German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Deß Abentheurl. Simplicissimi Banckert oder Findling seyn; fragte derowegen mei-nen Knan/ wo er dann denselben Buben auffgetrie- ben? oder was er vor Ursach gehabt/ denselben an Kinds statt zu erziehen? Ach/ sagte er/ es ist mir sel- tzam mit ihm gangen/ der Krieg hat mir ihn geben/ und der Krieg hat mir ihn wieder genommen. Weil ich dann besorgte/ es dörffte wol ein facit herauß kommen/ das mir wegen meiner Geburt nachtheilig seyn möchte/ verwendet ich meinen Discurs wieder auff die Geiß/ und fragte/ ob er sie der Wirthin in die Küche verkaufft hätte? das mich befremde/ weil die Saurbrunnen-Gäst kein alt Geissenfleisch zu ge- niessen pflegten; Ach nein Herr/ antwort der Baur/ die Wirthin hat selber Geissen genug/ und gibt auch nichts vor ein Ding/ ich bring sie der Gräfin die im Sauerbrunnen badet/ und ihr der Doctor Hans in allen Gassen etliche Kräuter geordnet/ so die Geiß essen muß/ und was sie dann vor Milch darvon gibt/ die nimmt der Doctor, und macht der Gräfin noch so ein Ertzney drüber/ so muß sie die Milch trincken/ und wieder gesund darvon werden/ man saht/ es mangel der Gräfin am Gehenck/ und wenn ihr die Geiß hilfft/ so vermag sie mehr als der Doctor und seine Abdecker miteinanger. Unter währender solcher Relation besann ich/ auff was Weis ich mehr mit dem Baurn reden möchte/ botte ihm derhalben einen Thaler mehr umb die Geiß/ als der Doctor oder die Gräfin darum geben wolten; solches gieng er gleich ein (dann ein geringer Gewin persuadirt die Leut bald anders) doch mit dem Beding/ er solte der Gräfin zuvor anzeigen/ daß ich ihm ein Thaler mehr darauff gebotten/ wolte sie dann so viel drumb geben als ich/ so
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Banckert oder Findling ſeyn; fragte derowegen mei-nen Knan/ wo er dann denſelben Buben auffgetrie- ben? oder was er vor Urſach gehabt/ denſelben an Kinds ſtatt zu erziehen? Ach/ ſagte er/ es iſt mir ſel- tzam mit ihm gangen/ der Krieg hat mir ihn geben/ und der Krieg hat mir ihn wieder genommen. Weil ich dann beſorgte/ es doͤrffte wol ein facit herauß kommen/ das mir wegen meiner Geburt nachtheilig ſeyn moͤchte/ verwendet ich meinen Diſcurs wieder auff die Geiß/ und fragte/ ob er ſie der Wirthin in die Kuͤche verkaufft haͤtte? das mich befremde/ weil die Saurbrunnen-Gaͤſt kein alt Geiſſenfleiſch zu ge- nieſſen pflegten; Ach nein Herꝛ/ antwort der Baur/ die Wirthin hat ſelber Geiſſen genug/ und gibt auch nichts vor ein Ding/ ich bring ſie der Graͤfin die im Sauerbrunnen badet/ und ihr der Doctor Hans in allen Gaſſen etliche Kraͤuter geordnet/ ſo die Geiß eſſen muß/ und was ſie dann vor Milch darvon gibt/ die nimmt der Doctor, und macht der Graͤfin noch ſo ein Ertzney druͤber/ ſo muß ſie die Milch trincken/ und wieder geſund darvon werden/ man ſaht/ es mangel der Graͤfin am Gehenck/ und wenn ihr die Geiß hilfft/ ſo vermag ſie mehr als der Doctor und ſeine Abdecker miteinanger. Unter waͤhrender ſolcher Relation beſann ich/ auff was Weis ich mehr mit dem Baurn reden moͤchte/ botte ihm derhalben einen Thaler mehr umb die Geiß/ als der Doctor oder die Graͤfin darum geben wolten; ſolches gieng er gleich ein (dann ein geringer Gewin perſuadirt die Leut bald anders) doch mit dem Beding/ er ſolte der Graͤfin zuvor anzeigen/ daß ich ihm ein Thaler mehr darauff gebotten/ wolte ſie dann ſo viel drumb geben als ich/ ſo
