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Gryphius, Andreas: Horribilicribrifax. Breslau, 1665.

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Horribilicribrifax
derogleichen Brieffe einzulieffern!
Camill. Last uns doch sehen/ wie und von wem er geschrie-
ben!
Coelest. Da ist er: leset ihn/ Camilla.
Camilla. Wenn er von Herren Palladio geschrieben we-
re/ würde Cyrille vielleicht eine bessere Beloh-
nung darvon getragen haben.
Coelest. Was saget ihr?
Camilla. Jch verwundere mich/ daß die Außschrifft so
schön gestellet: Dem himmlischen auff der Erden
scheinenden Nordstern meiner Sinnen/ dem gros-
sen Beeren meines Verstandes/ der eintzigen sub-
tili
tet und höchstem Enti meiner Metaphysica, der
würdigsten Natur in der gantzen Physica, dem
höchsten Gut aller Ethicorum, der Beredsamsten
Phoebussin dieser Welt/ der zehenden Musae, an-
dern Veneri, vierdten Chariti und letzten Parcae,
meines Verhängnisses/ dem hochedlen wolgebor-
nen Fräulin Coelestine, meiner glorwürdigsten
Gebieterin/ ad proprias.
Coelest. Es blicket wol an dem Gesang/ was es für ein
Vogel seyn muß.
Camilla. Si vales, bene est, ego autem valeo, sagt Ci-
cero.
Jch hergegen/ O ihr einiger Schleiffstetn
meines Verstandes -- -- --
Coelest. Es wird ein Messer Schmied oder Glaßschneider
seyn/ weil er von Schleiffen redet.
Camilla. Si vales bene est: ego autem non valeo, das
ist/ ich aegrotire, melancholisire, dec umbire, lan-
gvire,
es sind mehr frembde Worte hierinnen/ die
ich nicht wol lesen kan.
Coelest. Vielleicht ist es Türckisch oder Griechisch: last uns
das überschlagen.
Camilla. Verstehen wir doch das Lateinische nicht.
Coelest. Woher könnet ihr aber so wol Lateinisch lesen?
Camilla. Jch habe in meiner Jugend in einem Kloster
Seiden
Horribilicribrifax
derogleichen Brieffe einzulieffern!
Camill. Laſt uns doch ſehen/ wie und von wem er geſchrie-
ben!
Cœleſt. Da iſt er: leſet ihn/ Camilla.
Camilla. Wenn er von Herren Palladio geſchrieben we-
re/ wuͤrde Cyrille vielleicht eine beſſere Beloh-
nung darvon getragen haben.
Cœleſt. Was ſaget ihr?
Camilla. Jch verwundere mich/ daß die Außſchrifft ſo
ſchoͤn geſtellet: Dem himmliſchen auff der Erden
ſcheinenden Nordſtern meiner Sinnen/ dem groſ-
ſen Beeren meines Verſtandes/ der eintzigen ſub-
tili
tet und hoͤchſtem Enti meiner Metaphyſica, der
wuͤrdigſten Natur in der gantzen Phyſica, dem
hoͤchſten Gut aller Ethicorum, der Beredſamſten
Phœbuſſin dieſer Welt/ der zehenden Muſæ, an-
dern Veneri, vierdten Chariti und letzten Parcæ,
meines Verhaͤngniſſes/ dem hochedlen wolgebor-
nen Fraͤulin Cœleſtine, meiner glorwuͤrdigſten
Gebieterin/ ad proprias.
Cœleſt. Es blicket wol an dem Geſang/ was es fuͤr ein
Vogel ſeyn muß.
Camilla. Si vales, benè eſt, ego autem valeo, ſagt Ci-
cero.
Jch hergegen/ O ihr einiger Schleiffſtetn
meines Verſtandes — — —
Cœleſt. Es wird ein Meſſer Schmied oder Glaßſchneider
ſeyn/ weil er von Schleiffen redet.
Camilla. Si vales benè eſt: ego autem non valeo, das
iſt/ ich ægrotire, melancholiſire, dec umbire, lan-
gvire,
es ſind mehr frembde Worte hierinnen/ die
ich nicht wol leſen kan.
Cœleſt. Vielleicht iſt es Tuͤrckiſch oder Griechiſch: laſt uns
das uͤberſchlagen.
Camilla. Verſtehen wir doch das Lateiniſche nicht.
Cœleſt. Woher koͤnnet ihr aber ſo wol Lateiniſch leſen?
Camilla. Jch habe in meiner Jugend in einem Kloſter
Seiden
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[30/0046] Horribilicribrifax derogleichen Brieffe einzulieffern! Camill. Laſt uns doch ſehen/ wie und von wem er geſchrie- ben! Cœleſt. Da iſt er: leſet ihn/ Camilla. Camilla. Wenn er von Herren Palladio geſchrieben we- re/ wuͤrde Cyrille vielleicht eine beſſere Beloh- nung darvon getragen haben. Cœleſt. Was ſaget ihr? Camilla. Jch verwundere mich/ daß die Außſchrifft ſo ſchoͤn geſtellet: Dem himmliſchen auff der Erden ſcheinenden Nordſtern meiner Sinnen/ dem groſ- ſen Beeren meines Verſtandes/ der eintzigen ſub- tilitet und hoͤchſtem Enti meiner Metaphyſica, der wuͤrdigſten Natur in der gantzen Phyſica, dem hoͤchſten Gut aller Ethicorum, der Beredſamſten Phœbuſſin dieſer Welt/ der zehenden Muſæ, an- dern Veneri, vierdten Chariti und letzten Parcæ, meines Verhaͤngniſſes/ dem hochedlen wolgebor- nen Fraͤulin Cœleſtine, meiner glorwuͤrdigſten Gebieterin/ ad proprias. Cœleſt. Es blicket wol an dem Geſang/ was es fuͤr ein Vogel ſeyn muß. Camilla. Si vales, benè eſt, ego autem valeo, ſagt Ci- cero. Jch hergegen/ O ihr einiger Schleiffſtetn meines Verſtandes — — — Cœleſt. Es wird ein Meſſer Schmied oder Glaßſchneider ſeyn/ weil er von Schleiffen redet. Camilla. Si vales benè eſt: ego autem non valeo, das iſt/ ich ægrotire, melancholiſire, dec umbire, lan- gvire, es ſind mehr frembde Worte hierinnen/ die ich nicht wol leſen kan. Cœleſt. Vielleicht iſt es Tuͤrckiſch oder Griechiſch: laſt uns das uͤberſchlagen. Camilla. Verſtehen wir doch das Lateiniſche nicht. Cœleſt. Woher koͤnnet ihr aber ſo wol Lateiniſch leſen? Camilla. Jch habe in meiner Jugend in einem Kloſter Seiden

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Zitationshilfe: Gryphius, Andreas: Horribilicribrifax. Breslau, 1665, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_horribilicribrifax_1663/46>, abgerufen am 22.11.2024.