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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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ten bey weiten nicht so wol gieng als auff dem Land/
schätzte ich mir vor auch in keine Stadt mehr zu
kommen/ wann es anders müglich seyn köndte solche
umbzugehen; also behalff ich mich auff dem Land mit
Milch/ Käß/ Ziger/ Butter und etwan ein wenig
Brod/ das mir der Landtmann mittheilete/ biß ich
bey nahe die Savoysche Cräntzen überschritten hat-
te; einsmals wandelt ich in selbiger Gegent im
Koth daher biß über die Knöchel/ gegen einem adeli-
chen Sitz/ als es eben regnete/ als wann mans mit
Kübeln herunter gegossen hätte; da ich mich nun
demselben adelichen Hause näherte/ sahe mich zu
allem Glück der Schloß-Herr selbsten/ dieser ver-
wundert sich nicht allein über meinen seltzsamen
Auffzug/ sonder auch über meine Gedult; und weil
ich in solchem starcken Regenwetter nicht einmal
unterzustehen begehrte/ ohnangesehen ich daselbst
Gelegenheit genug darzur hatte/ hielte er mich bey
nahe vor einen puren Narren; doch schickte er einen
von seinen Dienern zu mir herunter/ nicht weiß ich
ob es auß Mitleyden oder Fürwitz geschahe/ der
sagte/ sein Herr begere zu wissen wer ich seye/ und
was es zubedeuten habe/ daß ich so in dem grausa-
men Regenwetter umb sein Hauß daherumb gehe.

Jch antwortet/ mein Freundt/ sagt eurem Herrn
widerumb/ ich seye ein Ball deß wandelbaren
Glücks; ein Exemplar der Veränderung/ und ein
Spiegel der Unbeständigkeit deß Menschlichen
Wesens; daß ich aber so im Ungewitter wandele/ be-
deute nichts anders/ als daß mich seyt es zu regnen
angefangen/ noch niemand zur Herberg eingenom-
men; als der Diener solches seinem Herrn wieder
hinderbrachte/ sagte er/ diß seynd keine Wort eines

Narren/

ten bey weiten nicht ſo wol gieng als auff dem Land/
ſchaͤtzte ich mir vor auch in keine Stadt mehr zu
kommen/ wann es anders muͤglich ſeyn koͤndte ſolche
umbzugehen; alſo behalff ich mich auff dem Land mit
Milch/ Kaͤß/ Ziger/ Butter und etwan ein wenig
Brod/ das mir der Landtmann mittheilete/ biß ich
bey nahe die Savoyſche Craͤntzen uͤberſchritten hat-
te; einsmals wandelt ich in ſelbiger Gegent im
Koth daher biß uͤber die Knoͤchel/ gegen einem adeli-
chen Sitz/ als es eben regnete/ als wann mans mit
Kuͤbeln herunter gegoſſen haͤtte; da ich mich nun
demſelben adelichen Hauſe naͤherte/ ſahe mich zu
allem Gluͤck der Schloß-Herꝛ ſelbſten/ dieſer ver-
wundert ſich nicht allein uͤber meinen ſeltzſamen
Auffzug/ ſonder auch uͤber meine Gedult; und weil
ich in ſolchem ſtarcken Regenwetter nicht einmal
unterzuſtehen begehrte/ ohnangeſehen ich daſelbſt
Gelegenheit genug darzur hatte/ hielte er mich bey
nahe vor einen puren Narꝛen; doch ſchickte er einen
von ſeinen Dienern zu mir herunter/ nicht weiß ich
ob es auß Mitleyden oder Fuͤrwitz geſchahe/ der
ſagte/ ſein Herꝛ begere zu wiſſen wer ich ſeye/ und
was es zubedeuten habe/ daß ich ſo in dem grauſa-
men Regenwetter umb ſein Hauß daherumb gehe.

Jch antwortet/ mein Freundt/ ſagt eurem Herꝛn
widerumb/ ich ſeye ein Ball deß wandelbaren
Gluͤcks; ein Exemplar der Veraͤnderung/ und ein
Spiegel der Unbeſtaͤndigkeit deß Menſchlichen
Weſens; daß ich aber ſo im Ungewitter wandele/ be-
deute nichts anders/ als daß mich ſeyt es zu regnen
angefangen/ noch niemand zur Herberg eingenom-
men; als der Diener ſolches ſeinem Herꝛn wieder
hinderbrachte/ ſagte er/ diß ſeynd keine Wort eines

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[0094] ten bey weiten nicht ſo wol gieng als auff dem Land/ ſchaͤtzte ich mir vor auch in keine Stadt mehr zu kommen/ wann es anders muͤglich ſeyn koͤndte ſolche umbzugehen; alſo behalff ich mich auff dem Land mit Milch/ Kaͤß/ Ziger/ Butter und etwan ein wenig Brod/ das mir der Landtmann mittheilete/ biß ich bey nahe die Savoyſche Craͤntzen uͤberſchritten hat- te; einsmals wandelt ich in ſelbiger Gegent im Koth daher biß uͤber die Knoͤchel/ gegen einem adeli- chen Sitz/ als es eben regnete/ als wann mans mit Kuͤbeln herunter gegoſſen haͤtte; da ich mich nun demſelben adelichen Hauſe naͤherte/ ſahe mich zu allem Gluͤck der Schloß-Herꝛ ſelbſten/ dieſer ver- wundert ſich nicht allein uͤber meinen ſeltzſamen Auffzug/ ſonder auch uͤber meine Gedult; und weil ich in ſolchem ſtarcken Regenwetter nicht einmal unterzuſtehen begehrte/ ohnangeſehen ich daſelbſt Gelegenheit genug darzur hatte/ hielte er mich bey nahe vor einen puren Narꝛen; doch ſchickte er einen von ſeinen Dienern zu mir herunter/ nicht weiß ich ob es auß Mitleyden oder Fuͤrwitz geſchahe/ der ſagte/ ſein Herꝛ begere zu wiſſen wer ich ſeye/ und was es zubedeuten habe/ daß ich ſo in dem grauſa- men Regenwetter umb ſein Hauß daherumb gehe. Jch antwortet/ mein Freundt/ ſagt eurem Herꝛn widerumb/ ich ſeye ein Ball deß wandelbaren Gluͤcks; ein Exemplar der Veraͤnderung/ und ein Spiegel der Unbeſtaͤndigkeit deß Menſchlichen Weſens; daß ich aber ſo im Ungewitter wandele/ be- deute nichts anders/ als daß mich ſeyt es zu regnen angefangen/ noch niemand zur Herberg eingenom- men; als der Diener ſolches ſeinem Herꝛn wieder hinderbrachte/ ſagte er/ diß ſeynd keine Wort eines Narꝛen/

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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/94>, abgerufen am 24.11.2024.