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0536" n="530"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl. <hi rendition="#aq">Simpliciſſimi</hi></hi></fw><lb/> Banckert oder Findling ſeyn; fragte derowegen mei-<lb/> nen Knan/ wo er dann denſelben Buben auffgetrie-<lb/> ben? oder was er vor Urſach gehabt/ denſelben an<lb/> Kinds ſtatt zu erziehen? Ach/ ſagte er/ es iſt mir ſel-<lb/> tzam mit ihm gangen/ der Krieg hat mir ihn geben/<lb/> und der Krieg hat mir ihn wieder genommen. Weil<lb/> ich dann beſorgte/ es doͤrffte wol ein <hi rendition="#aq">facit</hi> herauß<lb/> kommen/ das mir wegen meiner Geburt nachtheilig<lb/> ſeyn moͤchte/ verwendet ich meinen <hi rendition="#aq">Diſcurs</hi> wieder<lb/> auff die Geiß/ und fragte/ ob er ſie der Wirthin in<lb/> die Kuͤche verkaufft haͤtte? das mich befremde/ weil<lb/> die Saurbrunnen-Gaͤſt kein alt Geiſſenfleiſch zu ge-<lb/> nieſſen pflegten; Ach nein Herꝛ/ antwort der Baur/<lb/> die Wirthin hat ſelber Geiſſen genug/ und gibt auch<lb/> nichts vor ein Ding/ ich bring ſie der Graͤfin die im<lb/> Sauerbrunnen badet/ und ihr der <hi rendition="#aq">Doctor</hi> Hans in<lb/> allen Gaſſen etliche Kraͤuter geordnet/ ſo die Geiß<lb/> eſſen muß/ und was ſie dann vor Milch darvon gibt/<lb/> die nimmt der <hi rendition="#aq">Doctor,</hi> und macht der Graͤfin noch<lb/> ſo ein Ertzney druͤber/ ſo muß ſie die Milch trincken/<lb/> und wieder geſund darvon werden/ man ſaht/ es<lb/> mangel der Graͤfin am Gehenck/ und wenn ihr die<lb/> Geiß hilfft/ ſo vermag ſie mehr als der <hi rendition="#aq">Doctor</hi> und<lb/> ſeine Abdecker miteinanger. Unter waͤhrender ſolcher<lb/><hi rendition="#aq">Relation</hi> beſann ich/ auff was Weis ich mehr mit<lb/> dem Baurn reden moͤchte/ botte ihm derhalben einen<lb/> Thaler mehr umb die Geiß/ als der <hi rendition="#aq">Doctor</hi> oder die<lb/> Graͤfin darum geben wolten; ſolches gieng er gleich<lb/> ein (dann ein geringer Gewin <hi rendition="#aq">perſuadi</hi>rt die Leut bald<lb/> anders) doch mit dem Beding/ er ſolte der Graͤfin<lb/> zuvor anzeigen/ daß ich ihm ein Thaler mehr darauff<lb/> gebotten/ wolte ſie dann ſo viel drumb geben als ich/<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſo</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [530/0536]
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
Banckert oder Findling ſeyn; fragte derowegen mei-
nen Knan/ wo er dann denſelben Buben auffgetrie-
ben? oder was er vor Urſach gehabt/ denſelben an
Kinds ſtatt zu erziehen? Ach/ ſagte er/ es iſt mir ſel-
tzam mit ihm gangen/ der Krieg hat mir ihn geben/
und der Krieg hat mir ihn wieder genommen. Weil
ich dann beſorgte/ es doͤrffte wol ein facit herauß
kommen/ das mir wegen meiner Geburt nachtheilig
ſeyn moͤchte/ verwendet ich meinen Diſcurs wieder
auff die Geiß/ und fragte/ ob er ſie der Wirthin in
die Kuͤche verkaufft haͤtte? das mich befremde/ weil
die Saurbrunnen-Gaͤſt kein alt Geiſſenfleiſch zu ge-
nieſſen pflegten; Ach nein Herꝛ/ antwort der Baur/
die Wirthin hat ſelber Geiſſen genug/ und gibt auch
nichts vor ein Ding/ ich bring ſie der Graͤfin die im
Sauerbrunnen badet/ und ihr der Doctor Hans in
allen Gaſſen etliche Kraͤuter geordnet/ ſo die Geiß
eſſen muß/ und was ſie dann vor Milch darvon gibt/
die nimmt der Doctor, und macht der Graͤfin noch
ſo ein Ertzney druͤber/ ſo muß ſie die Milch trincken/
und wieder geſund darvon werden/ man ſaht/ es
mangel der Graͤfin am Gehenck/ und wenn ihr die
Geiß hilfft/ ſo vermag ſie mehr als der Doctor und
ſeine Abdecker miteinanger. Unter waͤhrender ſolcher
Relation beſann ich/ auff was Weis ich mehr mit
dem Baurn reden moͤchte/ botte ihm derhalben einen
Thaler mehr umb die Geiß/ als der Doctor oder die
Graͤfin darum geben wolten; ſolches gieng er gleich
ein (dann ein geringer Gewin perſuadirt die Leut bald
anders) doch mit dem Beding/ er ſolte der Graͤfin
zuvor anzeigen/ daß ich ihm ein Thaler mehr darauff
gebotten/ wolte ſie dann ſo viel drumb geben als ich/
ſo
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDer angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |