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Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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erhabensten Regungen der Seele. -- Sie suchen nach Ausflüchten und Vorwänden, um zu verbergen, daß in Ihrem Gemüth alle Altäre umgestürzt, jeder letzte Funke des heiligen Feuers längst erloschen ist!

Vetterchen, hören Sie endlich auf mit Ihren bombastischen Redensarten, oder Sie machen mich ernstlich böse, sagte die Frau, indem sie sich dicht vor ihn stellte. Ich denke, ich habe mich deutlich genug ausgesprochen. Wollen Sie Frau Julien heirathen -- ja oder nein?

Heirathen -- auf keinen Fall!

Die brave Frau Conrectorin stand starr. Ja, was wollen Sie denn, Vetterchen? wollte sie sagen, aber der Laut erstarb auf ihren offenen Lippen.

Sie wissen, fuhr der Vetter mit gesteigerter Emphase fort, wie ich in diesem Punkte denke -- kommen Sie mir nicht mit Ihrer Philistermoral, mit dem Kochlöffel der Tugend und Sittlichkeit. Muß es denn gleich geheirathet sein, wenn die Seelen einig sind in heiliger Weihe? Würden Sie nicht selbst lachen und spotten, wenn Faust höflichst um Jungfer Gretchen angehalten hätte, würden Sie es nicht selbst verächtlich und gemein finden, wenn alle jene hohen, ewigen Gestalten einer Beatrice, Vittoria, Laura, Magdalena und so weiter glücklich unter die Haube gekommen wären, damit sie vor dem Richterstuhl der Kaffeeschwestern und Stadtfraubasen beständen -- damit die Nachwelt den Trost hätte, daß nunmehr jedes Pensionsfräulein, jeder Backfisch ihre Ge-

erhabensten Regungen der Seele. — Sie suchen nach Ausflüchten und Vorwänden, um zu verbergen, daß in Ihrem Gemüth alle Altäre umgestürzt, jeder letzte Funke des heiligen Feuers längst erloschen ist!

Vetterchen, hören Sie endlich auf mit Ihren bombastischen Redensarten, oder Sie machen mich ernstlich böse, sagte die Frau, indem sie sich dicht vor ihn stellte. Ich denke, ich habe mich deutlich genug ausgesprochen. Wollen Sie Frau Julien heirathen — ja oder nein?

Heirathen — auf keinen Fall!

Die brave Frau Conrectorin stand starr. Ja, was wollen Sie denn, Vetterchen? wollte sie sagen, aber der Laut erstarb auf ihren offenen Lippen.

Sie wissen, fuhr der Vetter mit gesteigerter Emphase fort, wie ich in diesem Punkte denke — kommen Sie mir nicht mit Ihrer Philistermoral, mit dem Kochlöffel der Tugend und Sittlichkeit. Muß es denn gleich geheirathet sein, wenn die Seelen einig sind in heiliger Weihe? Würden Sie nicht selbst lachen und spotten, wenn Faust höflichst um Jungfer Gretchen angehalten hätte, würden Sie es nicht selbst verächtlich und gemein finden, wenn alle jene hohen, ewigen Gestalten einer Beatrice, Vittoria, Laura, Magdalena und so weiter glücklich unter die Haube gekommen wären, damit sie vor dem Richterstuhl der Kaffeeschwestern und Stadtfraubasen beständen — damit die Nachwelt den Trost hätte, daß nunmehr jedes Pensionsfräulein, jeder Backfisch ihre Ge-

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[0061] erhabensten Regungen der Seele. — Sie suchen nach Ausflüchten und Vorwänden, um zu verbergen, daß in Ihrem Gemüth alle Altäre umgestürzt, jeder letzte Funke des heiligen Feuers längst erloschen ist! Vetterchen, hören Sie endlich auf mit Ihren bombastischen Redensarten, oder Sie machen mich ernstlich böse, sagte die Frau, indem sie sich dicht vor ihn stellte. Ich denke, ich habe mich deutlich genug ausgesprochen. Wollen Sie Frau Julien heirathen — ja oder nein? Heirathen — auf keinen Fall! Die brave Frau Conrectorin stand starr. Ja, was wollen Sie denn, Vetterchen? wollte sie sagen, aber der Laut erstarb auf ihren offenen Lippen. Sie wissen, fuhr der Vetter mit gesteigerter Emphase fort, wie ich in diesem Punkte denke — kommen Sie mir nicht mit Ihrer Philistermoral, mit dem Kochlöffel der Tugend und Sittlichkeit. Muß es denn gleich geheirathet sein, wenn die Seelen einig sind in heiliger Weihe? Würden Sie nicht selbst lachen und spotten, wenn Faust höflichst um Jungfer Gretchen angehalten hätte, würden Sie es nicht selbst verächtlich und gemein finden, wenn alle jene hohen, ewigen Gestalten einer Beatrice, Vittoria, Laura, Magdalena und so weiter glücklich unter die Haube gekommen wären, damit sie vor dem Richterstuhl der Kaffeeschwestern und Stadtfraubasen beständen — damit die Nachwelt den Trost hätte, daß nunmehr jedes Pensionsfräulein, jeder Backfisch ihre Ge-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

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Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/61>, abgerufen am 25.11.2024.