Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

ließ ihn ein, gab ihm Essen und Abends ein gutes Bett. Am Morgen als er ausgeschlafen hatte, nahm die Alte einen Fingerhut von ihrem dürren Finger, reichte ihn dem Trommler hin, und sagte 'jetzt geh an die Arbeit und schöpfe den Teich draußen mit diesem Fingerhut aus: aber ehe es Nacht wird mußt du fertig sein, und alle Fische, die in dem Wasser sind, müssen nach ihrer Art und Größe ausgesucht und nebeneinander gelegt sein.' 'Das ist eine seltsame Arbeit,' sagte der Trommler, gieng aber zu dem Teich und fieng an zu schöpfen. Er schöpfte den ganzen Morgen, aber was kann man mit einem Fingerhut bei einem großen Wasser ausrichten, und wenn man tausend Jahre schöpft? Als es Mittag war, dachte er 'es ist alles umsonst, und ist einerlei ob ich arbeite oder nicht,' hielt ein, und setzte sich nieder. Da kam ein Mädchen aus dem Haus gegangen, stellte ihm ein Körbchen mit Essen hin, und sprach 'du sitzest da so traurig, was fehlt dir?' Er blickte es an und sah daß es wunderschön war. 'Ach,' sagte er, 'ich kann die erste Arbeit nicht vollbringen, wie wird es mit den andern werden? Jch bin ausgegangen eine Königstochter zu suchen, die hier wohnen soll, aber ich habe sie nicht gefunden; ich will weiter gehen.' 'Bleib hier,' sagte das Mädchen, 'ich will dir aus deiner Noth helfen. Du bist müde, lege deinen Kopf in meinen Schoos und schlaf. Wenn du wieder aufwachst, so ist die Arbeit gethan.' Der Trommler ließ sich das nicht zweimal sagen. Sobald ihm die Augen zufielen, drehte sie einen Wunschring und sprach 'Wasser herauf, Fische heraus.' Alsbald stieg das Wasser wie ein weißer Nebel in die Höhe und zog mit den andern Wolken fort, und die Fische schnalzten, sprangen ans Ufer, und legten sich nebeneinander, jeder nach seiner Größe und Art. Als der Trommler erwachte, sah er mit Erstaunen daß alles vollbracht war. Aber das Mädchen sprach 'einer von den Fischen liegt nicht bei seinesgleichen, sondern ganz allein. Wenn die Alte heute

ließ ihn ein, gab ihm Essen und Abends ein gutes Bett. Am Morgen als er ausgeschlafen hatte, nahm die Alte einen Fingerhut von ihrem dürren Finger, reichte ihn dem Trommler hin, und sagte ‘jetzt geh an die Arbeit und schöpfe den Teich draußen mit diesem Fingerhut aus: aber ehe es Nacht wird mußt du fertig sein, und alle Fische, die in dem Wasser sind, müssen nach ihrer Art und Größe ausgesucht und nebeneinander gelegt sein.’ ‘Das ist eine seltsame Arbeit,’ sagte der Trommler, gieng aber zu dem Teich und fieng an zu schöpfen. Er schöpfte den ganzen Morgen, aber was kann man mit einem Fingerhut bei einem großen Wasser ausrichten, und wenn man tausend Jahre schöpft? Als es Mittag war, dachte er ‘es ist alles umsonst, und ist einerlei ob ich arbeite oder nicht,’ hielt ein, und setzte sich nieder. Da kam ein Mädchen aus dem Haus gegangen, stellte ihm ein Körbchen mit Essen hin, und sprach ‘du sitzest da so traurig, was fehlt dir?’ Er blickte es an und sah daß es wunderschön war. ‘Ach,’ sagte er, ‘ich kann die erste Arbeit nicht vollbringen, wie wird es mit den andern werden? Jch bin ausgegangen eine Königstochter zu suchen, die hier wohnen soll, aber ich habe sie nicht gefunden; ich will weiter gehen.’ ‘Bleib hier,’ sagte das Mädchen, ‘ich will dir aus deiner Noth helfen. Du bist müde, lege deinen Kopf in meinen Schoos und schlaf. Wenn du wieder aufwachst, so ist die Arbeit gethan.’ Der Trommler ließ sich das nicht zweimal sagen. Sobald ihm die Augen zufielen, drehte sie einen Wunschring und sprach ‘Wasser herauf, Fische heraus.’ Alsbald stieg das Wasser wie ein weißer Nebel in die Höhe und zog mit den andern Wolken fort, und die Fische schnalzten, sprangen ans Ufer, und legten sich nebeneinander, jeder nach seiner Größe und Art. Als der Trommler erwachte, sah er mit Erstaunen daß alles vollbracht war. Aber das Mädchen sprach ‘einer von den Fischen liegt nicht bei seinesgleichen, sondern ganz allein. Wenn die Alte heute

