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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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ihm/ und daß er meine Weg-Kunfft gern sehe/ weil
der gemeine Mann wegen eines so ohngewöhnlichen
strengen und exemplarischen Lebens mehr von mir
hielte/ als von etlichen Geistlichen in der Nachbar-
schafft/ ohnangesehen ich ein schlimmer liederlicher
Kundt war/ wann man mich gegen den rechten wah-
ren Geistlichen und Dienern GOttes hätte abschä-
tzen sollen:

Damals war ich zwar noch nicht so gar gott-
loß wie ich hernach wurde/ sonder hätte mich noch
wol vor einen solchen vergangen/ der eine gute Mei-
nung und Vorsatz; so bald ich aber mit andern al-
ten Landstörtzern bekandt wurde/ und mit denselben
vielfaltig umbgienge und conversirte, wurde ich je
länger je ärger; also daß ich zuletzt gar wol vor ei-
nen Vorsteher/ Zunfftmeister und Praeceptor der je-
nigen Gesellschafft hätte passiren mögen/ die auß der
Landfahrerey zu keinem andern endt eine profession
machen/ als ihre Nahrung damit zugewinnen;
hierzu war mein Habit und Leibs-Gestalt fast be-
quem und befürderlich/ sonderlich die Leut zur Frey-
gebigkeit zubewegen; wann ich dann in einen Fle-
cken kam/ oder in ein Statt gelassen wurde/ vor-
nemblich an den Sonn: und Feyertägen/ so krieg-
te ich gleich von Jungen und Alten einen grössern
Umbstand als der beste Marckschreyer/ der ein par
Narren/ Affen und Meerkatzen mit sich führet;
alsdann hielten mich theils wegen meines langen
Haars und wilten Barts vor einen alten Prophe-
ten/ weil ich/ es war gleich Wetter wie es wolte/
barhäubtig gieng/ andere vor sonst einen seltzamen
Wundermann/ die allermeiste aber vor den ewigen
Juden/ der biß an den jüngsten Tag in der Welt

herumb

ihm/ und daß er meine Weg-Kunfft gern ſehe/ weil
der gemeine Mann wegen eines ſo ohngewoͤhnlichen
ſtrengen und exemplariſchen Lebens mehr von mir
hielte/ als von etlichen Geiſtlichen in der Nachbar-
ſchafft/ ohnangeſehen ich ein ſchlimmer liederlicher
Kundt war/ wann man mich gegen den rechten wah-
ren Geiſtlichen und Dienern GOttes haͤtte abſchaͤ-
tzen ſollen:

Damals war ich zwar noch nicht ſo gar gott-
loß wie ich hernach wurde/ ſonder haͤtte mich noch
wol vor einen ſolchen vergangen/ der eine gute Mei-
nung und Vorſatz; ſo bald ich aber mit andern al-
ten Landſtoͤrtzern bekandt wurde/ und mit denſelben
vielfaltig umbgienge und converſirte, wurde ich je
laͤnger je aͤrger; alſo daß ich zuletzt gar wol vor ei-
nen Vorſteher/ Zunfftmeiſter und Præceptor der je-
nigen Geſellſchafft haͤtte paſſiren moͤgen/ die auß der
Landfahrerey zu keinem andern endt eine profeſſion
machen/ als ihre Nahrung damit zugewinnen;
hierzu war mein Habit und Leibs-Geſtalt faſt be-
quem und befuͤrderlich/ ſonderlich die Leut zur Frey-
gebigkeit zubewegen; wann ich dann in einen Fle-
cken kam/ oder in ein Statt gelaſſen wurde/ vor-
nemblich an den Sonn: und Feyertaͤgen/ ſo krieg-
te ich gleich von Jungen und Alten einen groͤſſern
Umbſtand als der beſte Marckſchreyer/ der ein par
Narꝛen/ Affen und Meerkatzen mit ſich fuͤhret;
alsdann hielten mich theils wegen meines langen
Haars und wilten Barts vor einen alten Prophe-
ten/ weil ich/ es war gleich Wetter wie es wolte/
barhaͤubtig gieng/ andere vor ſonſt einen ſeltzamen
Wundermann/ die allermeiſte aber vor den ewigen
Juden/ der biß an den juͤngſten Tag in der Welt

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[0062] ihm/ und daß er meine Weg-Kunfft gern ſehe/ weil der gemeine Mann wegen eines ſo ohngewoͤhnlichen ſtrengen und exemplariſchen Lebens mehr von mir hielte/ als von etlichen Geiſtlichen in der Nachbar- ſchafft/ ohnangeſehen ich ein ſchlimmer liederlicher Kundt war/ wann man mich gegen den rechten wah- ren Geiſtlichen und Dienern GOttes haͤtte abſchaͤ- tzen ſollen: Damals war ich zwar noch nicht ſo gar gott- loß wie ich hernach wurde/ ſonder haͤtte mich noch wol vor einen ſolchen vergangen/ der eine gute Mei- nung und Vorſatz; ſo bald ich aber mit andern al- ten Landſtoͤrtzern bekandt wurde/ und mit denſelben vielfaltig umbgienge und converſirte, wurde ich je laͤnger je aͤrger; alſo daß ich zuletzt gar wol vor ei- nen Vorſteher/ Zunfftmeiſter und Præceptor der je- nigen Geſellſchafft haͤtte paſſiren moͤgen/ die auß der Landfahrerey zu keinem andern endt eine profeſſion machen/ als ihre Nahrung damit zugewinnen; hierzu war mein Habit und Leibs-Geſtalt faſt be- quem und befuͤrderlich/ ſonderlich die Leut zur Frey- gebigkeit zubewegen; wann ich dann in einen Fle- cken kam/ oder in ein Statt gelaſſen wurde/ vor- nemblich an den Sonn: und Feyertaͤgen/ ſo krieg- te ich gleich von Jungen und Alten einen groͤſſern Umbſtand als der beſte Marckſchreyer/ der ein par Narꝛen/ Affen und Meerkatzen mit ſich fuͤhret; alsdann hielten mich theils wegen meines langen Haars und wilten Barts vor einen alten Prophe- ten/ weil ich/ es war gleich Wetter wie es wolte/ barhaͤubtig gieng/ andere vor ſonſt einen ſeltzamen Wundermann/ die allermeiſte aber vor den ewigen Juden/ der biß an den juͤngſten Tag in der Welt herumb

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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/62>, abgerufen am 23.11.2024.