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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
Trauer Kleidern und einem Stück Geld ihres Wegs
lauffen.

Sein Abschied thät mir schmertzlich wehe/ vor-
nemlich weil ihm vergeben worden/ und ob ichs zwar
nit endern konte/ so enderts doch mich/ dann ich flohe
alle Gesellschafften/ und suchte nur die Einsamkeit/
meinen betrübten Gedancken Audienz zu geben/ zu
dem Ende verbarg ich mich etwan irgends in einen
Busch/ und betrachtete nit allein was ich vor einen
Freund verloren/ sondern auch daß ich mein Lebtag
seines gleichen nit mehr bekommen würde; Mithin
machte ich auch von Anstellung meines künfftigen
Lebens allerhand Anschläg/ und beschloß doch nichts
gewisses; bald wolt ich wieder in Krieg/ und unver-
sehens gedacht ich/ es hättens die geringste Baurn in
selbiger Gegend besser/ als ein Obrister/ dann in das-
selbe Gebürg kamen keine Parteyen/ so konte ich mir
auch nit einbilden/ was eine Armee darin zu schaffen
haben müste/ dieselbe Lands-Art zu ruiniren/ massen
noch alle Baurn-Höf gleich als zu Friedenszeiten in
trefflichem Bau/ und alle Ställ voll Viehe waren/
unangesehen auff dem ebenen Land in den Dörffern
weder Hund noch Katz anzutreffen.

Als ich mich nun mit Anhörung deß lieblichsten
Vogelgesangs ergetzte/ und mir einbildete/ daß die
Nachtigal durch ihre Lieblichkeit andere Vögel ban-
ne still zu schweigen/ und ihnen zuzuhören/ entweder
auß Scham/ oder ihr etwas von solchem anmuthi-
gen Klang abzustehlen; da näherte sich jenseit dem
Wasser eine Schönheit an das Gestad/ die mich
mehr bewegte/ (weil sie nur den Habit einer Baurn-
Dirne antrug) als eine stattliche Damoiselle sonst nit

hätte

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
Trauer Kleidern und einem Stuͤck Geld ihres Wegs
lauffen.

Sein Abſchied thaͤt mir ſchmertzlich wehe/ vor-
nemlich weil ihm vergeben worden/ und ob ichs zwar
nit endern konte/ ſo enderts doch mich/ dann ich flohe
alle Geſellſchafften/ und ſuchte nur die Einſamkeit/
meinen betruͤbten Gedancken Audienz zu geben/ zu
dem Ende verbarg ich mich etwan irgends in einen
Buſch/ und betrachtete nit allein was ich vor einen
Freund verloren/ ſondern auch daß ich mein Lebtag
ſeines gleichen nit mehr bekommen wuͤrde; Mithin
machte ich auch von Anſtellung meines kuͤnfftigen
Lebens allerhand Anſchlaͤg/ und beſchloß doch nichts
gewiſſes; bald wolt ich wieder in Krieg/ und unver-
ſehens gedacht ich/ es haͤttens die geringſte Baurn in
ſelbiger Gegend beſſer/ als ein Obriſter/ dann in daſ-
ſelbe Gebuͤrg kamen keine Parteyen/ ſo konte ich mir
auch nit einbilden/ was eine Armee darin zu ſchaffen
haben muͤſte/ dieſelbe Lands-Art zu ruiniren/ maſſen
noch alle Baurn-Hoͤf gleich als zu Friedenszeiten in
trefflichem Bau/ und alle Staͤll voll Viehe waren/
unangeſehen auff dem ebenen Land in den Doͤrffern
weder Hund noch Katz anzutreffen.

Als ich mich nun mit Anhoͤrung deß lieblichſten
Vogelgeſangs ergetzte/ und mir einbildete/ daß die
Nachtigal durch ihre Lieblichkeit andere Voͤgel ban-
ne ſtill zu ſchweigen/ und ihnen zuzuhoͤren/ entweder
auß Scham/ oder ihr etwas von ſolchem anmuthi-
gen Klang abzuſtehlen; da naͤherte ſich jenſeit dem
Waſſer eine Schoͤnheit an das Geſtad/ die mich
mehr bewegte/ (weil ſie nur den Habit einer Baurn-
Dirne antrug) als eine ſtattliche Damoiſelle ſonſt nit

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[524/0530] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Trauer Kleidern und einem Stuͤck Geld ihres Wegs lauffen. Sein Abſchied thaͤt mir ſchmertzlich wehe/ vor- nemlich weil ihm vergeben worden/ und ob ichs zwar nit endern konte/ ſo enderts doch mich/ dann ich flohe alle Geſellſchafften/ und ſuchte nur die Einſamkeit/ meinen betruͤbten Gedancken Audienz zu geben/ zu dem Ende verbarg ich mich etwan irgends in einen Buſch/ und betrachtete nit allein was ich vor einen Freund verloren/ ſondern auch daß ich mein Lebtag ſeines gleichen nit mehr bekommen wuͤrde; Mithin machte ich auch von Anſtellung meines kuͤnfftigen Lebens allerhand Anſchlaͤg/ und beſchloß doch nichts gewiſſes; bald wolt ich wieder in Krieg/ und unver- ſehens gedacht ich/ es haͤttens die geringſte Baurn in ſelbiger Gegend beſſer/ als ein Obriſter/ dann in daſ- ſelbe Gebuͤrg kamen keine Parteyen/ ſo konte ich mir auch nit einbilden/ was eine Armee darin zu ſchaffen haben muͤſte/ dieſelbe Lands-Art zu ruiniren/ maſſen noch alle Baurn-Hoͤf gleich als zu Friedenszeiten in trefflichem Bau/ und alle Staͤll voll Viehe waren/ unangeſehen auff dem ebenen Land in den Doͤrffern weder Hund noch Katz anzutreffen. Als ich mich nun mit Anhoͤrung deß lieblichſten Vogelgeſangs ergetzte/ und mir einbildete/ daß die Nachtigal durch ihre Lieblichkeit andere Voͤgel ban- ne ſtill zu ſchweigen/ und ihnen zuzuhoͤren/ entweder auß Scham/ oder ihr etwas von ſolchem anmuthi- gen Klang abzuſtehlen; da naͤherte ſich jenſeit dem Waſſer eine Schoͤnheit an das Geſtad/ die mich mehr bewegte/ (weil ſie nur den Habit einer Baurn- Dirne antrug) als eine ſtattliche Damoiſelle ſonſt nit haͤtte

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/530>, abgerufen am 25.11.2024.