Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gryphius, Andreas: Großmüttiger Rechts-Gelehrter/ Oder Sterbender Æmilius Paulus Papinianus. Breslau, 1659.

Bild:
<< vorherige Seite

Anmerckungen.
Vor-Meer oder Propontis, dise Theile der Erden gleichsam
abgräntzete. Antoninus möchte seine Läger bey Bizantz,
Geta
zu Chalcedon in Bithynien, welche diser Stadt ge-
gen über/ auffschlagen/ damit auff dise Weise jdweder sein
Land behüten/ und dem andern das übersetzen verwehre könte.
Wer auß den Römischen Rath-Herren in Europa geboren
solte zu Rom verbleiben/ die andern aber dem Geta folgen.
Geta war entschlossen seine Hofhaltung zu Antiochien, oder
Alexandrien, welche Städte/ damals nicht vil kleiner als
Rom/ zu stifften. Auß den Sud-Ländern/ blib Maurita-
nien
und Numidien, Antonino. Was disen gegen Osten
anhängig/ ward dem Geta uberlassen. Als man hirmit ge-
schäfftig/ und die andern alle das Angesicht traurig unter sich
auff die Erden schlugen/ fänget Julia an: Meine Kinder/ wie
Erde und See zu theilen/ habet jhr nunmehr gefunden/ und
beyde Fuß-feste Länder scheidet das Pontische Meer/ wie wer-
det jhr aber die Mutter theilen? Wie kan ich unglückselige un-
ter euch beyde getrennet oder zuschnitten werden/ tödtet mich
derohalben vor allen dingen/ und jdweder begrabe meine Helff-
te bey sich/ daß ich zu gleich unter euch mit Erd und See ge-
theilet werde. Als sie dises geredet/ fil sie mit vilem heulen
und winseln beyden umb den Hals/ umbfing/ und suchte sie
mit einander zu versöhnen. Als hierüber sich ein sonderes
mitleiden erhub/ ward diser Rath von allen verworffen. Di-
ses ist auß Herodiani IV. Buch etwas weitläufftiger erzeh-
let/ umb daß diser Theilung hin und wieder in den folgenden
Abhandelungen erwehnet wird. Daß aber Papinianus all-
hir vorgibt/ man hätte auch wol vorhin getheilet; gehet auff
die Zeiten M. Antonini und Veri, welche beyderseits ob wol
nicht mit getheileter Gewalt/ doch mehrentheils fern von ein-
ander geherrschet und Krig geführet.

v. 69. Jch fuhe die gemein. Was vortreffliche Gemüt-
ter offt allerhand Affterrede und Gefabr zu vermeyden/ thun
müssen/ ist jhnen nicht selten übel gedeutet. Von dem berüh-
meten Weisen schreibet Tacitus: Instituta prioris poten-
tiae commutat, prohibet cultus salutantium, vitat

comi-
G ij

Anmerckungen.
Vor-Meer oder Propontis, diſe Theile der Erden gleichſam
abgraͤntzete. Antoninus moͤchte ſeine Laͤger bey Bizantz,
Geta
zu Chalcedon in Bithynien, welche diſer Stadt ge-
gen uͤber/ auffſchlagen/ damit auff diſe Weiſe jdweder ſein
Land behuͤten/ und dem andern das uͤberſetzen verwehre koͤnte.
Wer auß den Roͤmiſchen Rath-Herren in Europa geboren
ſolte zu Rom verbleiben/ die andern aber dem Geta folgen.
Geta war entſchloſſen ſeine Hofhaltung zu Antiochien, oder
Alexandrien, welche Staͤdte/ damals nicht vil kleiner als
Rom/ zu ſtifften. Auß den Sud-Laͤndern/ blib Maurita-
nien
und Numidien, Antonino. Was diſen gegen Oſten
anhaͤngig/ ward dem Geta uberlaſſen. Als man hirmit ge-
ſchaͤfftig/ und die andern alle das Angeſicht traurig unter ſich
auff die Erden ſchlugen/ faͤnget Julia an: Meine Kinder/ wie
Erde und See zu theilen/ habet jhr nunmehr gefunden/ und
beyde Fuß-feſte Laͤnder ſcheidet das Pontiſche Meer/ wie wer-
det jhr aber die Mutter theilen? Wie kan ich ungluͤckſelige un-
ter euch beyde getrennet oder zuſchnitten werden/ toͤdtet mich
derohalben vor allen dingen/ und jdweder begrabe meine Helff-
te bey ſich/ daß ich zu gleich unter euch mit Erd und See ge-
theilet werde. Als ſie diſes geredet/ fil ſie mit vilem heulen
und winſeln beyden umb den Hals/ umbfing/ und ſuchte ſie
mit einander zu verſoͤhnen. Als hieruͤber ſich ein ſonderes
mitleiden erhub/ ward diſer Rath von allen verworffen. Di-
ſes iſt auß Herodiani IV. Buch etwas weitlaͤufftiger erzeh-
let/ umb daß diſer Theilung hin und wieder in den folgenden
Abhandelungen erwehnet wird. Daß aber Papinianus all-
hir vorgibt/ man haͤtte auch wol vorhin getheilet; gehet auff
die Zeiten M. Antonini und Veri, welche beyderſeits ob wol
nicht mit getheileter Gewalt/ doch mehrentheils fern von ein-
ander geherꝛſchet und Krig gefuͤhret.