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0443" n="431"/>
ließ ihn ein, gab ihm Essen und Abends ein gutes Bett. Am Morgen als er ausgeschlafen hatte, nahm die Alte einen Fingerhut von ihrem dürren Finger, reichte ihn dem Trommler hin, und sagte &#x2018;jetzt geh an die Arbeit und schöpfe den Teich draußen mit diesem Fingerhut aus: aber ehe es Nacht wird mußt du fertig sein, und alle Fische, die in dem Wasser sind, müssen nach ihrer Art und Größe ausgesucht und nebeneinander gelegt sein.&#x2019; &#x2018;Das ist eine seltsame Arbeit,&#x2019; sagte der Trommler, gieng aber zu dem Teich und fieng an zu schöpfen. Er schöpfte den ganzen Morgen, aber was kann man mit einem Fingerhut bei einem großen Wasser ausrichten, und wenn man tausend Jahre schöpft? Als es Mittag war, dachte er &#x2018;es ist alles umsonst, und ist einerlei ob ich arbeite oder nicht,&#x2019; hielt ein, und setzte sich nieder. Da kam ein Mädchen aus dem Haus gegangen, stellte ihm ein Körbchen mit Essen hin, und sprach &#x2018;du sitzest da so traurig, was fehlt dir?&#x2019; Er blickte es an und sah daß es wunderschön war. &#x2018;Ach,&#x2019; sagte er, &#x2018;ich kann die erste Arbeit nicht vollbringen, wie wird es mit den andern werden? Jch bin ausgegangen eine Königstochter zu suchen, die hier wohnen soll, aber ich habe sie nicht gefunden; ich will weiter gehen.&#x2019; &#x2018;Bleib hier,&#x2019; sagte das Mädchen, &#x2018;ich will dir aus deiner Noth helfen. Du bist müde, lege deinen Kopf in meinen Schoos und schlaf. Wenn du wieder aufwachst, so ist die Arbeit gethan.&#x2019; Der Trommler ließ sich das nicht zweimal sagen. Sobald ihm die Augen zufielen, drehte sie einen Wunschring und sprach &#x2018;Wasser herauf, Fische heraus.&#x2019; Alsbald stieg das Wasser wie ein weißer Nebel in die Höhe und zog mit den andern Wolken fort, und die Fische schnalzten, sprangen ans Ufer, und legten sich nebeneinander, jeder nach seiner Größe und Art. Als der Trommler erwachte, sah er mit Erstaunen daß alles vollbracht war. Aber das Mädchen sprach &#x2018;einer von den Fischen liegt nicht bei seinesgleichen, sondern ganz allein. Wenn die Alte heute
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[431/0443] ließ ihn ein, gab ihm Essen und Abends ein gutes Bett. Am Morgen als er ausgeschlafen hatte, nahm die Alte einen Fingerhut von ihrem dürren Finger, reichte ihn dem Trommler hin, und sagte ‘jetzt geh an die Arbeit und schöpfe den Teich draußen mit diesem Fingerhut aus: aber ehe es Nacht wird mußt du fertig sein, und alle Fische, die in dem Wasser sind, müssen nach ihrer Art und Größe ausgesucht und nebeneinander gelegt sein.’ ‘Das ist eine seltsame Arbeit,’ sagte der Trommler, gieng aber zu dem Teich und fieng an zu schöpfen. Er schöpfte den ganzen Morgen, aber was kann man mit einem Fingerhut bei einem großen Wasser ausrichten, und wenn man tausend Jahre schöpft? Als es Mittag war, dachte er ‘es ist alles umsonst, und ist einerlei ob ich arbeite oder nicht,’ hielt ein, und setzte sich nieder. Da kam ein Mädchen aus dem Haus gegangen, stellte ihm ein Körbchen mit Essen hin, und sprach ‘du sitzest da so traurig, was fehlt dir?’ Er blickte es an und sah daß es wunderschön war. ‘Ach,’ sagte er, ‘ich kann die erste Arbeit nicht vollbringen, wie wird es mit den andern werden? Jch bin ausgegangen eine Königstochter zu suchen, die hier wohnen soll, aber ich habe sie nicht gefunden; ich will weiter gehen.’ ‘Bleib hier,’ sagte das Mädchen, ‘ich will dir aus deiner Noth helfen. Du bist müde, lege deinen Kopf in meinen Schoos und schlaf. Wenn du wieder aufwachst, so ist die Arbeit gethan.’ Der Trommler ließ sich das nicht zweimal sagen. Sobald ihm die Augen zufielen, drehte sie einen Wunschring und sprach ‘Wasser herauf, Fische heraus.’ Alsbald stieg das Wasser wie ein weißer Nebel in die Höhe und zog mit den andern Wolken fort, und die Fische schnalzten, sprangen ans Ufer, und legten sich nebeneinander, jeder nach seiner Größe und Art. Als der Trommler erwachte, sah er mit Erstaunen daß alles vollbracht war. Aber das Mädchen sprach ‘einer von den Fischen liegt nicht bei seinesgleichen, sondern ganz allein. Wenn die Alte heute

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (Harvard University): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-08T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/443
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/443>, abgerufen am 24.11.2024.