Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch.
mich derowegen den Bettel in die Küche tragen/ mit
Befelch/ die Mägd soltens auffheben/ und ein Pfef-
fer drüber machen/ welches ich ernstlich außrichtet/
und deßwegen von den Schläpp-säcken mächtig
agirt worden.

Das XXXIV. Capitel.

MEin Herr gieng eben auß/ als ich meines Lavors
loß worden/ ich trat ihm nach gegen einem
grossen Hauß zu/ allwo ich im Saal Männer/ Wei-
ber und ledige Personen/ so schnell untereinander
herumb haspeln sahe/ daß es frey wimmelte; die hatten
ein solch Getreppel und Gejöhl/ daß ich vermeynte/
sie wären alle rasend worden/ dann ich konte nicht
ersinnen/ was sie doch mit diesem Wüten und Toben
vorhaben möchten? ja ihr Anblick kam mir so grau-
sam/ förchterlich und schröcklich vor/ daß mir alle
Berg gen Haar stunden/ und konte nichts anders
glauben/ als sie müsten aller ihrer Vernunfft beraubt
seyn: Da wir näher hinzu kamen/ sahe ich/ daß es
unsere Gäst waren/ welche den Vormittag noch wi-
tzig gewesen; mein GOtt! gedacht ich/ was haben
doch diese arme Leut vor? Ach/ es hat sie gewißlich
eine Unsinnigkeit überfallen. Bald fiele mir ein/ es
möchten vielleicht höllische Geister seyn/ welche in
dieser angenommenen Weis dem gantzen menschli-
chen Geschlecht/ durch solch leichtfertig Geläuff und
Affenspiel spotteten/ dann ich gedachte/ hätten sie
menschliche Seelen und Gottes Ebenbild in sich/ so
thäten sie auch wol nicht so unmenschlich. Als mein
Herr in Hauß-ehren kam/ und zum Saal eingehen

wolte

Erſtes Buch.
mich derowegen den Bettel in die Kuͤche tragen/ mit
Befelch/ die Maͤgd ſoltens auffheben/ und ein Pfef-
fer druͤber machen/ welches ich ernſtlich außrichtet/
und deßwegen von den Schlaͤpp-ſaͤcken maͤchtig
agirt worden.

Das XXXIV. Capitel.

MEin Herꝛ gieng eben auß/ als ich meines Lavors
loß worden/ ich trat ihm nach gegen einem
groſſen Hauß zu/ allwo ich im Saal Maͤnner/ Wei-
ber und ledige Perſonen/ ſo ſchnell untereinander
herumb haſpeln ſahe/ daß es frey wim̃elte; die hatten
ein ſolch Getreppel und Gejoͤhl/ daß ich vermeynte/
ſie waͤren alle raſend worden/ dann ich konte nicht
erſinnen/ was ſie doch mit dieſem Wuͤten und Toben
vorhaben moͤchten? ja ihr Anblick kam mir ſo grau-
ſam/ foͤrchterlich und ſchroͤcklich vor/ daß mir alle
Berg gen Haar ſtunden/ und konte nichts anders
glauben/ als ſie muͤſten aller ihrer Vernunfft beraubt
ſeyn: Da wir naͤher hinzu kamen/ ſahe ich/ daß es
unſere Gaͤſt waren/ welche den Vormittag noch wi-
tzig geweſen; mein GOtt! gedacht ich/ was haben
doch dieſe arme Leut vor? Ach/ es hat ſie gewißlich
eine Unſinnigkeit uͤberfallen. Bald fiele mir ein/ es
moͤchten vielleicht hoͤlliſche Geiſter ſeyn/ welche in
dieſer angenommenen Weis dem gantzen menſchli-
chen Geſchlecht/ durch ſolch leichtfertig Gelaͤuff und
Affenſpiel ſpotteten/ dann ich gedachte/ haͤtten ſie
menſchliche Seelen und Gottes Ebenbild in ſich/ ſo
thaͤten ſie auch wol nicht ſo unmenſchlich. Als mein
Herꝛ in Hauß-ehren kam/ und zum Saal eingehen

