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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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bemerke noch, daß die provenzalische Sitte ins 13te Jahrh. geht
und Alamanno der Bertrand d'Alamanon seyn könnte, so we-
nig Millot oder Nosiradam bei ihm des Vorfalls gedenken.

Es ist übrig, noch mit einigen andern Beispielen der
gleichmäßigen Neigung früheres und späteres M. G. zu eigenthüm-
licher Terminologie zu erwähnen. Viele Redensarten z. B. sind
vom Bauen hergenommen, weisen aber weniger auf geraden Ein-
fluß, als gleichen Grund mancher Symbole und Bräuche, die
damals und früher unter Handwerkern gegolten haben müssen.
Der Gegenstand ist ein Gebäude, ihn wohl dichten, heißt
ihm ein Dach zimmern, oder decken, gute Rede ist des Sinnes
Dach, bleibt etwas unbefriedigt, ungelöst, so ist es ohne Dach;
mit Erz decken bedeutet: etwas vollkommen und sicher auflö-
sen. (cf. Wartb. Krieg Str. 35. 36. 38. 39. 74. Parcifal
10084. 11010. Lohengrin in Adelungs Ausz. S. 45. und für
die spätere Zeit Mögelin im Göttinger Ms. num. V. Str. 3.)
So heißt es auch den Gaten (Thür) finden, (W. Kr. 68. 98.)
zur Verte weisen (98.) Häufige Reden sind von den Farben
abgeleitet, eine Rede, ein Mär brünen, Mögelin sagt, aus
Pinsel Lobes Farbe streichen, an die Färber und das Färben
in Gottfrieds bekannter Stelle brauche ich kaum zu erinnern.
Andere von Kleidern, nach Mögelin schneiden die Meister den
Sprüchen Wat an, im Titurel steht, das Märe säumen, Bor-
ten in Gedichte wirken, weben etc. Das Blümen, Floriren, (= sin-
gen) Uebergolden ist freilich allgemein, oder vielmehr noch heut
zu Tage geläufig, aber die alten Meister bedienen sich dieser
Wörter so oft, daß sie ohne Frage mit den Coloraturen der
späteren zusammenhängen. Vergl. Gottfrieds Tr. 4526 -- 35.
Noch kommt: einen Haft 84), Strang oder Knoten lösen, oder
flechten, nicht selten vor, ja flechten geradezu für dichten. Ei-
nen Baum messen und spalten braucht Wolfram vom Veldeck
im Parcifal 8708 -- 8712. Auch scheinen die Meister ihre
Kunst vorzugsweise die hohe genannt zu haben. (Wartb. Kr.

84) Oben Note 65.
G

bemerke noch, daß die provenzaliſche Sitte ins 13te Jahrh. geht
und Alamaño der Bertrand d’Alamanon ſeyn koͤnnte, ſo we-
nig Millot oder Noſiradam bei ihm des Vorfalls gedenken.

Es iſt uͤbrig, noch mit einigen andern Beiſpielen der
gleichmaͤßigen Neigung fruͤheres und ſpaͤteres M. G. zu eigenthuͤm-
licher Terminologie zu erwaͤhnen. Viele Redensarten z. B. ſind
vom Bauen hergenommen, weiſen aber weniger auf geraden Ein-
fluß, als gleichen Grund mancher Symbole und Braͤuche, die
damals und fruͤher unter Handwerkern gegolten haben muͤſſen.
Der Gegenſtand iſt ein Gebaͤude, ihn wohl dichten, heißt
ihm ein Dach zimmern, oder decken, gute Rede iſt des Sinnes
Dach, bleibt etwas unbefriedigt, ungeloͤſt, ſo iſt es ohne Dach;
mit Erz decken bedeutet: etwas vollkommen und ſicher aufloͤ-
ſen. (cf. Wartb. Krieg Str. 35. 36. 38. 39. 74. Parcifal
10084. 11010. Lohengrin in Adelungs Ausz. S. 45. und fuͤr
die ſpaͤtere Zeit Moͤgelin im Goͤttinger Ms. num. V. Str. 3.)
So heißt es auch den Gaten (Thuͤr) finden, (W. Kr. 68. 98.)
zur Verte weiſen (98.) Haͤufige Reden ſind von den Farben
abgeleitet, eine Rede, ein Maͤr bruͤnen, Moͤgelin ſagt, aus
Pinſel Lobes Farbe ſtreichen, an die Faͤrber und das Faͤrben
in Gottfrieds bekannter Stelle brauche ich kaum zu erinnern.
Andere von Kleidern, nach Moͤgelin ſchneiden die Meiſter den
Spruͤchen Wat an, im Titurel ſteht, das Maͤre ſaͤumen, Bor-
ten in Gedichte wirken, weben ꝛc. Das Bluͤmen, Floriren, (= ſin-
gen) Uebergolden iſt freilich allgemein, oder vielmehr noch heut
zu Tage gelaͤufig, aber die alten Meiſter bedienen ſich dieſer
Woͤrter ſo oft, daß ſie ohne Frage mit den Coloraturen der
ſpaͤteren zuſammenhaͤngen. Vergl. Gottfrieds Tr. 4526 — 35.
Noch kommt: einen Haft 84), Strang oder Knoten loͤſen, oder
flechten, nicht ſelten vor, ja flechten geradezu fuͤr dichten. Ei-
nen Baum meſſen und ſpalten braucht Wolfram vom Veldeck
im Parcifal 8708 — 8712. Auch ſcheinen die Meiſter ihre
Kunſt vorzugsweiſe die hohe genannt zu haben. (Wartb. Kr.

