German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Zweytes Buch. und zottelt mit meinem Studenten besagtem Dorffzu durch einen weiten Umbschweiff/ wiewol es nur ein halbe Stund von uns lag/ in demselben erkanten wir das nächste Hauß bey der Kirch vor deß Pfarrers Wohnung/ weil es auff Stättisch gebaut war/ und an einer Mauer stunde/ die umb den gantzen Pfarrhof gieng: Jch hatte meinen Cameraden schon instruirt/ was er reden solte/ dann er hatte sein abgeschaben Studenten-Kleidlein noch an/ ich aber gab mich vor einen Mahler-Gesellen auß/ dann ich gedachte/ ich würde dieselbe Kunst im Dorff nicht üben dörffen/ weil die Bauren nicht bald gemahlte Häuser haben. Der Geistliche Herr war höflich/ als ihm mein Ge- sell ein tieffe Lateinische Reverenz gemacht/ und ei- nen Hauffen daher gelogen hatte/ was gestalt ihn die Soldaten auff der Räis geplündert/ und aller seiner Zehrung beraubt hätten/ botte er ihm selbst ein Stück Butter und Brod/ neben einem Trunck Bier an/ ich aber stellte mich/ als ob ich nicht zu ihm gehörte/ und sagte/ ich wolte im Wirthshauß etwas essen/ und ihm alsdann ruffen/ damit wir noch denselben Tag ein stück Wegs hinder sich legen könten: Also gieng ich dem Wirthshauß zu/ mehr außzuspehen was ich dieselbe Nacht holen wolte/ als meinen Hunger zu stillen/ hatte auch das Glück/ daß ich unterwegs ei- nen Bauren antraff/ der seinen Bach-ofen zuklaibte/ welcher grosse Pumpernickel darinnen hatte/ die 24. Stund da sitzen und außbachen solten. Jch machts beym Wirth kurtz/ weil ich schon wuste wo Brod zu bekommen war/ kauffte etliche Stutten/ (das ist ein so genantes weiß Brod) solche meinem Hauptmann zu bringen/ und da ich in Pfarr-Hof kame/ meinen Came- L vij
Zweytes Buch. und zottelt mit meinem Studenten beſagtem Dorffzu durch einen weiten Umbſchweiff/ wiewol es nur ein halbe Stund von uns lag/ in demſelben erkanten wir das naͤchſte Hauß bey der Kirch vor deß Pfarꝛers Wohnung/ weil es auff Staͤttiſch gebaut war/ und an einer Mauer ſtunde/ die umb den gantzen Pfarꝛhof gieng: Jch hatte meinen Cameraden ſchon inſtruirt/ was er reden ſolte/ dann er hatte ſein abgeſchaben Studenten-Kleidlein noch an/ ich aber gab mich vor einen Mahler-Geſellen auß/ dann ich gedachte/ ich wuͤrde dieſelbe Kunſt im Dorff nicht uͤben doͤrffen/ weil die Bauren nicht bald gemahlte Haͤuſer haben. Der Geiſtliche Herꝛ war hoͤflich/ als ihm mein Ge- ſell ein tieffe Lateiniſche Reverenz gemacht/ und ei- nen Hauffen daher gelogen hatte/ was geſtalt ihn die Soldaten auff der Raͤis gepluͤndert/ und aller ſeiner Zehrung beraubt haͤtten/ botte er ihm ſelbſt ein Stuͤck Butter und Brod/ neben einem Trunck Bier an/ ich aber ſtellte mich/ als ob ich nicht zu ihm gehoͤrte/ und ſagte/ ich wolte im Wirthshauß etwas eſſen/ und ihm alsdann ruffen/ damit wir noch denſelben Tag ein ſtuͤck Wegs hinder ſich legen koͤnten: Alſo gieng ich dem Wirthshauß zu/ mehr außzuſpehen was ich dieſelbe Nacht holen wolte/ als meinen Hunger zu ſtillen/ hatte auch das Gluͤck/ daß ich unterwegs ei- nen Bauren antraff/ der ſeinen Bach-ofen zuklaibte/ welcher groſſe Pumpernickel darinnen hatte/ die 24. Stund da ſitzen und außbachen ſolten. Jch machts beym Wirth kurtz/ weil ich ſchon wuſte wo Brod zu bekommen war/ kauffte etliche Stutten/ (das iſt ein ſo genantes weiß Brod) ſolche meinem Hauptmann zu bringen/ und da ich in Pfarꝛ-Hof kame/ meinen Came- L vij
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Zweytes Buch.
und zottelt mit meinem Studenten beſagtem Dorff
zu durch einen weiten Umbſchweiff/ wiewol es nur
ein halbe Stund von uns lag/ in demſelben erkanten
wir das naͤchſte Hauß bey der Kirch vor deß Pfarꝛers
Wohnung/ weil es auff Staͤttiſch gebaut war/ und
an einer Mauer ſtunde/ die umb den gantzen Pfarꝛhof
gieng: Jch hatte meinen Cameraden ſchon inſtruirt/
was er reden ſolte/ dann er hatte ſein abgeſchaben
Studenten-Kleidlein noch an/ ich aber gab mich vor
einen Mahler-Geſellen auß/ dann ich gedachte/ ich
wuͤrde dieſelbe Kunſt im Dorff nicht uͤben doͤrffen/
weil die Bauren nicht bald gemahlte Haͤuſer haben.
Der Geiſtliche Herꝛ war hoͤflich/ als ihm mein Ge-
ſell ein tieffe Lateiniſche Reverenz gemacht/ und ei-
nen Hauffen daher gelogen hatte/ was geſtalt ihn die
Soldaten auff der Raͤis gepluͤndert/ und aller ſeiner
Zehrung beraubt haͤtten/ botte er ihm ſelbſt ein Stuͤck
Butter und Brod/ neben einem Trunck Bier an/ ich
aber ſtellte mich/ als ob ich nicht zu ihm gehoͤrte/ und
ſagte/ ich wolte im Wirthshauß etwas eſſen/ und
ihm alsdann ruffen/ damit wir noch denſelben Tag
ein ſtuͤck Wegs hinder ſich legen koͤnten: Alſo gieng
ich dem Wirthshauß zu/ mehr außzuſpehen was ich
dieſelbe Nacht holen wolte/ als meinen Hunger zu
ſtillen/ hatte auch das Gluͤck/ daß ich unterwegs ei-
nen Bauren antraff/ der ſeinen Bach-ofen zuklaibte/
welcher groſſe Pumpernickel darinnen hatte/ die 24.
Stund da ſitzen und außbachen ſolten. Jch machts
beym Wirth kurtz/ weil ich ſchon wuſte wo Brod zu
bekommen war/ kauffte etliche Stutten/ (das iſt ein
ſo genantes weiß Brod) ſolche meinem Hauptmann
zu bringen/ und da ich in Pfarꝛ-Hof kame/ meinen
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Zitationshilfe: | German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/257>, abgerufen am 23.07.2024. |