wolte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0121" n="115"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch.</hi></fw><lb/>
mich derowegen den Bettel in die Ku&#x0364;che tragen/ mit<lb/>
Befelch/ die Ma&#x0364;gd &#x017F;oltens auffheben/ und ein Pfef-<lb/>
fer dru&#x0364;ber machen/ welches ich ern&#x017F;tlich außrichtet/<lb/>
und deßwegen von den Schla&#x0364;pp-&#x017F;a&#x0364;cken ma&#x0364;chtig<lb/><hi rendition="#aq">agi</hi>rt worden.</p>
      </div><lb/>
      <div n="2">
        <head> <hi rendition="#fr">Das</hi> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">XXXIV.</hi> </hi> <hi rendition="#fr">Capitel.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">M</hi>Ein Her&#xA75B; gieng eben auß/ als ich meines Lavors<lb/>
loß worden/ ich trat ihm nach gegen einem<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Hauß zu/ allwo ich im Saal Ma&#x0364;nner/ Wei-<lb/>
ber und ledige Per&#x017F;onen/ &#x017F;o &#x017F;chnell untereinander<lb/>
herumb ha&#x017F;peln &#x017F;ahe/ daß es frey wim&#x0303;elte; die hatten<lb/>
ein &#x017F;olch Getreppel und Gejo&#x0364;hl/ daß ich vermeynte/<lb/>
&#x017F;ie wa&#x0364;ren alle ra&#x017F;end worden/ dann ich konte nicht<lb/>
er&#x017F;innen/ was &#x017F;ie doch mit die&#x017F;em Wu&#x0364;ten und Toben<lb/>
vorhaben mo&#x0364;chten? ja ihr Anblick kam mir &#x017F;o grau-<lb/>
&#x017F;am/ fo&#x0364;rchterlich und &#x017F;chro&#x0364;cklich vor/ daß mir alle<lb/>
Berg gen Haar &#x017F;tunden/ und konte nichts anders<lb/>
glauben/ als &#x017F;ie mu&#x0364;&#x017F;ten aller ihrer Vernunfft beraubt<lb/>
&#x017F;eyn: Da wir na&#x0364;her hinzu kamen/ &#x017F;ahe ich/ daß es<lb/>
un&#x017F;ere Ga&#x0364;&#x017F;t waren/ welche den Vormittag noch wi-<lb/>
tzig gewe&#x017F;en; mein GOtt! gedacht ich/ was haben<lb/>
doch die&#x017F;e arme Leut vor? Ach/ es hat &#x017F;ie gewißlich<lb/>
eine Un&#x017F;innigkeit u&#x0364;berfallen. Bald fiele mir ein/ es<lb/>
mo&#x0364;chten vielleicht ho&#x0364;lli&#x017F;che Gei&#x017F;ter &#x017F;eyn/ welche in<lb/>
die&#x017F;er angenommenen Weis dem gantzen men&#x017F;chli-<lb/>
chen Ge&#x017F;chlecht/ durch &#x017F;olch leichtfertig Gela&#x0364;uff und<lb/>
Affen&#x017F;piel &#x017F;potteten/ dann ich gedachte/ ha&#x0364;tten &#x017F;ie<lb/>
men&#x017F;chliche Seelen und Gottes Ebenbild in &#x017F;ich/ &#x017F;o<lb/>
tha&#x0364;ten &#x017F;ie auch wol nicht &#x017F;o unmen&#x017F;chlich. Als mein<lb/>
Her&#xA75B; in Hauß-ehren kam/ und zum Saal eingehen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wolte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0121] Erſtes Buch. mich derowegen den Bettel in die Kuͤche tragen/ mit Befelch/ die Maͤgd ſoltens auffheben/ und ein Pfef- fer druͤber machen/ welches ich ernſtlich außrichtet/ und deßwegen von den Schlaͤpp-ſaͤcken maͤchtig agirt worden. Das XXXIV. Capitel. MEin Herꝛ gieng eben auß/ als ich meines Lavors loß worden/ ich trat ihm nach gegen einem groſſen Hauß zu/ allwo ich im Saal Maͤnner/ Wei- ber und ledige Perſonen/ ſo ſchnell untereinander herumb haſpeln ſahe/ daß es frey wim̃elte; die hatten ein ſolch Getreppel und Gejoͤhl/ daß ich vermeynte/ ſie waͤren alle raſend worden/ dann ich konte nicht erſinnen/ was ſie doch mit dieſem Wuͤten und Toben vorhaben moͤchten? ja ihr Anblick kam mir ſo grau- ſam/ foͤrchterlich und ſchroͤcklich vor/ daß mir alle Berg gen Haar ſtunden/ und konte nichts anders glauben/ als ſie muͤſten aller ihrer Vernunfft beraubt ſeyn: Da wir naͤher hinzu kamen/ ſahe ich/ daß es unſere Gaͤſt waren/ welche den Vormittag noch wi- tzig geweſen; mein GOtt! gedacht ich/ was haben doch dieſe arme Leut vor? Ach/ es hat ſie gewißlich eine Unſinnigkeit uͤberfallen. Bald fiele mir ein/ es moͤchten vielleicht hoͤlliſche Geiſter ſeyn/ welche in dieſer angenommenen Weis dem gantzen menſchli- chen Geſchlecht/ durch ſolch leichtfertig Gelaͤuff und Affenſpiel ſpotteten/ dann ich gedachte/ haͤtten ſie menſchliche Seelen und Gottes Ebenbild in ſich/ ſo thaͤten ſie auch wol nicht ſo unmenſchlich. Als mein Herꝛ in Hauß-ehren kam/ und zum Saal eingehen wolte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/121
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/121>, abgerufen am 22.12.2024.