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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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Flöten, und die Leute sagten ihm seine Gemahlin feierte ihre Hochzeit mit einem andern. Da ward er zornig und sprach 'die Falsche, sie hat mich betrogen und mich verlassen, als ich eingeschlafen war.' Da hieng er seinen Mantel um und gieng unsichtbar ins Schloß hinein. Als er in den Saal eintrat, war da eine große Tafel mit köstlichen Speisen besetzt, und die Gäste aßen und tranken, lachten und scherzten. Sie aber saß in der Mitte in prächtigen Kleidern auf einem königlichen Sessel und hatte die Krone auf dem Haupt. Er stellte sich hinter sie und niemand sah ihn. Wenn sie ihr ein Stück Fleisch auf den Teller legten, nahm er ihn weg und aß es: und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm ers weg und tranks aus; sie gaben ihr immer, und sie hatte doch immer nichts, denn Teller und Glas verschwanden augenblicklich. Da ward sie bestürzt und schämte sie sich, stand auf und gieng in ihre Kammer und weinte, er aber gieng hinter ihr her. Da sprach sie 'ist denn der Teufel über mir, oder kam mein Erlöser nie?' Da schlug er ihr ins Angesicht und sagte 'kam dein Erlöser nie? er ist über dir, du Betrügerin. Habe ich das an dir verdient?' Da machte er sich sichtbar, gieng in den Saal und rief 'die Hochzeit ist aus, der wahre König ist gekommen!' Die Könige, Fürsten und Räthe, die da versammelt waren, höhnten und verlachten ihn: er aber gab kurze Worte und sprach 'wollt ihr hinaus oder nicht?' Da wollten sie ihn fangen und drangen auf ihn ein, aber er zog sein Schwert und sprach 'Köpf alle runter, nur meiner nicht.' Da rollten alle Köpfe zur Erde, und er war allein der Herr und war wieder König vom goldenen Berge.



Flöten, und die Leute sagten ihm seine Gemahlin feierte ihre Hochzeit mit einem andern. Da ward er zornig und sprach ‘die Falsche, sie hat mich betrogen und mich verlassen, als ich eingeschlafen war.’ Da hieng er seinen Mantel um und gieng unsichtbar ins Schloß hinein. Als er in den Saal eintrat, war da eine große Tafel mit köstlichen Speisen besetzt, und die Gäste aßen und tranken, lachten und scherzten. Sie aber saß in der Mitte in prächtigen Kleidern auf einem königlichen Sessel und hatte die Krone auf dem Haupt. Er stellte sich hinter sie und niemand sah ihn. Wenn sie ihr ein Stück Fleisch auf den Teller legten, nahm er ihn weg und aß es: und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm ers weg und tranks aus; sie gaben ihr immer, und sie hatte doch immer nichts, denn Teller und Glas verschwanden augenblicklich. Da ward sie bestürzt und schämte sie sich, stand auf und gieng in ihre Kammer und weinte, er aber gieng hinter ihr her. Da sprach sie ‘ist denn der Teufel über mir, oder kam mein Erlöser nie?’ Da schlug er ihr ins Angesicht und sagte ‘kam dein Erlöser nie? er ist über dir, du Betrügerin. Habe ich das an dir verdient?’ Da machte er sich sichtbar, gieng in den Saal und rief ‘die Hochzeit ist aus, der wahre König ist gekommen!’ Die Könige, Fürsten und Räthe, die da versammelt waren, höhnten und verlachten ihn: er aber gab kurze Worte und sprach ‘wollt ihr hinaus oder nicht?’ Da wollten sie ihn fangen und drangen auf ihn ein, aber er zog sein Schwert und sprach ‘Köpf alle runter, nur meiner nicht.’ Da rollten alle Köpfe zur Erde, und er war allein der Herr und war wieder König vom goldenen Berge.



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[41/0053] Flöten, und die Leute sagten ihm seine Gemahlin feierte ihre Hochzeit mit einem andern. Da ward er zornig und sprach ‘die Falsche, sie hat mich betrogen und mich verlassen, als ich eingeschlafen war.’ Da hieng er seinen Mantel um und gieng unsichtbar ins Schloß hinein. Als er in den Saal eintrat, war da eine große Tafel mit köstlichen Speisen besetzt, und die Gäste aßen und tranken, lachten und scherzten. Sie aber saß in der Mitte in prächtigen Kleidern auf einem königlichen Sessel und hatte die Krone auf dem Haupt. Er stellte sich hinter sie und niemand sah ihn. Wenn sie ihr ein Stück Fleisch auf den Teller legten, nahm er ihn weg und aß es: und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm ers weg und tranks aus; sie gaben ihr immer, und sie hatte doch immer nichts, denn Teller und Glas verschwanden augenblicklich. Da ward sie bestürzt und schämte sie sich, stand auf und gieng in ihre Kammer und weinte, er aber gieng hinter ihr her. Da sprach sie ‘ist denn der Teufel über mir, oder kam mein Erlöser nie?’ Da schlug er ihr ins Angesicht und sagte ‘kam dein Erlöser nie? er ist über dir, du Betrügerin. Habe ich das an dir verdient?’ Da machte er sich sichtbar, gieng in den Saal und rief ‘die Hochzeit ist aus, der wahre König ist gekommen!’ Die Könige, Fürsten und Räthe, die da versammelt waren, höhnten und verlachten ihn: er aber gab kurze Worte und sprach ‘wollt ihr hinaus oder nicht?’ Da wollten sie ihn fangen und drangen auf ihn ein, aber er zog sein Schwert und sprach ‘Köpf alle runter, nur meiner nicht.’ Da rollten alle Köpfe zur Erde, und er war allein der Herr und war wieder König vom goldenen Berge.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/53>, abgerufen am 18.12.2024.