bei unfehlbar von allen Seiten erörtert und dadurch daß ich die Gründe für den alten Meistergesang auch bei seinen vorbe- haltenen Minnedichtern eben so gut, als bei seinen Meistersin- gern entdecke, im Einzelnen bestritten werden. Denn darin liegt der von Docen begehrte Veweis, der Unzertrennlichkeit der Minnelieder und alten Meistergesänge, daß in beiden die nämliche innere Gestalt und an den Verfassern beider die näm- liche Sitte dargethan werde.
Zweierlei wünsche ich, möge überall deutlich bleiben, wie um diese zwei Puncte dreht sich meine ganze Meinung, in ih- rer Einigung und Durchgreifung liegt mir die ganze Historie des Meistergesangs. Einmal, daß das Lebendige und Gute als das Ursprüngliche aufgewiesen und erkannt werde, selbst noch aus der spätesten Entartung; zweitens daß diese, oder das Tödtende als nicht ursprünglich entwickelt, jedoch keimend erscheine. Keines kann in Trennung des Alten vom Neuen vollbracht werden. Ich halte es für den Hauptmangel meiner früheren Aufsätze, daß in ihnen das förmliche Princip des Meistergesangs, obgleich durch Beispiele bewiesen, nicht klar ausgesprochen worden ist, es fehlte mir dazumal an Zeit zu der mühsamen Untersuchung, ohne welche zwar Voraussetzung aber keine Darlegung des Rechten möglich war und deren Re- sultat ich gegenwärtig der Prüfung des Publicums unterwerfe.
Den wahren Sinn meiner Ansicht kurz und eigenst aus- zudrücken, bietet mir der philosophische Sprachgebrauch ein Mittel dar, wenn er dem Leser überall gangbar oder gegenwär- tig vorauszusetzen wäre: die Identität des Minne- und Mei- stergesangs will ich ausführen, ihre Einerleiheit leugnen. Daß ich früherhin, dieser Terminologie uneingedenk, den letzten Aus- druck einigemal fehlerhaft gebraucht habe, darf mir natürlich keinen Schaden thun, überhaupt aber, wen die Worte nichts angehen, der halte sich an die Sache.
bei unfehlbar von allen Seiten eroͤrtert und dadurch daß ich die Gruͤnde fuͤr den alten Meiſtergeſang auch bei ſeinen vorbe- haltenen Minnedichtern eben ſo gut, als bei ſeinen Meiſterſin- gern entdecke, im Einzelnen beſtritten werden. Denn darin liegt der von Docen begehrte Veweis, der Unzertrennlichkeit der Minnelieder und alten Meiſtergeſaͤnge, daß in beiden die naͤmliche innere Geſtalt und an den Verfaſſern beider die naͤm- liche Sitte dargethan werde.
Zweierlei wuͤnſche ich, moͤge uͤberall deutlich bleiben, wie um dieſe zwei Puncte dreht ſich meine ganze Meinung, in ih- rer Einigung und Durchgreifung liegt mir die ganze Hiſtorie des Meiſtergeſangs. Einmal, daß das Lebendige und Gute als das Urſpruͤngliche aufgewieſen und erkannt werde, ſelbſt noch aus der ſpaͤteſten Entartung; zweitens daß dieſe, oder das Toͤdtende als nicht urſpruͤnglich entwickelt, jedoch keimend erſcheine. Keines kann in Trennung des Alten vom Neuen vollbracht werden. Ich halte es fuͤr den Hauptmangel meiner fruͤheren Aufſaͤtze, daß in ihnen das foͤrmliche Princip des Meiſtergeſangs, obgleich durch Beiſpiele bewieſen, nicht klar ausgeſprochen worden iſt, es fehlte mir dazumal an Zeit zu der muͤhſamen Unterſuchung, ohne welche zwar Vorausſetzung aber keine Darlegung des Rechten moͤglich war und deren Re- ſultat ich gegenwaͤrtig der Pruͤfung des Publicums unterwerfe.
Den wahren Sinn meiner Anſicht kurz und eigenſt aus- zudruͤcken, bietet mir der philoſophiſche Sprachgebrauch ein Mittel dar, wenn er dem Leſer uͤberall gangbar oder gegenwaͤr- tig vorauszuſetzen waͤre: die Identitaͤt des Minne- und Mei- ſtergeſangs will ich ausfuͤhren, ihre Einerleiheit leugnen. Daß ich fruͤherhin, dieſer Terminologie uneingedenk, den letzten Aus- druck einigemal fehlerhaft gebraucht habe, darf mir natuͤrlich keinen Schaden thun, uͤberhaupt aber, wen die Worte nichts angehen, der halte ſich an die Sache.
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bei unfehlbar von allen Seiten eroͤrtert und dadurch daß ich
die Gruͤnde fuͤr den alten Meiſtergeſang auch bei ſeinen vorbe-
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gern entdecke, im Einzelnen beſtritten werden. Denn darin
liegt der von Docen begehrte Veweis, der Unzertrennlichkeit
der Minnelieder und alten Meiſtergeſaͤnge, daß in beiden die
naͤmliche innere Geſtalt und an den Verfaſſern beider die naͤm-
liche Sitte dargethan werde.
Zweierlei wuͤnſche ich, moͤge uͤberall deutlich bleiben, wie
um dieſe zwei Puncte dreht ſich meine ganze Meinung, in ih-
rer Einigung und Durchgreifung liegt mir die ganze Hiſtorie
des Meiſtergeſangs. Einmal, daß das Lebendige und Gute
als das Urſpruͤngliche aufgewieſen und erkannt werde, ſelbſt
noch aus der ſpaͤteſten Entartung; zweitens daß dieſe, oder
das Toͤdtende als nicht urſpruͤnglich entwickelt, jedoch keimend
erſcheine. Keines kann in Trennung des Alten vom Neuen
vollbracht werden. Ich halte es fuͤr den Hauptmangel meiner
fruͤheren Aufſaͤtze, daß in ihnen das foͤrmliche Princip des
Meiſtergeſangs, obgleich durch Beiſpiele bewieſen, nicht klar
ausgeſprochen worden iſt, es fehlte mir dazumal an Zeit zu
der muͤhſamen Unterſuchung, ohne welche zwar Vorausſetzung
aber keine Darlegung des Rechten moͤglich war und deren Re-
ſultat ich gegenwaͤrtig der Pruͤfung des Publicums unterwerfe.
Den wahren Sinn meiner Anſicht kurz und eigenſt aus-
zudruͤcken, bietet mir der philoſophiſche Sprachgebrauch ein
Mittel dar, wenn er dem Leſer uͤberall gangbar oder gegenwaͤr-
tig vorauszuſetzen waͤre: die Identitaͤt des Minne- und Mei-
ſtergeſangs will ich ausfuͤhren, ihre Einerleiheit leugnen. Daß
ich fruͤherhin, dieſer Terminologie uneingedenk, den letzten Aus-
druck einigemal fehlerhaft gebraucht habe, darf mir natuͤrlich
keinen Schaden thun, uͤberhaupt aber, wen die Worte nichts
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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/35>, abgerufen am 02.03.2025.
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