German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Deß Abentheurl. Simplicissimi schier die unter Lefftzen herab/ ja sie fieng an meinenSchlaffbeltz auffzuknöpffeln/ und das Hemd gleich- sam zu zerreissen/ zog mich also zu ihr/ und stellte sich vor unsinniger Liebe also an/ daß nicht außzusagen. Sie konte nichts anders Teutsch/ als Rick su mir mein Hertz! das übrige gab sie sonst mit Geber- den zu verstehen. Jch gedachte zwar heim an meine Liebste/ aber was halffs/ ich war leyder ein Mensch/ und fand ein solche wol-proportionirte Creatur/ und zwar von solcher Lieblichkeit/ daß ich wol ein Ploch hätte seyn müssen/ wenn ich keusch hätte darvon kom- men sollen. Dergestalt bracht ich acht Täg und so viel Nächt Nach-
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi ſchier die unter Lefftzen herab/ ja ſie fieng an meinenSchlaffbeltz auffzuknoͤpffeln/ und das Hemd gleich- ſam zu zerꝛeiſſen/ zog mich alſo zu ihr/ und ſtellte ſich vor unſinniger Liebe alſo an/ daß nicht außzuſagen. Sie konte nichts anders Teutſch/ als Rick ſu mir mein Hertz! das uͤbrige gab ſie ſonſt mit Geber- den zu verſtehen. Jch gedachte zwar heim an meine Liebſte/ aber was halffs/ ich war leyder ein Menſch/ und fand ein ſolche wol-proportionirte Creatur/ und zwar von ſolcher Lieblichkeit/ daß ich wol ein Ploch haͤtte ſeyn muͤſſen/ wenn ich keuſch haͤtte darvon kom- men ſollen. Dergeſtalt bracht ich acht Taͤg und ſo viel Naͤcht Nach-
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0414" n="408"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl. <hi rendition="#aq">Simpliciſſimi</hi></hi></fw><lb/> ſchier die unter Lefftzen herab/ ja ſie fieng an meinen<lb/> Schlaffbeltz auffzuknoͤpffeln/ und das Hemd gleich-<lb/> ſam zu zerꝛeiſſen/ zog mich alſo zu ihr/ und ſtellte ſich<lb/> vor unſinniger Liebe alſo an/ daß nicht außzuſagen.<lb/> Sie konte nichts anders Teutſch/ als <hi rendition="#fr">Rick ſu mir<lb/> mein Hertz!</hi> das uͤbrige gab ſie ſonſt mit Geber-<lb/> den zu verſtehen. Jch gedachte zwar heim an meine<lb/> Liebſte/ aber was halffs/ ich war leyder ein Menſch/<lb/> und fand ein ſolche wol-<hi rendition="#aq">proportioni</hi>rte Creatur/ und<lb/> zwar von ſolcher Lieblichkeit/ daß ich wol ein Ploch<lb/> haͤtte ſeyn muͤſſen/ wenn ich keuſch haͤtte darvon kom-<lb/> men ſollen.</p><lb/> <p>Dergeſtalt bracht ich acht Taͤg und ſo viel Naͤcht<lb/> an dieſem Ort zu/ und ich glaube/ daß die andern drey<lb/> auch bey mir gelegen ſeyen/ dann ſie redeten nicht alle<lb/> wie die erſte/ und ſtellten ſich auch nicht ſo naͤrꝛiſch.<lb/> Wiewol ich nun acht gantzer Tage bey dieſen vier<lb/> Damen war/ ſo kan ich doch nit ſagen/ daß mir zuge-<lb/> laſſen worden/ ein einige anders als durch eine Flor-<lb/> Hauben/ oder es ſey denn finſter geweſen/ im bloſſen<lb/> Angeſicht zu beſchauen. Nach geendigter Zeit der<lb/> acht Tag ſetzt man mich im Hof/ mit verbundenen<lb/> Augen/ in eine zugemachte Gutſche/ zu meiner Al-<lb/> ten/ die mir unterwegs die Augen wieder auffbande/<lb/> und fuͤhrte mich in meines Herꝛn Hof/ alsdann fuhr<lb/> die Gutſche wieder ſchnell hinweg. Meine Vereh-<lb/> rung war 200. Piſtolet/ und da ich die Alte fragte/<lb/> ob ich niemand kein Trinckgeld darvon geben ſolte?<lb/> ſagte ſie/ bey Leib nicht/ dann wann ihr ſolches thaͤ-<lb/> tet/ ſo wuͤrde es die Dames verdrieſſen; ja ſie wuͤrden<lb/> gedencken/ Jhr bildet euch ein/ ihr waͤret in einem<lb/> Huren-Hauß geweſen/ da man alles belohnen muß.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Nach-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [408/0414]
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
ſchier die unter Lefftzen herab/ ja ſie fieng an meinen
Schlaffbeltz auffzuknoͤpffeln/ und das Hemd gleich-
ſam zu zerꝛeiſſen/ zog mich alſo zu ihr/ und ſtellte ſich
vor unſinniger Liebe alſo an/ daß nicht außzuſagen.
Sie konte nichts anders Teutſch/ als Rick ſu mir
mein Hertz! das uͤbrige gab ſie ſonſt mit Geber-
den zu verſtehen. Jch gedachte zwar heim an meine
Liebſte/ aber was halffs/ ich war leyder ein Menſch/
und fand ein ſolche wol-proportionirte Creatur/ und
zwar von ſolcher Lieblichkeit/ daß ich wol ein Ploch
haͤtte ſeyn muͤſſen/ wenn ich keuſch haͤtte darvon kom-
men ſollen.
Dergeſtalt bracht ich acht Taͤg und ſo viel Naͤcht
an dieſem Ort zu/ und ich glaube/ daß die andern drey
auch bey mir gelegen ſeyen/ dann ſie redeten nicht alle
wie die erſte/ und ſtellten ſich auch nicht ſo naͤrꝛiſch.
Wiewol ich nun acht gantzer Tage bey dieſen vier
Damen war/ ſo kan ich doch nit ſagen/ daß mir zuge-
laſſen worden/ ein einige anders als durch eine Flor-
Hauben/ oder es ſey denn finſter geweſen/ im bloſſen
Angeſicht zu beſchauen. Nach geendigter Zeit der
acht Tag ſetzt man mich im Hof/ mit verbundenen
Augen/ in eine zugemachte Gutſche/ zu meiner Al-
ten/ die mir unterwegs die Augen wieder auffbande/
und fuͤhrte mich in meines Herꝛn Hof/ alsdann fuhr
die Gutſche wieder ſchnell hinweg. Meine Vereh-
rung war 200. Piſtolet/ und da ich die Alte fragte/
ob ich niemand kein Trinckgeld darvon geben ſolte?
ſagte ſie/ bey Leib nicht/ dann wann ihr ſolches thaͤ-
tet/ ſo wuͤrde es die Dames verdrieſſen; ja ſie wuͤrden
gedencken/ Jhr bildet euch ein/ ihr waͤret in einem
Huren-Hauß geweſen/ da man alles belohnen muß.
Nach-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDer angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |