Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

von Hoffart/ vom Geitz/ vom Zorn/ vom Neyd/
vom Eyfer/ von Falschheit/ von Betrug/ von al-
lerhand Sorgen beydes umb Nahrung und Klay-
dung noch umb Ehr und Reputation; hier ist eine
stille Einsame ohne Zorn/ Hader und Zanck; eine
Sicherheit vor eitlen Begierden/ ein Vestung wider
alles undrdenliches verlangen; ein Schutz wider die
vielfältige Strick der Welt und ein stille Ruhe/ da-
rinnen man dem Allerhöchsten allein dienen: seine
Wunder betrachten/ und ihm loben und preysen
kan; als ich noch in Europa lebte/ war alles (ach
Jammer! daß ich solches von Christen zeugen soll)
mit Krieg/ Brandt/ Mord/ Raub/ Plünderung/
Frauen- und Jungfrauen schänden etc. erfüllt; Alß
aber die Güte GOTTes solche Plagen sambt der
schröcklichen Pestilentz und dem grausamen Hunger
hinweck nahm/ und dem armen betrangten Volck
zum besten den edlen Frieden wider sendete/ da ka-
men allerhand Laster deß Wollusts/ als Fressen/
Sauffen und Spielen; huren/ buben und ehebre-
chen; welche den gantzen Schwarm der anderen La-
ster alle nach sich ziehen/ biß es endlich so weit kom-
men/ daß je einer durch Unterdruckung deß andern
sich groß zumachen/ offentlich practicirt, dabey dann
kein List/ Betrug und Politische Spitzfindigkeit ge-
sparrt wird; und was das allerärgste/ ist dieses/ daß
keine Besserung zuhoffen/ in dem jeder vermeinet/
wann er nur zu acht Tagen wanns wol geräth dem
Gottesdienst beywohne/ und sich etwan das Jahr
einmahl vermeintlich mit GOtt versöhne/ er habe
es als ein frommer Christ/ nit allein alles wol auß-
gerichtet/ sondern GOtt seye ihm noch darzu umb

solche

von Hoffart/ vom Geitz/ vom Zorn/ vom Neyd/
vom Eyfer/ von Falſchheit/ von Betrug/ von al-
lerhand Sorgen beydes umb Nahrung und Klay-
dung noch umb Ehr und Reputation; hier iſt eine
ſtille Einſame ohne Zorn/ Hader und Zanck; eine
Sicherheit vor eitlen Begierden/ ein Veſtung wider
alles undrdenliches verlangen; ein Schutz wider die
vielfaͤltige Strick der Welt und ein ſtille Ruhe/ da-
rinnen man dem Allerhoͤchſten allein dienen: ſeine
Wunder betrachten/ und ihm loben und preyſen
kan; als ich noch in Europa lebte/ war alles (ach
Jammer! daß ich ſolches von Chriſten zeugen ſoll)
mit Krieg/ Brandt/ Mord/ Raub/ Pluͤnderung/
Frauen- und Jungfrauen ſchaͤnden ꝛc. erfuͤllt; Alß
aber die Guͤte GOTTes ſolche Plagen ſambt der
ſchroͤcklichen Peſtilentz und dem grauſamen Hunger
hinweck nahm/ und dem armen betrangten Volck
zum beſten den edlen Frieden wider ſendete/ da ka-
men allerhand Laſter deß Wolluſts/ als Freſſen/
Sauffen und Spielen; huren/ buben und ehebre-
chen; welche den gantzen Schwarm der anderen La-
ſter alle nach ſich ziehen/ biß es endlich ſo weit kom-
men/ daß je einer durch Unterdruckung deß andern
ſich groß zumachen/ offentlich practicirt, dabey dañ
kein Liſt/ Betrug und Politiſche Spitzfindigkeit ge-
ſparꝛt wird; und was das alleraͤrgſte/ iſt dieſes/ daß
keine Beſſerung zuhoffen/ in dem jeder vermeinet/
wann er nur zu acht Tagen wanns wol geraͤth dem
Gottesdienſt beywohne/ und ſich etwan das Jahr
einmahl vermeintlich mit GOtt verſoͤhne/ er habe
es als ein frommer Chriſt/ nit allein alles wol auß-
gerichtet/ ſondern GOtt ſeye ihm noch darzu umb

