German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Erstes Buch. den Altar/ als zu der Cantzel sehen konten; Als ichdas erste mal den Pfarrherrn auff dieselbige steigen sahe/ fragete ich meinen Einsidel/ was er doch in demselben grossen Zuber machen wolte? nach ver- richtetem Gottesdienst aber/ giengen wir eben so verstolen wieder heim/ als wir hin kommen waren/ und nachdem wir mit müdem Leib und Füssen zu un- serer Wohnung kamen/ assen wir mit guten Zähnen übel/ alsdann brachte der Einsidel die übrige Zeit zu mit beten/ und mich in gottseeligen Dingen zu un- terrichten. An den Wercktägen thäten wir/ was am nötig- lichen
Erſtes Buch. den Altar/ als zu der Cantzel ſehen konten; Als ichdas erſte mal den Pfarꝛherꝛn auff dieſelbige ſteigen ſahe/ fragete ich meinen Einſidel/ was er doch in demſelben groſſen Zuber machen wolte? nach ver- richtetem Gottesdienſt aber/ giengen wir eben ſo verſtolen wieder heim/ als wir hin kommen waren/ und nachdem wir mit muͤdem Leib und Fuͤſſen zu un- ſerer Wohnung kamen/ aſſen wir mit guten Zaͤhnen uͤbel/ alsdann brachte der Einſidel die uͤbrige Zeit zu mit beten/ und mich in gottſeeligen Dingen zu un- terꝛichten. An den Wercktaͤgen thaͤten wir/ was am noͤtig- lichen
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb n="39" facs="#f0045"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#b">Erſtes Buch.</hi></fw><lb/> den Altar/ als zu der Cantzel ſehen konten; Als ich<lb/> das erſte mal den Pfarꝛherꝛn auff dieſelbige ſteigen<lb/> ſahe/ fragete ich meinen Einſidel/ was er doch in<lb/> demſelben groſſen Zuber machen wolte? nach ver-<lb/> richtetem Gottesdienſt aber/ giengen wir eben ſo<lb/> verſtolen wieder heim/ als wir hin kommen waren/<lb/> und nachdem wir mit muͤdem Leib und Fuͤſſen zu un-<lb/> ſerer Wohnung kamen/ aſſen wir mit guten Zaͤhnen<lb/> uͤbel/ alsdann brachte der Einſidel die uͤbrige Zeit<lb/> zu mit beten/ und mich in gottſeeligen Dingen zu un-<lb/> terꝛichten.</p><lb/> <p>An den Wercktaͤgen thaͤten wir/ was am noͤtig-<lb/> ſten zu thun war/ je nachdem ſichs fuͤgte/ und ſolches<lb/> die Zeit deß Jahrs/ und unſer Gelegenheit erforder-<lb/> te/ einmal arbeiteten wir im Garten/ das ander<lb/> mal ſuchten wir den feiſten Grund an ſchattigten<lb/> Orten/ und auß holen Baͤumen zuſammen/ unſern<lb/> Garten/ an ſtatt der Tung/ damit zu beſſern/ bald<lb/> flochten wir Koͤrbe oder Fiſch-Reuſſen/ oder mach-<lb/> ten Brennholtz/ fiſchten/ oder thaͤten ja ſo etwas<lb/> wider den Muͤſſiggang. Und unter allen dieſen Ge-<lb/> ſchaͤfften lieſſe der Einſidel nicht ab/ mich in allem<lb/> Guten getreulichſt zu unterweiſen/ unterdeſſen ler-<lb/> nete ich in ſolchem harten Leben Hunger/ Durſt/<lb/> Hitz/ Kaͤlte/ und groſſe Arbeit uͤberſtehen/ und zu-<lb/> vorderſt auch GOTT erkennen/ und wie man Jhm<lb/> rechtſchaffen dienen ſolte/ welches das vornehmſte<lb/> war. Zwar wolte mich mein getreuer Einſidel ein<lb/> mehrers nicht wiſſen laſſen/ dann er hielte darvor/<lb/> es ſeye einem Chriſten genug/ zu ſeinem Ziel und<lb/> Zweck zu gelangen/ wann er nur fleiſſig bete und<lb/> arbeite/ dahero es kommen/ ob ich zwar in geiſt-<lb/> <fw type="catch" place="bottom">lichen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [39/0045]
Erſtes Buch.
den Altar/ als zu der Cantzel ſehen konten; Als ich
das erſte mal den Pfarꝛherꝛn auff dieſelbige ſteigen
ſahe/ fragete ich meinen Einſidel/ was er doch in
demſelben groſſen Zuber machen wolte? nach ver-
richtetem Gottesdienſt aber/ giengen wir eben ſo
verſtolen wieder heim/ als wir hin kommen waren/
und nachdem wir mit muͤdem Leib und Fuͤſſen zu un-
ſerer Wohnung kamen/ aſſen wir mit guten Zaͤhnen
uͤbel/ alsdann brachte der Einſidel die uͤbrige Zeit
zu mit beten/ und mich in gottſeeligen Dingen zu un-
terꝛichten.
An den Wercktaͤgen thaͤten wir/ was am noͤtig-
ſten zu thun war/ je nachdem ſichs fuͤgte/ und ſolches
die Zeit deß Jahrs/ und unſer Gelegenheit erforder-
te/ einmal arbeiteten wir im Garten/ das ander
mal ſuchten wir den feiſten Grund an ſchattigten
Orten/ und auß holen Baͤumen zuſammen/ unſern
Garten/ an ſtatt der Tung/ damit zu beſſern/ bald
flochten wir Koͤrbe oder Fiſch-Reuſſen/ oder mach-
ten Brennholtz/ fiſchten/ oder thaͤten ja ſo etwas
wider den Muͤſſiggang. Und unter allen dieſen Ge-
ſchaͤfften lieſſe der Einſidel nicht ab/ mich in allem
Guten getreulichſt zu unterweiſen/ unterdeſſen ler-
nete ich in ſolchem harten Leben Hunger/ Durſt/
Hitz/ Kaͤlte/ und groſſe Arbeit uͤberſtehen/ und zu-
vorderſt auch GOTT erkennen/ und wie man Jhm
rechtſchaffen dienen ſolte/ welches das vornehmſte
war. Zwar wolte mich mein getreuer Einſidel ein
mehrers nicht wiſſen laſſen/ dann er hielte darvor/
es ſeye einem Chriſten genug/ zu ſeinem Ziel und
Zweck zu gelangen/ wann er nur fleiſſig bete und
arbeite/ dahero es kommen/ ob ich zwar in geiſt-
lichen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/45 |
Zitationshilfe: | German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/45>, abgerufen am 02.03.2025. |