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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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trösteten uns hinwiderumb/ etlicher ehrbaren alten
Bauren Reden/ wann sie sagten/ Sehet! was vor
ein schöner treflicher Hanff ist das? aber leyder! wir
wurden bald hernach gewahr/ daß wir von den
Menschen beydes wegen ihres Geitzes und ihrer
armseligen Bedörfftigkeit/ nit da gelassen würden/
unser Geschlecht ferners zu propagiren; Allermas-
sen als wir bald Samen zubringen vermeinten/ wir
von vnderschiedlichen starcken Gesellen gantz un-
barmhertziger weiß auß dem Erdreich gezogen: und
als gefangene Vbelthäter in grosse Gebund zusam-
men gekuppelt worden/ vor welche Arbeit sie dann
ihren Lohn: und also den dritten Gewinn empfin-
gen so die Menschen von vns einzuziehen pflegen.

Damit wars aber noch lang nit genug/ sonder
unser Leyden und der Menschen Tiranney fieng er-
erst an; auß uns/ einem nahmhafften Gewächs! ein
pures Menschen-Gedicht (wie etliche das liebe Bier
nennen) zuverkünstlen; dann man schleppte uns
in eine tieffe Gruben/ packte uns übereinander und
beschwerte uns dermassen mit Stainen/ gleichsamb
als wann wir in einer Preß gestocken wären und
hiervon kam der vierdte Gewinn den jenigen zu/ die
solche Arbeit verrichteten; folgends liesse man die
Gruben voll Wasser lauffen/ also daß wir überal
überschwembt würden/ gleichsamb als ob man uns
ererst hette erträncken wollen/ unangesehen allbereit
schwache Kräfften mehr bey uns waren; in solcher
Paisse liesse man uns sitzen biß die Zierde unserer oh-
ne das bereits verwelckten Blätter folgends ver-
faulte/ und wir selbst beynahe erstickten und verdur-
ben; alßdann liesse man ererst das Wasser wider
ablauffen/ trug uns auß/ und setzte uns auff einen

grünen

troͤſteten uns hinwiderumb/ etlicher ehrbaren alten
Bauren Reden/ wann ſie ſagten/ Sehet! was vor
ein ſchoͤner treflicher Hanff iſt das? aber leyder! wir
wurden bald hernach gewahr/ daß wir von den
Menſchen beydes wegen ihres Geitzes und ihrer
armſeligen Bedoͤrfftigkeit/ nit da gelaſſen wuͤrden/
unſer Geſchlecht ferners zu propagiren; Allermaſ-
ſen als wir bald Samen zubringen vermeinten/ wir
von vnderſchiedlichen ſtarcken Geſellen gantz un-
barmhertziger weiß auß dem Erdreich gezogen: und
als gefangene Vbelthaͤter in groſſe Gebund zuſam-
men gekuppelt worden/ vor welche Arbeit ſie dann
ihren Lohn: und alſo den dritten Gewinn empfin-
gen ſo die Menſchen von vns einzuziehen pflegen.

Damit wars aber noch lang nit genug/ ſonder
unſer Leyden und der Menſchen Tiranney fieng er-
erſt an; auß uns/ einem nahmhafften Gewaͤchs! ein
pures Menſchen-Gedicht (wie etliche das liebe Bier
nennen) zuverkuͤnſtlen; dann man ſchleppte uns
in eine tieffe Gruben/ packte uns uͤbereinander und
beſchwerte uns dermaſſen mit Stainen/ gleichſamb
als wann wir in einer Preß geſtocken waͤren und
hiervon kam der vierdte Gewinn den jenigen zu/ die
ſolche Arbeit verrichteten; folgends lieſſe man die
Gruben voll Waſſer lauffen/ alſo daß wir uͤberal
uͤberſchwembt wuͤrden/ gleichſamb als ob man uns
ererſt hette ertraͤncken wollen/ unangeſehen allbereit
ſchwache Kraͤfften mehr bey uns waren; in ſolcher
Paiſſe lieſſe man uns ſitzen biß die Zierde unſerer oh-
ne das bereits verwelckten Blaͤtter folgends ver-
faulte/ und wir ſelbſt beynahe erſtickten und verdur-
ben; alßdann lieſſe man ererſt das Waſſer wider
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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/68>, abgerufen am 24.11.2024.