ſtanden, wenig-
ſtens ſeit Miezislav oder Miesko I. unter dem teutſchen
Reiche, dem die Polen einen iaͤhrlichen Tribut bezahlen
muſten. Boleslav der erſte, aber noch mehr ſein Sohn
Miezislav II. fingen im eilften Jahrhundert an, ſich von
der Verbindung mit dem teutſchen Reiche loszureiſſen.
Erſterer nahm 1025 den Koͤniglichen Titel an, gerieth
aber mit dem teutſchen Reiche deshalb in Krieg. Nach-
dem Boleslav II. vom Papſt in den Bann gethan,
und des Throns entſetzt worden war, begnuͤgten ſich deſ-
ſen Nachfolger eine zeitlang wieder mit dem Herzoglichen
Titel, aber Premislav erneuerte 1294 den Koͤniglichen
abermals. Seit Vladislav Lokietek, der Gros- und
Klein-Polen auf immer vereinigte, iſt Polen iederzeit
fuͤr ein unabhaͤngiges Koͤnigreich angeſehen worden.
*] In Anſehung der ehemaligen Reichsverbindung ſehe man:
Io. Schultzii tract. hiſt. polit. de Polonia nunquam
tributaria. Gedani 1694. 4.
Georg. Dav. Alandi diß. de Imperii Rom. Germ. re-
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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/131>, abgerufen am 16.02.2025.
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