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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Zweytes Buch.
Titul; Jch antwortet/ Herr/ wann ich schon in die-
ser Stund andeine Ehrenstell tretten solte/ so wolte
ich sie doch nicht annehmen! Mein Herr lachte/ und
sagte: Das glaube ich/ dann dem Ochsen gehöret
Haberstroh; wann du aber einen hohen Sinn hät-
test/ wie Adeliche Gemüter haben sollen/ so würdest
du mit Fleiß nach hohen Ehren und Dignitäten trach-
ten/ Jch meines theils/ achte es für kein geringes/
wenn mich das Glück über andere erhebt. Jch seuff-
tzete und sagte: Ach/ arbeitseelige Glückseeligkeit!
Herr/ ich versichere dich/ daß du der aller-elendeste
Mensch in gantz Hanau bist: Wie so? wie so? Kalb/
sagte mein Herr/ sag mir doch die Ursach/ dann ich
befinde solches bey mir nicht: Jch antwortet/ wenn
du nicht weist und empfindest/ daß du Gubernator in
Hanau/ und mit wie viel Sorgen und Unruhe du deß-
wegen beladen bist/ so verblendet dich die allzugrosse
Begierd der Ehr/ deren du geniessest/ oder du bist ei-
sern und gantz unempfindlich/ du hast zwar zu beseh-
len/ und wer dir unter Augen kompt/ muß dir gehor-
famen; thun sie es aber umbsonst? bist du nicht ihrer
aller Knecht? must du nicht vor einen jedwedern in-
sonderheit sorgen? Schaue/ du bist jetzt rund umb-
der mit Feinden umbgeben/ und die Conservation
dieser Vestung ligt dir allein auff dem Hals/ du must
trachten/ wie du deinem Gegentheil einen Abbruch
thun mögest/ und must darneben sorgen/ daß deine
Anschläg nicht verkundschafftet werden; Bedörffte
es nicht öffters/ daß du selber/ wie ein gemeiner
Knecht/ Schildwach stündest? Uber das mustu be-
dacht seyn/ daß kein Mangel an Geld/ Munition/
Proviant und Volck im Posten erscheine/ deßwegen

du

Zweytes Buch.
Titul; Jch antwortet/ Herꝛ/ wann ich ſchon in die-
ſer Stund andeine Ehrenſtell tretten ſolte/ ſo wolte
ich ſie doch nicht annehmen! Mein Herꝛ lachte/ und
ſagte: Das glaube ich/ dann dem Ochſen gehoͤret
Haberſtroh; wann du aber einen hohen Sinn haͤt-
teſt/ wie Adeliche Gemuͤter haben ſollen/ ſo wuͤrdeſt
du mit Fleiß nach hohen Ehren und Dignitaͤten trach-
ten/ Jch meines theils/ achte es fuͤr kein geringes/
wenn mich das Gluͤck uͤber andere erhebt. Jch ſeuff-
tzete und ſagte: Ach/ arbeitſeelige Gluͤckſeeligkeit!
Herꝛ/ ich verſichere dich/ daß du der aller-elendeſte
Menſch in gantz Hanau biſt: Wie ſo? wie ſo? Kalb/
ſagte mein Herꝛ/ ſag mir doch die Urſach/ dann ich
befinde ſolches bey mir nicht: Jch antwortet/ wenn
du nicht weiſt und empfindeſt/ daß du Gubernator in
Hanau/ und mit wie viel Soꝛgen und Unruhe du deß-
wegen beladen biſt/ ſo verblendet dich die allzugroſſe
Begierd der Ehr/ deren du genieſſeſt/ oder du biſt ei-
ſern und gantz unempfindlich/ du haſt zwar zu beſeh-
len/ und wer dir unter Augen kompt/ muß dir gehor-
famen; thun ſie es aber umbſonſt? biſt du nicht ihrer
aller Knecht? muſt du nicht vor einen jedwedern in-
ſonderheit ſorgen? Schaue/ du biſt jetzt rund umb-
der mit Feinden umbgeben/ und die Conſervation
dieſer Veſtung ligt dir allein auff dem Hals/ du muſt
trachten/ wie du deinem Gegentheil einen Abbruch
thun moͤgeſt/ und muſt darneben ſorgen/ daß deine
Anſchlaͤg nicht verkundſchafftet werden; Bedoͤrffte
es nicht oͤffters/ daß du ſelber/ wie ein gemeiner
Knecht/ Schildwach ſtuͤndeſt? Uber das muſtu be-
dacht ſeyn/ daß kein Mangel an Geld/ Munition/
Proviant und Volck im Poſten erſcheine/ deßwegen

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[161/0167] Zweytes Buch. Titul; Jch antwortet/ Herꝛ/ wann ich ſchon in die- ſer Stund andeine Ehrenſtell tretten ſolte/ ſo wolte ich ſie doch nicht annehmen! Mein Herꝛ lachte/ und ſagte: Das glaube ich/ dann dem Ochſen gehoͤret Haberſtroh; wann du aber einen hohen Sinn haͤt- teſt/ wie Adeliche Gemuͤter haben ſollen/ ſo wuͤrdeſt du mit Fleiß nach hohen Ehren und Dignitaͤten trach- ten/ Jch meines theils/ achte es fuͤr kein geringes/ wenn mich das Gluͤck uͤber andere erhebt. Jch ſeuff- tzete und ſagte: Ach/ arbeitſeelige Gluͤckſeeligkeit! Herꝛ/ ich verſichere dich/ daß du der aller-elendeſte Menſch in gantz Hanau biſt: Wie ſo? wie ſo? Kalb/ ſagte mein Herꝛ/ ſag mir doch die Urſach/ dann ich befinde ſolches bey mir nicht: Jch antwortet/ wenn du nicht weiſt und empfindeſt/ daß du Gubernator in Hanau/ und mit wie viel Soꝛgen und Unruhe du deß- wegen beladen biſt/ ſo verblendet dich die allzugroſſe Begierd der Ehr/ deren du genieſſeſt/ oder du biſt ei- ſern und gantz unempfindlich/ du haſt zwar zu beſeh- len/ und wer dir unter Augen kompt/ muß dir gehor- famen; thun ſie es aber umbſonſt? biſt du nicht ihrer aller Knecht? muſt du nicht vor einen jedwedern in- ſonderheit ſorgen? Schaue/ du biſt jetzt rund umb- der mit Feinden umbgeben/ und die Conſervation dieſer Veſtung ligt dir allein auff dem Hals/ du muſt trachten/ wie du deinem Gegentheil einen Abbruch thun moͤgeſt/ und muſt darneben ſorgen/ daß deine Anſchlaͤg nicht verkundſchafftet werden; Bedoͤrffte es nicht oͤffters/ daß du ſelber/ wie ein gemeiner Knecht/ Schildwach ſtuͤndeſt? Uber das muſtu be- dacht ſeyn/ daß kein Mangel an Geld/ Munition/ Proviant und Volck im Poſten erſcheine/ deßwegen du

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/167>, abgerufen am 27.11.2024.