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Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nehmen und luden mich ein, den ganzen Sommer dort zuzubringen. Es mochte recht gut gemeint sein, aber es litt mich nicht eine Stunde neben ihnen; kam es mir doch vor, als wenn sie mich nur zum Besten hielten, und namentlich diese Julia, diese reizende kleine Teufelin; ich konnte sie nicht mehr ansehen, ohne mir wie ein Capitalesel vorzukommen; o Weiber, Weiber, Weiber! Mit Einem Wort: mit demselben Dampfschiff bin ich nach Magadino wieder zurückgefahren, nachdem sie glücklich auf der Bahn von Arona weitergereis't waren.

Nun, liebes Vetterchen, sagte die Conrectorin mit Behagen, so haben Sie wenigstens unfreiwillig einen Vacanzausflug gemacht. Sie haben ja um jeden Preis einmal ein Abenteuer erleben wollen; nun werden Sie hoffentlich von der Romantik curirt sein.

Ja wohl, Frau Conrectorin, das bin ich -- gründlich bin ich curirt worden. Es nutzt nichts, das Außerordentliche zu begehren, und die Ideale haben eine ganz heillose Kehrseite. Ich bin über die Geschichte ganz dumm geworden; jeder Pfahlbauer und Philister, der nie etwas erlebt hat, kommt mir wie ein Salomo und Aristoteles vor, hundertmal klüger und erfahrener als ich. O, die Sache hat noch ihre bösen Folgen gehabt. Daß ich verschiedene meiner Sachen unterwegs in meiner grenzenlosen Zerstreutheit liegen gelassen habe -- auch die Hutschachtel mit den Reiterpistolen, die auf dem Dampfschiff oder in Magadino geblieben ist -- das war noch das Wenigste -- nein, da ich auch vergessen

nehmen und luden mich ein, den ganzen Sommer dort zuzubringen. Es mochte recht gut gemeint sein, aber es litt mich nicht eine Stunde neben ihnen; kam es mir doch vor, als wenn sie mich nur zum Besten hielten, und namentlich diese Julia, diese reizende kleine Teufelin; ich konnte sie nicht mehr ansehen, ohne mir wie ein Capitalesel vorzukommen; o Weiber, Weiber, Weiber! Mit Einem Wort: mit demselben Dampfschiff bin ich nach Magadino wieder zurückgefahren, nachdem sie glücklich auf der Bahn von Arona weitergereis't waren.

Nun, liebes Vetterchen, sagte die Conrectorin mit Behagen, so haben Sie wenigstens unfreiwillig einen Vacanzausflug gemacht. Sie haben ja um jeden Preis einmal ein Abenteuer erleben wollen; nun werden Sie hoffentlich von der Romantik curirt sein.

Ja wohl, Frau Conrectorin, das bin ich — gründlich bin ich curirt worden. Es nutzt nichts, das Außerordentliche zu begehren, und die Ideale haben eine ganz heillose Kehrseite. Ich bin über die Geschichte ganz dumm geworden; jeder Pfahlbauer und Philister, der nie etwas erlebt hat, kommt mir wie ein Salomo und Aristoteles vor, hundertmal klüger und erfahrener als ich. O, die Sache hat noch ihre bösen Folgen gehabt. Daß ich verschiedene meiner Sachen unterwegs in meiner grenzenlosen Zerstreutheit liegen gelassen habe — auch die Hutschachtel mit den Reiterpistolen, die auf dem Dampfschiff oder in Magadino geblieben ist — das war noch das Wenigste — nein, da ich auch vergessen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

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Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/130>, abgerufen am 24.11.2024.