ſolche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0162"/>
von Hoffart/ vom Geitz/ vom Zorn/ vom Neyd/<lb/>
vom Eyfer/ von Fal&#x017F;chheit/ von Betrug/ von al-<lb/>
lerhand Sorgen beydes umb Nahrung und Klay-<lb/>
dung noch umb Ehr und <hi rendition="#aq">Reputation;</hi> hier i&#x017F;t eine<lb/>
&#x017F;tille Ein&#x017F;ame ohne Zorn/ Hader und Zanck; eine<lb/>
Sicherheit vor eitlen Begierden/ ein Ve&#x017F;tung wider<lb/>
alles undrdenliches verlangen; ein Schutz wider die<lb/>
vielfa&#x0364;ltige Strick der Welt und ein &#x017F;tille Ruhe/ da-<lb/>
rinnen man dem Allerho&#x0364;ch&#x017F;ten allein dienen: &#x017F;eine<lb/>
Wunder betrachten/ und ihm loben und prey&#x017F;en<lb/>
kan; als ich noch in <hi rendition="#aq">Europa</hi> lebte/ war alles (ach<lb/>
Jammer! daß ich &#x017F;olches von Chri&#x017F;ten zeugen &#x017F;oll)<lb/>
mit Krieg/ Brandt/ Mord/ Raub/ Plu&#x0364;nderung/<lb/>
Frauen- und Jungfrauen &#x017F;cha&#x0364;nden &#xA75B;c. erfu&#x0364;llt; Alß<lb/>
aber die Gu&#x0364;te GOTTes &#x017F;olche Plagen &#x017F;ambt der<lb/>
&#x017F;chro&#x0364;cklichen Pe&#x017F;tilentz und dem grau&#x017F;amen Hunger<lb/>
hinweck nahm/ und dem armen betrangten Volck<lb/>
zum be&#x017F;ten den edlen Frieden wider &#x017F;endete/ da ka-<lb/>
men allerhand La&#x017F;ter deß Wollu&#x017F;ts/ als Fre&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
Sauffen und Spielen; huren/ buben und ehebre-<lb/>
chen; welche den gantzen Schwarm der anderen La-<lb/>
&#x017F;ter alle nach &#x017F;ich ziehen/ biß es endlich &#x017F;o weit kom-<lb/>
men/ daß je einer durch Unterdruckung deß andern<lb/>
&#x017F;ich groß zumachen/ offentlich <hi rendition="#aq">practicirt,</hi> dabey dan&#x0303;<lb/>
kein Li&#x017F;t/ Betrug und Politi&#x017F;che Spitzfindigkeit ge-<lb/>
&#x017F;par&#xA75B;t wird; und was das allera&#x0364;rg&#x017F;te/ i&#x017F;t die&#x017F;es/ daß<lb/>
keine Be&#x017F;&#x017F;erung zuhoffen/ in dem jeder vermeinet/<lb/>
wann er nur zu acht Tagen wanns wol gera&#x0364;th dem<lb/>
Gottesdien&#x017F;t beywohne/ und &#x017F;ich etwan das Jahr<lb/>
einmahl vermeintlich mit GOtt ver&#x017F;o&#x0364;hne/ er habe<lb/>
es als ein frommer Chri&#x017F;t/ nit allein alles wol auß-<lb/>
gerichtet/ &#x017F;ondern GOtt &#x017F;eye ihm noch darzu umb<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;olche</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0162] von Hoffart/ vom Geitz/ vom Zorn/ vom Neyd/ vom Eyfer/ von Falſchheit/ von Betrug/ von al- lerhand Sorgen beydes umb Nahrung und Klay- dung noch umb Ehr und Reputation; hier iſt eine ſtille Einſame ohne Zorn/ Hader und Zanck; eine Sicherheit vor eitlen Begierden/ ein Veſtung wider alles undrdenliches verlangen; ein Schutz wider die vielfaͤltige Strick der Welt und ein ſtille Ruhe/ da- rinnen man dem Allerhoͤchſten allein dienen: ſeine Wunder betrachten/ und ihm loben und preyſen kan; als ich noch in Europa lebte/ war alles (ach Jammer! daß ich ſolches von Chriſten zeugen ſoll) mit Krieg/ Brandt/ Mord/ Raub/ Pluͤnderung/ Frauen- und Jungfrauen ſchaͤnden ꝛc. erfuͤllt; Alß aber die Guͤte GOTTes ſolche Plagen ſambt der ſchroͤcklichen Peſtilentz und dem grauſamen Hunger hinweck nahm/ und dem armen betrangten Volck zum beſten den edlen Frieden wider ſendete/ da ka- men allerhand Laſter deß Wolluſts/ als Freſſen/ Sauffen und Spielen; huren/ buben und ehebre- chen; welche den gantzen Schwarm der anderen La- ſter alle nach ſich ziehen/ biß es endlich ſo weit kom- men/ daß je einer durch Unterdruckung deß andern ſich groß zumachen/ offentlich practicirt, dabey dañ kein Liſt/ Betrug und Politiſche Spitzfindigkeit ge- ſparꝛt wird; und was das alleraͤrgſte/ iſt dieſes/ daß keine Beſſerung zuhoffen/ in dem jeder vermeinet/ wann er nur zu acht Tagen wanns wol geraͤth dem Gottesdienſt beywohne/ und ſich etwan das Jahr einmahl vermeintlich mit GOtt verſoͤhne/ er habe es als ein frommer Chriſt/ nit allein alles wol auß- gerichtet/ ſondern GOtt ſeye ihm noch darzu umb ſolche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/162
Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/162>, abgerufen am 24.11.2024.