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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Viertes Buch.
gestalt herauß striche/ daß alle Zuhörer mich vor ei-
nen guten Soldaten halten musten; darbey hielt ich
mich so bescheiden/ daß der Obrist und seine Leut/ die
mich zuvor gekant/ nicht anders glauben konten/ als
ich wäre mit andern Kleidern/ auch ein gantz anderer
Mensch worden. Und demnach der Obrist auch wis-
sen wolte/ woher mir der Nahm Doctor zukommen
wäre? erzehlt ich ihm meine gantze Räis von Pariß
auß biß nach Philipsburg/ und wie viel Bauern ich
betrogen/ mein Maulfutter zu gewinnen/ darüber sie
zimlich lachten. Endlich gestund ich unverholen/ daß
ich willens gewest/ Jhn Obristen mit allerhand Boß-
heiten dergestalt zu perturbirn und abzumatten/ daß
er mich endlich auß der Guarnison hätte schaffen müs-
sen/ dafern er anders wegen der vielen Klagen in Ruhe
vor mir leben wollen.

Darauff erzehlte der Obrist viel Bubenstücklein/
die ich begangen/ so lang ich in der Guarnison gewest/
wie ich nemlich Erbsen gesotten/ oben mit Schmaltz
übergossen/ und solche vor eitel Schmaltz verkaufft;
item gantze Säck voll Sand für Saltz/ in dem ich
die Säck unden mit Sand/ und oben mit Saltz ge-
füllt/ so dann/ wie ich einem hie/ dem andern dort ei-
nen Beern angebunden/ und die Leut mit Pasquillen
vexirt. Also daß man die gantze Mahlzeit nur von mir
zu reden hatte; hätte ich aber keinen so ansehenlichen
Freund gehabt/ so wären alle meine Thaten straff-
würdig gewesen. Darbey nam ich ein Exempel/ wie
es bey Hof hergehen müsse/ wenn ein böser Bub deß
Fürsten Gunst hat.

Nach geendigtem Jmbiß hatte der Jud kein Pferd/
so meinem Hertzbruder vor mich gefallen wolte/ weil

er
T jv

Viertes Buch.
geſtalt herauß ſtriche/ daß alle Zuhoͤrer mich vor ei-
nen guten Soldaten halten muſten; darbey hielt ich
mich ſo beſcheiden/ daß der Obriſt und ſeine Leut/ die
mich zuvor gekant/ nicht anders glauben konten/ als
ich waͤre mit andern Kleidern/ auch ein gantz anderer
Menſch worden. Und demnach der Obriſt auch wiſ-
ſen wolte/ woher mir der Nahm Doctor zukommen
waͤre? erzehlt ich ihm meine gantze Raͤis von Pariß
auß biß nach Philipsburg/ und wie viel Bauern ich
betrogen/ mein Maulfutter zu gewinnen/ daruͤber ſie
zimlich lachten. Endlich geſtund ich unverholen/ daß
ich willens geweſt/ Jhn Obriſten mit allerhand Boß-
heiten dergeſtalt zu perturbirn und abzumatten/ daß
er mich endlich auß der Guarniſon haͤtte ſchaffen muͤſ-
ſen/ dafern er anders wegen der vielen Klagen in Ruhe
vor mir leben wollen.

Darauff erzehlte der Obriſt viel Bubenſtuͤcklein/
die ich begangen/ ſo lang ich in der Guarniſon geweſt/
wie ich nemlich Erbſen geſotten/ oben mit Schmaltz
uͤbergoſſen/ und ſolche vor eitel Schmaltz verkaufft;
item gantze Saͤck voll Sand fuͤr Saltz/ in dem ich
die Saͤck unden mit Sand/ und oben mit Saltz ge-
fuͤllt/ ſo dann/ wie ich einem hie/ dem andern dort ei-
nen Beern angebunden/ und die Leut mit Pasquillen
vexirt. Alſo daß man die gantze Mahlzeit nur von mir
zu reden hatte; haͤtte ich aber keinen ſo anſehenlichen
Freund gehabt/ ſo waͤren alle meine Thaten ſtraff-
wuͤrdig geweſen. Darbey nam ich ein Exempel/ wie
es bey Hof hergehen muͤſſe/ wenn ein boͤſer Bub deß
Fuͤrſten Gunſt hat.

Nach geendigtem Jmbiß hatte der Jud kein Pferd/
ſo meinem Hertzbruder vor mich gefallen wolte/ weil

er
T jv
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[437/0443] Viertes Buch. geſtalt herauß ſtriche/ daß alle Zuhoͤrer mich vor ei- nen guten Soldaten halten muſten; darbey hielt ich mich ſo beſcheiden/ daß der Obriſt und ſeine Leut/ die mich zuvor gekant/ nicht anders glauben konten/ als ich waͤre mit andern Kleidern/ auch ein gantz anderer Menſch worden. Und demnach der Obriſt auch wiſ- ſen wolte/ woher mir der Nahm Doctor zukommen waͤre? erzehlt ich ihm meine gantze Raͤis von Pariß auß biß nach Philipsburg/ und wie viel Bauern ich betrogen/ mein Maulfutter zu gewinnen/ daruͤber ſie zimlich lachten. Endlich geſtund ich unverholen/ daß ich willens geweſt/ Jhn Obriſten mit allerhand Boß- heiten dergeſtalt zu perturbirn und abzumatten/ daß er mich endlich auß der Guarniſon haͤtte ſchaffen muͤſ- ſen/ dafern er anders wegen der vielen Klagen in Ruhe vor mir leben wollen. Darauff erzehlte der Obriſt viel Bubenſtuͤcklein/ die ich begangen/ ſo lang ich in der Guarniſon geweſt/ wie ich nemlich Erbſen geſotten/ oben mit Schmaltz uͤbergoſſen/ und ſolche vor eitel Schmaltz verkaufft; item gantze Saͤck voll Sand fuͤr Saltz/ in dem ich die Saͤck unden mit Sand/ und oben mit Saltz ge- fuͤllt/ ſo dann/ wie ich einem hie/ dem andern dort ei- nen Beern angebunden/ und die Leut mit Pasquillen vexirt. Alſo daß man die gantze Mahlzeit nur von mir zu reden hatte; haͤtte ich aber keinen ſo anſehenlichen Freund gehabt/ ſo waͤren alle meine Thaten ſtraff- wuͤrdig geweſen. Darbey nam ich ein Exempel/ wie es bey Hof hergehen muͤſſe/ wenn ein boͤſer Bub deß Fuͤrſten Gunſt hat. Nach geendigtem Jmbiß hatte der Jud kein Pferd/ ſo meinem Hertzbruder vor mich gefallen wolte/ weil er T jv

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/443>, abgerufen am 23.11.2024.