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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Fünfftes Buch.

Adjeu Welt/ dann in dir wird niemand mit sei-
nem rechten Nahmen genennet/ den Vermessenen
nennet man kühn/ den Verzagten fürsichtig/ den Un-
gestümmen embsig/ und den Nachlässigen friedsam;
Einen Verschwender nennet man herrlich/ und einen
Kargen eingezogen; einen hinderlistigen Schwätzer
und Plauderer nennet man beredt/ und den Stillen
einen Narrn oder Phantasten; einen Ehebrecher
und Jungfrauen-schänder nennet man einen Buler;
einen Unflat nennet man einen Hofmann/ einen
Rachgierigen nennet man einen Eyferigen/ und einen
Sanfftmütigen einen Phantasten/ also daß du uns
das giebige vor das ungiebige/ und das ungiebige
vor das giebige verkauffest.

Adjeu Welt/ dann du verführest jederman/ den
Ehrgeitzigen verheissest du Ehr/ den Unruhigen Ver-
änderung/ den Hochtragenden Gnad bey Fürsten/
den Nachlässigen Aempter/ den Geitzhälsen viel
Schätze/ den Fressern und Unkeuschen Freude und
Wollust/ den Feinden Rach/ den Dieben Heimlich-
keit/ den Jungen langes Leben/ und den Favoriten
verheissestu beständige Fürstliche Huld.

Adjeu Welt/ dann in deinem Pallast findet weder
Warheit noch Treu ihre Herberg! wer mit dir redet
wird verschamt/ wer dir traut wird betrogen/ wer
dir folgt wird verführt/ wer dich förchtet wird am
aller-übelsten gehalten/ wer dich liebt wird übel be-
lohnt/ und wer sich am allermeisten auff dich verläst/
wird auch am allermeisten zu schanden gemacht; an
dir hilfft kein Geschenck so man dir gibt/ kein Dienst
so man dir erweist/ keine liebliche Wort so man dir

zu-
C c vij
Fuͤnfftes Buch.

Adjeu Welt/ dann in dir wird niemand mit ſei-
nem rechten Nahmen genennet/ den Vermeſſenen
nennet man kuͤhn/ den Verzagten fuͤrſichtig/ den Un-
geſtümmen embſig/ und den Nachlaͤſſigen friedſam;
Einen Verſchwender nennet man herꝛlich/ und einen
Kargen eingezogen; einen hinderliſtigen Schwaͤtzer
und Plauderer nennet man beredt/ und den Stillen
einen Narꝛn oder Phantaſten; einen Ehebrecher
und Jungfrauen-ſchaͤnder nennet man einen Buler;
einen Unflat nennet man einen Hofmann/ einen
Rachgierigen nennet man einen Eyferigen/ und einen
Sanfftmuͤtigen einen Phantaſten/ alſo daß du uns
das giebige vor das ungiebige/ und das ungiebige
vor das giebige verkauffeſt.

Adjeu Welt/ dann du verfuͤhreſt jederman/ den
Ehrgeitzigen verheiſſeſt du Ehr/ den Unruhigen Ver-
aͤnderung/ den Hochtragenden Gnad bey Fuͤrſten/
den Nachlaͤſſigen Aempter/ den Geitzhaͤlſen viel
Schaͤtze/ den Freſſern und Unkeuſchen Freude und
Wolluſt/ den Feinden Rach/ den Dieben Heimlich-
keit/ den Jungen langes Leben/ und den Favoriten
verheiſſeſtu beſtaͤndige Fuͤrſtliche Huld.

Adjeu Welt/ dann in deinem Pallaſt findet weder
Warheit noch Treu ihre Herberg! wer mit dir redet
wird verſchamt/ wer dir traut wird betrogen/ wer
dir folgt wird verfuͤhrt/ wer dich foͤrchtet wird am
aller-uͤbelſten gehalten/ wer dich liebt wird übel be-
lohnt/ und wer ſich am allermeiſten auff dich verlaͤſt/
wird auch am allermeiſten zu ſchanden gemacht; an
dir hilfft kein Geſchenck ſo man dir gibt/ kein Dienſt
ſo man dir erweiſt/ keine liebliche Wort ſo man dir

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[611/0617] Fuͤnfftes Buch. Adjeu Welt/ dann in dir wird niemand mit ſei- nem rechten Nahmen genennet/ den Vermeſſenen nennet man kuͤhn/ den Verzagten fuͤrſichtig/ den Un- geſtümmen embſig/ und den Nachlaͤſſigen friedſam; Einen Verſchwender nennet man herꝛlich/ und einen Kargen eingezogen; einen hinderliſtigen Schwaͤtzer und Plauderer nennet man beredt/ und den Stillen einen Narꝛn oder Phantaſten; einen Ehebrecher und Jungfrauen-ſchaͤnder nennet man einen Buler; einen Unflat nennet man einen Hofmann/ einen Rachgierigen nennet man einen Eyferigen/ und einen Sanfftmuͤtigen einen Phantaſten/ alſo daß du uns das giebige vor das ungiebige/ und das ungiebige vor das giebige verkauffeſt. Adjeu Welt/ dann du verfuͤhreſt jederman/ den Ehrgeitzigen verheiſſeſt du Ehr/ den Unruhigen Ver- aͤnderung/ den Hochtragenden Gnad bey Fuͤrſten/ den Nachlaͤſſigen Aempter/ den Geitzhaͤlſen viel Schaͤtze/ den Freſſern und Unkeuſchen Freude und Wolluſt/ den Feinden Rach/ den Dieben Heimlich- keit/ den Jungen langes Leben/ und den Favoriten verheiſſeſtu beſtaͤndige Fuͤrſtliche Huld. Adjeu Welt/ dann in deinem Pallaſt findet weder Warheit noch Treu ihre Herberg! wer mit dir redet wird verſchamt/ wer dir traut wird betrogen/ wer dir folgt wird verfuͤhrt/ wer dich foͤrchtet wird am aller-uͤbelſten gehalten/ wer dich liebt wird übel be- lohnt/ und wer ſich am allermeiſten auff dich verlaͤſt/ wird auch am allermeiſten zu ſchanden gemacht; an dir hilfft kein Geſchenck ſo man dir gibt/ kein Dienſt ſo man dir erweiſt/ keine liebliche Wort ſo man dir zu- C c vij

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/617>, abgerufen am 25.11.2024.