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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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Bindung erreichen, sey es nun in welcher Ordnung. Der Ab-
gesang scheint mithin zu fehlen. Allein da sich dann in keinem
dieser Lieder ein eigentlicher Mittelpunct fände, und überhaupt
nicht anzunehmen ist, daß eine Melodie von der Mitte heraus
zu ihrem Anfang und Ende hin sich gleichmäßig ausbreite, so
ist wohl in den nachstehenden Schematen der Abschnitt nach
der punctirten Linie zu verwerfen und es verhält sich damit
wahrscheinlich so: statt, daß sonst der Abgesang auf die zwei
Stollen folgt, ist er hier in die Mitte zwischen beide genom-
men und der zweite Stoll macht den Beschluß. Den Beweis
könnte wieder erst die Musik solcher Lieder liefern, wohin nur
die nachstehenden gehören. Dabei muß Herrn Docen auf-
fallen, daß diese Anomalie sich noch dazu ganz besonders bei
Walter von der Vogelweide, also einem von ihm anerkann-
ten Meistersänger und zum Theil bei ernsthaftem Inhalte fin-
det. Aus dem spätern Meistersang weiß ich dießmal kein Bei-
spiel zu liefern.


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(Gewißheit haben wir über solche Abtheilungen freilich
noch nicht, und es ließen sich auch einige anders
versuchen.)

Bindung erreichen, ſey es nun in welcher Ordnung. Der Ab-
geſang ſcheint mithin zu fehlen. Allein da ſich dann in keinem
dieſer Lieder ein eigentlicher Mittelpunct faͤnde, und uͤberhaupt
nicht anzunehmen iſt, daß eine Melodie von der Mitte heraus
zu ihrem Anfang und Ende hin ſich gleichmaͤßig ausbreite, ſo
iſt wohl in den nachſtehenden Schematen der Abſchnitt nach
der punctirten Linie zu verwerfen und es verhaͤlt ſich damit
wahrſcheinlich ſo: ſtatt, daß ſonſt der Abgeſang auf die zwei
Stollen folgt, iſt er hier in die Mitte zwiſchen beide genom-
men und der zweite Stoll macht den Beſchluß. Den Beweis
koͤnnte wieder erſt die Muſik ſolcher Lieder liefern, wohin nur
die nachſtehenden gehoͤren. Dabei muß Herrn Docen auf-
fallen, daß dieſe Anomalie ſich noch dazu ganz beſonders bei
Walter von der Vogelweide, alſo einem von ihm anerkann-
ten Meiſterſaͤnger und zum Theil bei ernſthaftem Inhalte fin-
det. Aus dem ſpaͤtern Meiſterſang weiß ich dießmal kein Bei-
ſpiel zu liefern.


[Abbildung]
(Gewißheit haben wir uͤber ſolche Abtheilungen freilich
noch nicht, und es ließen ſich auch einige anders
verſuchen.)

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[50/0060] Bindung erreichen, ſey es nun in welcher Ordnung. Der Ab- geſang ſcheint mithin zu fehlen. Allein da ſich dann in keinem dieſer Lieder ein eigentlicher Mittelpunct faͤnde, und uͤberhaupt nicht anzunehmen iſt, daß eine Melodie von der Mitte heraus zu ihrem Anfang und Ende hin ſich gleichmaͤßig ausbreite, ſo iſt wohl in den nachſtehenden Schematen der Abſchnitt nach der punctirten Linie zu verwerfen und es verhaͤlt ſich damit wahrſcheinlich ſo: ſtatt, daß ſonſt der Abgeſang auf die zwei Stollen folgt, iſt er hier in die Mitte zwiſchen beide genom- men und der zweite Stoll macht den Beſchluß. Den Beweis koͤnnte wieder erſt die Muſik ſolcher Lieder liefern, wohin nur die nachſtehenden gehoͤren. Dabei muß Herrn Docen auf- fallen, daß dieſe Anomalie ſich noch dazu ganz beſonders bei Walter von der Vogelweide, alſo einem von ihm anerkann- ten Meiſterſaͤnger und zum Theil bei ernſthaftem Inhalte fin- det. Aus dem ſpaͤtern Meiſterſang weiß ich dießmal kein Bei- ſpiel zu liefern. [Abbildung] (Gewißheit haben wir uͤber ſolche Abtheilungen freilich noch nicht, und es ließen ſich auch einige anders verſuchen.)

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/60>, abgerufen am 28.11.2024.