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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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auf viel anderes angewandte Worte, wurde nach und nach
characteristisch und war es ohne Zweifel viel früher, ehe die
Poesie bloß in die Hände von Handwerkern kam. Hätten diese
den Meistersang aufgebracht, so würden sie etwa ein anderes
Wort gewählt haben, da ja doch jeder ihrer Mitbrüder ein
Meister, wenn schon nicht im Gesang war, woraus sich viel-
leicht erklärt, daß sie seltner Meister allein gebrauchen, fon-
dern das Singer hinzu zu setzen pflegen. Mit allem dem will
ich nicht abreden, daß vielleicht in der mittleren Periode die
Idee des latein. magister artium der Terminologie eine noch
fixirtere Bedeutung gegeben haben könne, die sie sowohl erst
nicht hatte, als auch bald wieder verlor.

Unsere Dichter haben also schon im Anfang Meister ge-
heißen, die Zeit zu bestimmen, wann sie sich den Namen ganz
zu eigen gemacht, fällt aber unmöglich. Wäre er es schon in
der ersten Hälfte des 13ten Jahrhunderts gewesen, so würden
sie sich vielleicht nicht so häufig der allgemeinen Bedeutung des
Worts bedient haben, als sie thun 88 b), gleichwohl muß es
noch im Laufe dieses Jahrh. der Fall gewesen seyn, später

Stelle bei Horneck (bald im Anfang), welche Docen 449 --
452 abhandelt, ist an sich wegen der Sängernamen interessant,
in unserm Streit aber unbedeutend. Einiges spricht dafür, daß
diese Sänger wahre Meistersänger und nicht bloße Spielleute
waren, daher ihre Namen im Dichterverzeichniß eine Erwäh-
nung verdient hätten.
88 b) Ein Grund, gegen den sich manches einwenden ließe, und
die Allgemeinheit kann neben der Bestimmtheit gegolten haben,
wie wir eben vorhin bei dem Wort Merker gesehen. Wenn
Hartm. v. Aue (Iwan v. 246.) merken durch ein fruchtbares
Hören erklärt, so beweist z. B. der Gebrauch dieses Sinns nichts
gegen die damalige Existenz unserer Singmerker. Denn ich er-
biete mich aus Hans Sachs ebenfalls zu zeigen, daß er merken
ohne Rücksicht auf meistersängerische Bedeutung gebraucht hat.

auf viel anderes angewandte Worte, wurde nach und nach
characteriſtiſch und war es ohne Zweifel viel fruͤher, ehe die
Poeſie bloß in die Haͤnde von Handwerkern kam. Haͤtten dieſe
den Meiſterſang aufgebracht, ſo wuͤrden ſie etwa ein anderes
Wort gewaͤhlt haben, da ja doch jeder ihrer Mitbruͤder ein
Meiſter, wenn ſchon nicht im Geſang war, woraus ſich viel-
leicht erklaͤrt, daß ſie ſeltner Meiſter allein gebrauchen, fon-
dern das Singer hinzu zu ſetzen pflegen. Mit allem dem will
ich nicht abreden, daß vielleicht in der mittleren Periode die
Idee des latein. magister artium der Terminologie eine noch
fixirtere Bedeutung gegeben haben koͤnne, die ſie ſowohl erſt
nicht hatte, als auch bald wieder verlor.

Unſere Dichter haben alſo ſchon im Anfang Meiſter ge-
heißen, die Zeit zu beſtimmen, wann ſie ſich den Namen ganz
zu eigen gemacht, faͤllt aber unmoͤglich. Waͤre er es ſchon in
der erſten Haͤlfte des 13ten Jahrhunderts geweſen, ſo wuͤrden
ſie ſich vielleicht nicht ſo haͤufig der allgemeinen Bedeutung des
Worts bedient haben, als ſie thun 88 b), gleichwohl muß es
noch im Laufe dieſes Jahrh. der Fall geweſen ſeyn, ſpaͤter