v. 69. Jch fuhe die gemein. Was vortreffliche Gemuͤt-
ter offt allerhand Affterrede und Gefabr zu vermeyden/ thun
muͤſſen/ iſt jhnen nicht ſelten uͤbel gedeutet. Von dem beruͤh-
meten Weiſen ſchreibet Tacitus: Inſtituta prioris poten-
tiæ commutat, prohibet cultus ſalutantium, vitat

comi-
G ij
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0127"/><fw place="top" type="header">Anmerckungen.</fw><lb/>
Vor-Meer oder <hi rendition="#aq">Propontis,</hi> di&#x017F;e Theile der Erden gleich&#x017F;am<lb/>
abgra&#x0364;ntzete. <hi rendition="#aq">Antoninus</hi> mo&#x0364;chte &#x017F;eine La&#x0364;ger bey <hi rendition="#aq">Bizantz,<lb/>
Geta</hi> zu <hi rendition="#aq">Chalcedon</hi> in <hi rendition="#aq">Bithynien,</hi> welche di&#x017F;er Stadt ge-<lb/>
gen u&#x0364;ber/ auff&#x017F;chlagen/ damit auff di&#x017F;e Wei&#x017F;e jdweder &#x017F;ein<lb/>
Land behu&#x0364;ten/ und dem andern das u&#x0364;ber&#x017F;etzen verwehre ko&#x0364;nte.<lb/>
Wer auß den Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rath-Herren in <hi rendition="#aq">Europa</hi> geboren<lb/>
&#x017F;olte zu Rom verbleiben/ die andern aber dem <hi rendition="#aq">Geta</hi> folgen.<lb/><hi rendition="#aq">Geta</hi> war ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine Hofhaltung zu <hi rendition="#aq">Antiochien,</hi> oder<lb/><hi rendition="#aq">Alexandrien,</hi> welche Sta&#x0364;dte/ damals nicht vil kleiner als<lb/>
Rom/ zu &#x017F;tifften. Auß den Sud-La&#x0364;ndern/ blib <hi rendition="#aq">Maurita-<lb/>
nien</hi> und <hi rendition="#aq">Numidien, Antonino.</hi> Was di&#x017F;en gegen O&#x017F;ten<lb/>
anha&#x0364;ngig/ ward dem <hi rendition="#aq">Geta</hi> uberla&#x017F;&#x017F;en. Als man hirmit ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;fftig/ und die andern alle das Ange&#x017F;icht traurig unter &#x017F;ich<lb/>
auff die Erden &#x017F;chlugen/ fa&#x0364;nget <hi rendition="#aq">Julia</hi> an: Meine Kinder/ wie<lb/>
Erde und See zu theilen/ habet jhr nunmehr gefunden/ und<lb/>
beyde Fuß-fe&#x017F;te La&#x0364;nder &#x017F;cheidet das <hi rendition="#aq">Ponti</hi>&#x017F;che Meer/ wie wer-<lb/>
det jhr aber die Mutter theilen? Wie kan ich unglu&#x0364;ck&#x017F;elige un-<lb/>
ter euch beyde getrennet oder zu&#x017F;chnitten werden/ to&#x0364;dtet mich<lb/>
derohalben vor allen dingen/ und jdweder begrabe meine Helff-<lb/>
te bey &#x017F;ich/ daß ich zu gleich unter euch mit Erd und See ge-<lb/>
theilet werde. Als &#x017F;ie di&#x017F;es geredet/ fil &#x017F;ie mit vilem heulen<lb/>
und win&#x017F;eln beyden umb den Hals/ umbfing/ und &#x017F;uchte &#x017F;ie<lb/>
mit einander zu ver&#x017F;o&#x0364;hnen. Als hieru&#x0364;ber &#x017F;ich ein &#x017F;onderes<lb/>
mitleiden erhub/ ward di&#x017F;er Rath von allen verworffen. Di-<lb/>
&#x017F;es i&#x017F;t auß <hi rendition="#aq">Herodiani <hi rendition="#g">IV.</hi></hi> Buch etwas weitla&#x0364;ufftiger erzeh-<lb/>
let/ umb daß di&#x017F;er Theilung hin und wieder in den folgenden<lb/>
Abhandelungen erwehnet wird. Daß aber <hi rendition="#aq">Papinianus</hi> all-<lb/>
hir vorgibt/ man ha&#x0364;tte auch wol vorhin getheilet; gehet auff<lb/>
die Zeiten <hi rendition="#aq">M. Antonini</hi> und <hi rendition="#aq">Veri,</hi> welche beyder&#x017F;eits ob wol<lb/>
