German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Fünfftes Buch. wurde ich der Arithmeticae auch gleich überdrüssig/was aber die Musicam anbelangt/ haßte ich dieselbe vorlängst wie die Pest/ wie ich dann meine Laute zu tausend Stückern schmisse; die Mathematica und Geometria fand noch platz bey mir/ so bald ich aber von diesen ein wenig zu der Astronomia geleitet wur- de/ gah ich ihnen auch Feyerabend und hieng dieser sampt der Astrologia ein zeitlang an/ welche mich dann trefflich delectirten/ endlich kamen sie mir auch falsch und ungewiß vor/ also daß ich mich auch nicht länger mit ihnen schleppen mochte/ sondern griffe nach der Kunst Raymundi Lullii, fande aber viel Ge- schrey und wenig Wollen/ und weil ich sie vor eine Topicam hielte/ ließ ich sie fahren und machte mich hinter die Cabalam der Hebreer/ und Hieroglyphicas der Egyptier/ fande aber die allerletzte und auß allen meinen Künsten und Wissenschafften/ daß kein besser Kunst sey/ als die Theologia, wann man vermittelst derselbigen Gott liebet und ihm dienet! Nach der Richtschnur derselbigen erfande ich vor die Menschen eine Art zu leben die mehr Englisch als Menschlich seyn könte/ wann sich nemlich eine Gesellschafft zu- fammen thäte/ beydes von verehlichten und ledigen/ so Manns-als Weibspersonen/ die auff Manier der Widertäuffer allein sich beflissen/ unter einem ver- ständigen Vorsteher durch ihrer Hand Arbeit ihren leiblichen Unterhalt zu gewinnen/ und sich die übrige Zeiten mit dem Lob und Dienst Gottes und ihrer See- len Seeligkeit zu bemühen; dann ich hatte hiebevor in Ungarn auff den Widertäufferischen Höfen ein solches Leben gesehen/ also daß ich/ wofern dieselbe gute Leut mit andern falschen/ und der allgemeinen Christ- B b vj
Fuͤnfftes Buch. wurde ich der Arithmeticæ auch gleich uͤberdruͤſſig/was aber die Muſicam anbelangt/ haßte ich dieſelbe vorlaͤngſt wie die Peſt/ wie ich dann meine Laute zu tauſend Stuͤckern ſchmiſſe; die Mathematica und Geometria fand noch platz bey mir/ ſo bald ich aber von dieſen ein wenig zu der Aſtronomia geleitet wur- de/ gah ich ihnen auch Feyerabend und hieng dieſer ſampt der Aſtrologia ein zeitlang an/ welche mich dann trefflich delectirten/ endlich kamen ſie mir auch falſch und ungewiß vor/ alſo daß ich mich auch nicht laͤnger mit ihnen ſchleppen mochte/ ſondern griffe nach der Kunſt Raymundi Lullii, fande aber viel Ge- ſchrey und wenig Wollen/ und weil ich ſie vor eine Topicam hielte/ ließ ich ſie fahren und machte mich hinter die Cabalam der Hebreer/ und Hieroglyphicas der Egyptier/ fande aber die allerletzte und auß allen meinen Kuͤnſten und Wiſſenſchafften/ daß kein beſſer Kunſt ſey/ als die Theologia, wann man vermittelſt derſelbigen Gott liebet und ihm dienet! Nach der Richtſchnur derſelbigen erfande ich vor die Menſchen eine Art zu leben die mehr Engliſch als Menſchlich ſeyn koͤnte/ wann ſich nemlich eine Geſellſchafft zu- fammen thaͤte/ beydes von verehlichten und ledigen/ ſo Manns-als Weibsperſonen/ die auff Manier der Widertaͤuffer allein ſich befliſſen/ unter einem ver- ſtaͤndigen Vorſteher durch ihrer Hand Arbeit ihren leiblichen Unterhalt zu gewinnen/ und ſich die uͤbrige Zeiten mit dem Lob und Dienſt Gottes und ihrer See- len Seeligkeit zu bemuͤhen; dann ich hatte hiebevor in Ungarn auff den Widertaͤufferiſchen Hoͤfen ein ſolches Leben geſehen/ alſo daß ich/ wofern dieſelbe gute Leut mit andern falſchen/ und der allgemeinen Chriſt- B b vj
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Fuͤnfftes Buch.
wurde ich der Arithmeticæ auch gleich uͤberdruͤſſig/
was aber die Muſicam anbelangt/ haßte ich dieſelbe
vorlaͤngſt wie die Peſt/ wie ich dann meine Laute zu
tauſend Stuͤckern ſchmiſſe; die Mathematica und
Geometria fand noch platz bey mir/ ſo bald ich aber
von dieſen ein wenig zu der Aſtronomia geleitet wur-
de/ gah ich ihnen auch Feyerabend und hieng dieſer
ſampt der Aſtrologia ein zeitlang an/ welche mich
dann trefflich delectirten/ endlich kamen ſie mir auch
falſch und ungewiß vor/ alſo daß ich mich auch nicht
laͤnger mit ihnen ſchleppen mochte/ ſondern griffe
nach der Kunſt Raymundi Lullii, fande aber viel Ge-
ſchrey und wenig Wollen/ und weil ich ſie vor eine
Topicam hielte/ ließ ich ſie fahren und machte mich
hinter die Cabalam der Hebreer/ und Hieroglyphicas
der Egyptier/ fande aber die allerletzte und auß allen
meinen Kuͤnſten und Wiſſenſchafften/ daß kein beſſer
Kunſt ſey/ als die Theologia, wann man vermittelſt
derſelbigen Gott liebet und ihm dienet! Nach der
Richtſchnur derſelbigen erfande ich vor die Menſchen
eine Art zu leben die mehr Engliſch als Menſchlich
ſeyn koͤnte/ wann ſich nemlich eine Geſellſchafft zu-
fammen thaͤte/ beydes von verehlichten und ledigen/
ſo Manns-als Weibsperſonen/ die auff Manier der
Widertaͤuffer allein ſich befliſſen/ unter einem ver-
ſtaͤndigen Vorſteher durch ihrer Hand Arbeit ihren
leiblichen Unterhalt zu gewinnen/ und ſich die uͤbrige
Zeiten mit dem Lob und Dienſt Gottes und ihrer See-
len Seeligkeit zu bemuͤhen; dann ich hatte hiebevor
in Ungarn auff den Widertaͤufferiſchen Hoͤfen ein
ſolches Leben geſehen/ alſo daß ich/ wofern dieſelbe
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