Stelle bei Horneck (bald im Anfang), welche Docen 449 —
452 abhandelt, iſt an ſich wegen der Saͤngernamen intereſſant,
in unſerm Streit aber unbedeutend. Einiges ſpricht dafuͤr, daß
dieſe Saͤnger wahre Meiſterſaͤnger und nicht bloße Spielleute
waren, daher ihre Namen im Dichterverzeichniß eine Erwaͤh-
nung verdient haͤtten.
88 b) Ein Grund, gegen den ſich manches einwenden ließe, und
die Allgemeinheit kann neben der Beſtimmtheit gegolten haben,
wie wir eben vorhin bei dem Wort Merker geſehen. Wenn
Hartm. v. Aue (Iwan v. 246.) merken durch ein fruchtbares
Hoͤren erklaͤrt, ſo beweiſt z. B. der Gebrauch dieſes Sinns nichts
gegen die damalige Exiſtenz unſerer Singmerker. Denn ich er-
biete mich aus Hans Sachs ebenfalls zu zeigen, daß er merken
ohne Ruͤckſicht auf meiſterſaͤngeriſche Bedeutung gebraucht hat.
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[101/0111] auf viel anderes angewandte Worte, wurde nach und nach characteriſtiſch und war es ohne Zweifel viel fruͤher, ehe die Poeſie bloß in die Haͤnde von Handwerkern kam. Haͤtten dieſe den Meiſterſang aufgebracht, ſo wuͤrden ſie etwa ein anderes Wort gewaͤhlt haben, da ja doch jeder ihrer Mitbruͤder ein Meiſter, wenn ſchon nicht im Geſang war, woraus ſich viel- leicht erklaͤrt, daß ſie ſeltner Meiſter allein gebrauchen, fon- dern das Singer hinzu zu ſetzen pflegen. Mit allem dem will ich nicht abreden, daß vielleicht in der mittleren Periode die Idee des latein. magister artium der Terminologie eine noch fixirtere Bedeutung gegeben haben koͤnne, die ſie ſowohl erſt nicht hatte, als auch bald wieder verlor. Unſere Dichter haben alſo ſchon im Anfang Meiſter ge- heißen, die Zeit zu beſtimmen, wann ſie ſich den Namen ganz zu eigen gemacht, faͤllt aber unmoͤglich. Waͤre er es ſchon in der erſten Haͤlfte des 13ten Jahrhunderts geweſen, ſo wuͤrden ſie ſich vielleicht nicht ſo haͤufig der allgemeinen Bedeutung des Worts bedient haben, als ſie thun 88 b), gleichwohl muß es noch im Laufe dieſes Jahrh. der Fall geweſen ſeyn, ſpaͤter 88) 88 b) Ein Grund, gegen den ſich manches einwenden ließe, und die Allgemeinheit kann neben der Beſtimmtheit gegolten haben, wie wir eben vorhin bei dem Wort Merker geſehen. Wenn Hartm. v. Aue (Iwan v. 246.) merken durch ein fruchtbares Hoͤren erklaͤrt, ſo beweiſt z. B. der Gebrauch dieſes Sinns nichts gegen die damalige Exiſtenz unſerer Singmerker. Denn ich er- biete mich aus Hans Sachs ebenfalls zu zeigen, daß er merken ohne Ruͤckſicht auf meiſterſaͤngeriſche Bedeutung gebraucht hat. 88) Stelle bei Horneck (bald im Anfang), welche Docen 449 — 452 abhandelt, iſt an ſich wegen der Saͤngernamen intereſſant, in unſerm Streit aber unbedeutend. Einiges ſpricht dafuͤr, daß dieſe Saͤnger wahre Meiſterſaͤnger und nicht bloße Spielleute waren, daher ihre Namen im Dichterverzeichniß eine Erwaͤh- nung verdient haͤtten.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/111>, abgerufen am 22.11.2024.