German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Zweytes Buch. Freud solte doch ein solch Haupt haben können/ un-ter welches Pfleg/ Schutz und Schirm so viel Men- schen leben? Jsts nicht vonnöten/ daß du vor alle die Deinige wachest/ vor sie sorgest/ und eines jeden Klag uud Beschwerden anhörest? Wäre solches allein nicht müheseelig genug/ wenn du schon weder Feinde noch Mißgönner hättest? Jch sehe wol/ wie sauer du dirs must werden lassen/ und wie viel Beschwerden du doch erträgst; Liebster Herr/ was wird doch end- lich dein Lohn seyn/ sage mir/ was hast du darvon? Wann du es nicht weist/ so lasse dirs den Griecht- schen Demosthenem sagen/ welcher/ nachdem er den gemeinen Nutzen/ und das Recht der Athenienser/ dapffer und getreulich befördert und beschützt/ wider alles Recht und Billichkeit/ als einer so ein greuliche Missethat begangen/ deß Lands verwiesen/ und in das Elend verjaget ward; dem Socrati ward mit Gifft vergeben; dem Hannibal ward von den seinen so übel gelohnet/ daß er elendiglich in der Welt Land- flüchtig herum schwaiffen muste; also geschahe dem Römischen Camillo; und dergestalt bezahlten die Griechen den Lycurgum und Solonem, deren der eine gesteiniget ward/ dem andern aber/ nachdem ihm ein Aug außgestochen/ wurde als einem Mörder endlich das Land verwiesen. Darumb behalte dein Com- mando sampt dem Lohn/ den du darvon haben wirst/ du darffst deren keins mit mir theilen/ dann wann al- les wol mit dir abgehet/ so hastu auffs wenigste sonst nichts/ das du davon bringest/ als ein böß Gewissen; Wirstu aber dein Gewissen in acht nemmen wollen/ so wirstu als ein Untüchtiger bey Zeiten von deinem Commando verstossen werden/ nicht anders/ als wann
Zweytes Buch. Freud ſolte doch ein ſolch Haupt haben koͤnnen/ un-ter welches Pfleg/ Schutz und Schirm ſo viel Men- ſchen leben? Jſts nicht vonnoͤten/ daß du vor alle die Deinige wacheſt/ vor ſie ſorgeſt/ und eines jeden Klag uud Beſchwerden anhoͤreſt? Waͤre ſolches allein nicht muͤheſeelig genug/ wenn du ſchon weder Feinde noch Mißgoͤnner haͤtteſt? Jch ſehe wol/ wie ſauer du dirs muſt werden laſſen/ und wie viel Beſchwerden du doch ertraͤgſt; Liebſter Herꝛ/ was wird doch end- lich dein Lohn ſeyn/ ſage mir/ was haſt du darvon? Wann du es nicht weiſt/ ſo laſſe dirs den Griecht- ſchen Demoſthenem ſagen/ welcher/ nachdem er den gemeinen Nutzen/ und das Recht der Athenienſer/ dapffer und getreulich befoͤrdert und beſchuͤtzt/ wider alles Recht und Billichkeit/ als einer ſo ein greuliche Miſſethat begangen/ deß Lands verwieſen/ und in das Elend verjaget ward; dem Socrati ward mit Gifft vergeben; dem Hannibal ward von den ſeinen ſo uͤbel gelohnet/ daß er elendiglich in der Welt Land- fluͤchtig herum ſchwaiffen muſte; alſo geſchahe dem Roͤmiſchen Camillo; und dergeſtalt bezahlten die Griechen den Lycurgum und Solonem, deren der eine geſteiniget ward/ dem andern aber/ nachdem ihm ein Aug außgeſtochen/ wurde als einem Moͤrder endlich das Land verwieſen. Darumb behalte dein Com- mando ſampt dem Lohn/ den du darvon haben wirſt/ du darffſt deren keins mit mir theilen/ dann wann al- les wol mit dir abgehet/ ſo haſtu auffs wenigſte ſonſt nichts/ das du davon bringeſt/ als ein boͤß Gewiſſen; Wirſtu aber dein Gewiſſen in acht nemmen wollen/ ſo wirſtu als ein Untuͤchtiger bey Zeiten von deinem Commando verſtoſſen werden/ nicht anders/ als wann
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Zweytes Buch.
Freud ſolte doch ein ſolch Haupt haben koͤnnen/ un-
ter welches Pfleg/ Schutz und Schirm ſo viel Men-
ſchen leben? Jſts nicht vonnoͤten/ daß du vor alle die
Deinige wacheſt/ vor ſie ſorgeſt/ und eines jeden Klag
uud Beſchwerden anhoͤreſt? Waͤre ſolches allein
nicht muͤheſeelig genug/ wenn du ſchon weder Feinde
noch Mißgoͤnner haͤtteſt? Jch ſehe wol/ wie ſauer du
dirs muſt werden laſſen/ und wie viel Beſchwerden
du doch ertraͤgſt; Liebſter Herꝛ/ was wird doch end-
lich dein Lohn ſeyn/ ſage mir/ was haſt du darvon?
Wann du es nicht weiſt/ ſo laſſe dirs den Griecht-
ſchen Demoſthenem ſagen/ welcher/ nachdem er den
gemeinen Nutzen/ und das Recht der Athenienſer/
dapffer und getreulich befoͤrdert und beſchuͤtzt/ wider
alles Recht und Billichkeit/ als einer ſo ein greuliche
Miſſethat begangen/ deß Lands verwieſen/ und in
das Elend verjaget ward; dem Socrati ward mit
Gifft vergeben; dem Hannibal ward von den ſeinen
ſo uͤbel gelohnet/ daß er elendiglich in der Welt Land-
fluͤchtig herum ſchwaiffen muſte; alſo geſchahe dem
Roͤmiſchen Camillo; und dergeſtalt bezahlten die
Griechen den Lycurgum und Solonem, deren der eine
geſteiniget ward/ dem andern aber/ nachdem ihm ein
Aug außgeſtochen/ wurde als einem Moͤrder endlich
das Land verwieſen. Darumb behalte dein Com-
mando ſampt dem Lohn/ den du darvon haben wirſt/
du darffſt deren keins mit mir theilen/ dann wann al-
les wol mit dir abgehet/ ſo haſtu auffs wenigſte ſonſt
nichts/ das du davon bringeſt/ als ein boͤß Gewiſſen;
Wirſtu aber dein Gewiſſen in acht nemmen wollen/
ſo wirſtu als ein Untuͤchtiger bey Zeiten von deinem
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Zitationshilfe: | German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/171>, abgerufen am 17.02.2025. |