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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abenth. Simplicissimi
sation, und was das gröste gewesen/ überauß gotts-
förchtig/ wol belesen/ und voll allerhand Wissen-
schafften und Künsten/ bey ihm muste ich deß Nachts
in seiner Zelten schlaffen/ und bey Tag dorfft ich ihm
auch nicht auß den Augen/ er war eines vornehmen
Fürsten Rath und Beampter/ zumal auch sehr reich
gewesen/ weil er aber von den Schwedischen biß in
Grund ruinirt worden/ zumaln auch sein Weib mit
todt abgangen/ und sein einiger Sohn Armut halber
nicht mehr studiren konte/ sondern unter der Chur
Sächfischen Armee vor einen Musterschreiber die-
nete/ hielte er sich bey diesem Obristen auff/ und liesse
sich vor einen Stallmeister gebrauchen/ umb zu ver-
harren/ biß die gefährliche Kriegsläufften am Elb-
Strom sich änderten/ und ihme alsdann die Sonne
seines vorigen Glücks wieder scheinen möchte.

Das XX. Capitel.

WEil mein Hofmeister mehr alt als jung war/ al-
so konte er auch die gantze Nacht nicht durch-
gehend schlaffen/ solches war ein Ursach/ daß er mir
in der ersten Wochen hinder die Brieff kam/ und auß-
trücklich vernam/ daß ich kein solcher Narr war/
wie ich mich stellete: Wie er denn zuvor auch etwas
gemerckt/ und von mir auß meinem Angesicht ein
anders geurtheilet hatte/ weil er sich wol auff die Phi-
siognomiam
verstund. Jch erwachte einsmals umb
Mitternacht/ und machte über mein eygen Leben und
seltzame Begegnussen allerley Gedancken/ stunde auch
auff/ und erzehlte Dancksagungs-weis alle Guttha-
ten/ die mir mein lieber Gott erwiesen/ und alle Ge-
fahren/ auß welchen er mich errettet; legte mich her-

nach

Deß Abenth. Simpliciſſimi
ſation, und was das groͤſte geweſen/ uͤberauß gotts-
foͤrchtig/ wol beleſen/ und voll allerhand Wiſſen-
ſchafften und Kuͤnſten/ bey ihm muſte ich deß Nachts
in ſeiner Zelten ſchlaffen/ und bey Tag dorfft ich ihm
auch nicht auß den Augen/ er war eines vornehmen
Fuͤrſten Rath und Beampter/ zumal auch ſehr reich
geweſen/ weil er aber von den Schwediſchen biß in
Grund ruinirt worden/ zumaln auch ſein Weib mit
todt abgangen/ und ſein einiger Sohn Armut halber
nicht mehr ſtudiren konte/ ſondern unter der Chur
Saͤchfiſchen Armee vor einen Muſterſchreiber die-
nete/ hielte er ſich bey dieſem Obriſten auff/ und lieſſe
ſich vor einen Stallmeiſter gebrauchen/ umb zu ver-
harꝛen/ biß die gefaͤhrliche Kriegslaͤufften am Elb-
Strom ſich aͤnderten/ und ihme alsdann die Sonne
ſeines vorigen Gluͤcks wieder ſcheinen moͤchte.

Das XX. Capitel.

WEil mein Hofmeiſter mehr alt als jung war/ al-
ſo konte er auch die gantze Nacht nicht durch-
gehend ſchlaffen/ ſolches war ein Urſach/ daß er mir
in der erſten Wochen hinder die Brieff kam/ und auß-
truͤcklich vernam/ daß ich kein ſolcher Narꝛ war/
wie ich mich ſtellete: Wie er denn zuvor auch etwas
gemerckt/ und von mir auß meinem Angeſicht ein
anders geurtheilet hatte/ weil er ſich wol auff die Phi-
ſiognomiam
verſtund. Jch erwachte einsmals umb
Mitternacht/ und machte uͤber mein eygen Leben und
ſeltzame Begegnuſſen allerley Gedancken/ ſtunde auch
auff/ und erzehlte Danckſagungs-weis alle Guttha-
ten/ die mir mein lieber Gott erwieſen/ und alle Ge-
fahren/ auß welchen er mich erꝛettet; legte mich her-

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[196/0202] Deß Abenth. Simpliciſſimi ſation, und was das groͤſte geweſen/ uͤberauß gotts- foͤrchtig/ wol beleſen/ und voll allerhand Wiſſen- ſchafften und Kuͤnſten/ bey ihm muſte ich deß Nachts in ſeiner Zelten ſchlaffen/ und bey Tag dorfft ich ihm auch nicht auß den Augen/ er war eines vornehmen Fuͤrſten Rath und Beampter/ zumal auch ſehr reich geweſen/ weil er aber von den Schwediſchen biß in Grund ruinirt worden/ zumaln auch ſein Weib mit todt abgangen/ und ſein einiger Sohn Armut halber nicht mehr ſtudiren konte/ ſondern unter der Chur Saͤchfiſchen Armee vor einen Muſterſchreiber die- nete/ hielte er ſich bey dieſem Obriſten auff/ und lieſſe ſich vor einen Stallmeiſter gebrauchen/ umb zu ver- harꝛen/ biß die gefaͤhrliche Kriegslaͤufften am Elb- Strom ſich aͤnderten/ und ihme alsdann die Sonne ſeines vorigen Gluͤcks wieder ſcheinen moͤchte. Das XX. Capitel. WEil mein Hofmeiſter mehr alt als jung war/ al- ſo konte er auch die gantze Nacht nicht durch- gehend ſchlaffen/ ſolches war ein Urſach/ daß er mir in der erſten Wochen hinder die Brieff kam/ und auß- truͤcklich vernam/ daß ich kein ſolcher Narꝛ war/ wie ich mich ſtellete: Wie er denn zuvor auch etwas gemerckt/ und von mir auß meinem Angeſicht ein anders geurtheilet hatte/ weil er ſich wol auff die Phi- ſiognomiam verſtund. Jch erwachte einsmals umb Mitternacht/ und machte uͤber mein eygen Leben und ſeltzame Begegnuſſen allerley Gedancken/ ſtunde auch auff/ und erzehlte Danckſagungs-weis alle Guttha- ten/ die mir mein lieber Gott erwieſen/ und alle Ge- fahren/ auß welchen er mich erꝛettet; legte mich her- nach

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/202>, abgerufen am 27.11.2024.