nicht mit getheileter Gewalt/ doch mehrentheils fern von ein-<lb/>
ander geher&#xA75B;&#x017F;chet und Krig gefu&#x0364;hret.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">v.</hi> 69. <hi rendition="#fr">Jch fuhe die gemein.</hi> Was vortreffliche Gemu&#x0364;t-<lb/>
ter offt allerhand Affterrede und Gefabr zu vermeyden/ thun<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ i&#x017F;t jhnen nicht &#x017F;elten u&#x0364;bel gedeutet. Von dem beru&#x0364;h-<lb/>
meten Wei&#x017F;en &#x017F;chreibet <hi rendition="#aq">Tacitus: In&#x017F;tituta prioris poten-<lb/>
tiæ commutat, prohibet cultus &#x017F;alutantium, vitat</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G ij</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">comi-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[0127] Anmerckungen. Vor-Meer oder Propontis, diſe Theile der Erden gleichſam abgraͤntzete. Antoninus moͤchte ſeine Laͤger bey Bizantz, Geta zu Chalcedon in Bithynien, welche diſer Stadt ge- gen uͤber/ auffſchlagen/ damit auff diſe Weiſe jdweder ſein Land behuͤten/ und dem andern das uͤberſetzen verwehre koͤnte. Wer auß den Roͤmiſchen Rath-Herren in Europa geboren ſolte zu Rom verbleiben/ die andern aber dem Geta folgen. Geta war entſchloſſen ſeine Hofhaltung zu Antiochien, oder Alexandrien, welche Staͤdte/ damals nicht vil kleiner als Rom/ zu ſtifften. Auß den Sud-Laͤndern/ blib Maurita- nien und Numidien, Antonino. Was diſen gegen Oſten anhaͤngig/ ward dem Geta uberlaſſen. Als man hirmit ge- ſchaͤfftig/ und die andern alle das Angeſicht traurig unter ſich auff die Erden ſchlugen/ faͤnget Julia an: Meine Kinder/ wie Erde und See zu theilen/ habet jhr nunmehr gefunden/ und beyde Fuß-feſte Laͤnder ſcheidet das Pontiſche Meer/ wie wer- det jhr aber die Mutter theilen? Wie kan ich ungluͤckſelige un- ter euch beyde getrennet oder zuſchnitten werden/ toͤdtet mich derohalben vor allen dingen/ und jdweder begrabe meine Helff- te bey ſich/ daß ich zu gleich unter euch mit Erd und See ge- theilet werde. Als ſie diſes geredet/ fil ſie mit vilem heulen und winſeln beyden umb den Hals/ umbfing/ und ſuchte ſie mit einander zu verſoͤhnen. Als hieruͤber ſich ein ſonderes mitleiden erhub/ ward diſer Rath von allen verworffen. Di- ſes iſt auß Herodiani IV. Buch etwas weitlaͤufftiger erzeh- let/ umb daß diſer Theilung hin und wieder in den folgenden Abhandelungen erwehnet wird. Daß aber Papinianus all- hir vorgibt/ man haͤtte auch wol vorhin getheilet; gehet auff die Zeiten M. Antonini und Veri, welche beyderſeits ob wol nicht mit getheileter Gewalt/ doch mehrentheils fern von ein- ander geherꝛſchet und Krig gefuͤhret. v. 69. Jch fuhe die gemein. Was vortreffliche Gemuͤt- ter offt allerhand Affterrede und Gefabr zu vermeyden/ thun muͤſſen/ iſt jhnen nicht ſelten uͤbel gedeutet. Von dem beruͤh- meten Weiſen ſchreibet Tacitus: Inſtituta prioris poten- tiæ commutat, prohibet cultus ſalutantium, vitat comi- G ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_rechtsgelehrter_1659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_rechtsgelehrter_1659/127
Zitationshilfe: Gryphius, Andreas: Großmüttiger Rechts-Gelehrter/ Oder Sterbender Æmilius Paulus Papinianus. Breslau, 1659, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_rechtsgelehrter_1659/127>, abgerufen am 12.12.2024.