German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Deß Abentheurl. Simplicissimi mehr sich aber der Graf von Götz mit seiner Armeenäherte/ je mehrers näherte sich auch meine Erlö- sung: Denn als selbiger zu Bruchsal das Haupt- Quartier hatte/ wurde mein Hertzbruder/ dem ich im Läger vor Magdeburg mit meinem Geld getreulich geholffen/ von der Generalität mit etlichen Verrich- tungen in die Vestung geschickt/ da man Jhm die höchste Ehr anthät. Jch stund eben vor deß Obristen Quartier Schildwacht/ und ob er zwar ein schwar- tzen sammeten Rock antrug/ so erkante ich ihn jedoch gleich im ersten Anblick/ hatte aber nicht das Hertz/ ihn so gleich anzusprechen/ denn ich muste sorgen/ er würde der Welt Lauff nach sich meiner schämen/ oder mich sonst nit kennen wollen/ weil er den Klei- dern nach in einem hohen Stand/ ich aber nur ein lausiger Mußquetier wäre. Nachdem ich aber ab- gelöst wurde/ erkundigte ich bey dessen Dienern seinen Stand und Nahmen/ damit ich versichert seye/ daß ich vielleicht keinen andern vor ihn anspräche/ und hatte dennoch das Hertz nit/ ihn anzureden/ sondern schrieb dieses Brieflein/ und ließ es ihm am Morgen durch seinen Kammerdiener einhändigen: MOnsieur, etc. Wenn meinem Hochg. Herrn ner
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi mehr ſich aber der Graf von Goͤtz mit ſeiner Armeenaͤherte/ je mehrers naͤherte ſich auch meine Erloͤ- ſung: Denn als ſelbiger zu Bruchſal das Haupt- Quartier hatte/ wurde mein Hertzbruder/ dem ich im Laͤger vor Magdeburg mit meinem Geld getreulich geholffen/ von der Generalitaͤt mit etlichen Verꝛich- tungen in die Veſtung geſchickt/ da man Jhm die hoͤchſte Ehr anthaͤt. Jch ſtund eben vor deß Obriſten Quartier Schildwacht/ und ob er zwar ein ſchwar- tzen ſammeten Rock antrug/ ſo erkante ich ihn jedoch gleich im erſten Anblick/ hatte aber nicht das Hertz/ ihn ſo gleich anzuſprechen/ denn ich muſte ſorgen/ er wuͤrde der Welt Lauff nach ſich meiner ſchaͤmen/ oder mich ſonſt nit kennen wollen/ weil er den Klei- dern nach in einem hohen Stand/ ich aber nur ein lauſiger Mußquetier waͤre. Nachdem ich aber ab- geloͤſt wurde/ erkundigte ich bey deſſen Dienern ſeinen Stand und Nahmen/ damit ich verſichert ſeye/ daß ich vielleicht keinen andern vor ihn anſpraͤche/ und hatte dennoch das Hertz nit/ ihn anzureden/ ſondern ſchrieb dieſes Brieflein/ und ließ es ihm am Morgen durch ſeinen Kammerdiener einhaͤndigen: MOnſieur, ꝛc. Wenn meinem Hochg. Herꝛn ner
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Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
mehr ſich aber der Graf von Goͤtz mit ſeiner Armee
naͤherte/ je mehrers naͤherte ſich auch meine Erloͤ-
ſung: Denn als ſelbiger zu Bruchſal das Haupt-
Quartier hatte/ wurde mein Hertzbruder/ dem ich im
Laͤger vor Magdeburg mit meinem Geld getreulich
geholffen/ von der Generalitaͤt mit etlichen Verꝛich-
tungen in die Veſtung geſchickt/ da man Jhm die
hoͤchſte Ehr anthaͤt. Jch ſtund eben vor deß Obriſten
Quartier Schildwacht/ und ob er zwar ein ſchwar-
tzen ſammeten Rock antrug/ ſo erkante ich ihn jedoch
gleich im erſten Anblick/ hatte aber nicht das Hertz/
ihn ſo gleich anzuſprechen/ denn ich muſte ſorgen/
er wuͤrde der Welt Lauff nach ſich meiner ſchaͤmen/
oder mich ſonſt nit kennen wollen/ weil er den Klei-
dern nach in einem hohen Stand/ ich aber nur ein
lauſiger Mußquetier waͤre. Nachdem ich aber ab-
geloͤſt wurde/ erkundigte ich bey deſſen Dienern ſeinen
Stand und Nahmen/ damit ich verſichert ſeye/ daß
ich vielleicht keinen andern vor ihn anſpraͤche/ und
hatte dennoch das Hertz nit/ ihn anzureden/ ſondern
ſchrieb dieſes Brieflein/ und ließ es ihm am Morgen
durch ſeinen Kammerdiener einhaͤndigen:
MOnſieur, ꝛc. Wenn meinem Hochg. Herꝛn
beliebte/ den jenigen/ den er hiebevor durch ſei-
ne Dapfferkeit/ in der Schlacht bey Wittſtock auß
Eiſen und Banden erꝛettet/ auch anjetzo durch ſein
vortrefflich Anſehen auß dem aller-armſeeligſten
Stand von der Welt zu erloͤſen/ wohinein er als
ein Ball deß unbeſtaͤndigen Gluͤcks gerathen; So
wuͤrde Jhm ſolches nicht allein nicht ſchwer fallen/
ſondern Er wuͤrde Jhm auch vor einen ewigen Die-
ner
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Zitationshilfe: | German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/440>, abgerufen am 22.02.2025. |