German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Deß Abentheurl. Simplicissimi lude mich darbey zu Gast/ und ließ etwan ein TrunckWein/ welcher der Orten theuer war/ darzu holen/ ja ich stellte es so an/ daß schier aller Kosten über mich gieng. Wenn ich dann mit jemand bey solchen Ge- lachen in ein Gespräch kam/ lobte ich jederman ohne mich selbst nicht/ und wuste mich so demütig zu stel- len/ als ob ich die Hoffart nie gekant hätte. Weil ich dann nun hierdurch eines jeden Gunst kriegte/ und jederman viel von mir hielte/ gedachte ich nicht/ daß mir etwas unglücklichs widerfahren könte/ vornem- lich weil mein Säckel noch zimlich gespickt war. Jch gieng offt zum ältesten Pfarrer derselbigen auff-
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi lude mich darbey zu Gaſt/ und ließ etwan ein TrunckWein/ welcher der Orten theuer war/ darzu holen/ ja ich ſtellte es ſo an/ daß ſchier aller Koſten uͤber mich gieng. Wenn ich dann mit jemand bey ſolchen Ge- lachen in ein Geſpraͤch kam/ lobte ich jederman ohne mich ſelbſt nicht/ und wuſte mich ſo demuͤtig zu ſtel- len/ als ob ich die Hoffart nie gekant haͤtte. Weil ich dann nun hierdurch eines jeden Gunſt kriegte/ und jederman viel von mir hielte/ gedachte ich nicht/ daß mir etwas ungluͤcklichs widerfahren koͤnte/ vornem- lich weil mein Saͤckel noch zimlich geſpickt war. Jch gieng offt zum aͤlteſten Pfarꝛer derſelbigen auff-
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Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
lude mich darbey zu Gaſt/ und ließ etwan ein Trunck
Wein/ welcher der Orten theuer war/ darzu holen/
ja ich ſtellte es ſo an/ daß ſchier aller Koſten uͤber mich
gieng. Wenn ich dann mit jemand bey ſolchen Ge-
lachen in ein Geſpraͤch kam/ lobte ich jederman ohne
mich ſelbſt nicht/ und wuſte mich ſo demuͤtig zu ſtel-
len/ als ob ich die Hoffart nie gekant haͤtte. Weil ich
dann nun hierdurch eines jeden Gunſt kriegte/ und
jederman viel von mir hielte/ gedachte ich nicht/ daß
mir etwas ungluͤcklichs widerfahren koͤnte/ vornem-
lich weil mein Saͤckel noch zimlich geſpickt war.
Jch gieng offt zum aͤlteſten Pfarꝛer derſelbigen
Statt/ als der mir auß ſeiner Bibliothec viel Buͤcher
lehnete/ und wenn ich ihm eins wieder brachte/ ſo
diſcurirte er von allerhand Sachen mit mir/ dann wir
accommodirten uns ſo miteinander/ daß einer den
andern gern leiden mochte: Als nun nicht nur die
Martins-Gaͤns und Metzelſuppen hin und wieder/
ſondern auch die H. Weyhnacht-Feyertaͤge vorbey
waren/ verehrte ich ihm eine Flaſchen voll Straß-
burger Brandtewein zum Neuen Jahr/ welchen er/
der Weſtphaͤlinger Gebrauch nach/ mit Candel-Zu-
cker gern einlaͤpperte/ und kam darauff hin ihn zu be-
ſuchen/ als er eben in meinem Joſeph laſe/ welchen
ihm mein Wirth ohne mein Wiſſen geliehen hatte:
Jch entfaͤrbte mich/ daß einem ſolchen gelehrten
Mann meine Arbeit in die Haͤnde kommen ſolte/ ſon-
derlich weil man darvor haͤlt/ daß einer am beſten auß
ſeinen Schrifften erkennet werde; Er aber machte
mich zu ihm ſitzen/ und lobte zwar meine Invention,
ſchalte aber/ daß ich mich ſo lang in der Seliche (die
Potiphars Weib geweſen) Liebes-Haͤndeln haͤtte
auff-
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