84) Oben Note 65.
G
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[97/0107] bemerke noch, daß die provenzaliſche Sitte ins 13te Jahrh. geht und Alamaño der Bertrand d’Alamanon ſeyn koͤnnte, ſo we- nig Millot oder Noſiradam bei ihm des Vorfalls gedenken. Es iſt uͤbrig, noch mit einigen andern Beiſpielen der gleichmaͤßigen Neigung fruͤheres und ſpaͤteres M. G. zu eigenthuͤm- licher Terminologie zu erwaͤhnen. Viele Redensarten z. B. ſind vom Bauen hergenommen, weiſen aber weniger auf geraden Ein- fluß, als gleichen Grund mancher Symbole und Braͤuche, die damals und fruͤher unter Handwerkern gegolten haben muͤſſen. Der Gegenſtand iſt ein Gebaͤude, ihn wohl dichten, heißt ihm ein Dach zimmern, oder decken, gute Rede iſt des Sinnes Dach, bleibt etwas unbefriedigt, ungeloͤſt, ſo iſt es ohne Dach; mit Erz decken bedeutet: etwas vollkommen und ſicher aufloͤ- ſen. (cf. Wartb. Krieg Str. 35. 36. 38. 39. 74. Parcifal 10084. 11010. Lohengrin in Adelungs Ausz. S. 45. und fuͤr die ſpaͤtere Zeit Moͤgelin im Goͤttinger Ms. num. V. Str. 3.) So heißt es auch den Gaten (Thuͤr) finden, (W. Kr. 68. 98.) zur Verte weiſen (98.) Haͤufige Reden ſind von den Farben abgeleitet, eine Rede, ein Maͤr bruͤnen, Moͤgelin ſagt, aus Pinſel Lobes Farbe ſtreichen, an die Faͤrber und das Faͤrben in Gottfrieds bekannter Stelle brauche ich kaum zu erinnern. Andere von Kleidern, nach Moͤgelin ſchneiden die Meiſter den Spruͤchen Wat an, im Titurel ſteht, das Maͤre ſaͤumen, Bor- ten in Gedichte wirken, weben ꝛc. Das Bluͤmen, Floriren, (= ſin- gen) Uebergolden iſt freilich allgemein, oder vielmehr noch heut zu Tage gelaͤufig, aber die alten Meiſter bedienen ſich dieſer Woͤrter ſo oft, daß ſie ohne Frage mit den Coloraturen der ſpaͤteren zuſammenhaͤngen. Vergl. Gottfrieds Tr. 4526 — 35. Noch kommt: einen Haft 84), Strang oder Knoten loͤſen, oder flechten, nicht ſelten vor, ja flechten geradezu fuͤr dichten. Ei- nen Baum meſſen und ſpalten braucht Wolfram vom Veldeck im Parcifal 8708 — 8712. Auch ſcheinen die Meiſter ihre Kunſt vorzugsweiſe die hohe genannt zu haben. (Wartb. Kr. 84) Oben Note 65. G

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/107>, abgerufen am 22.11.2024.