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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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stellten sich neben einander in Ordnung. Auf dem Dach legten sich die Ziegeln zurecht, und als es Mittag war, drehte sich schon die große Wetterfahne wie eine goldene Jungfrau mit fliegendem Gewand auf der Spitze des Thurms. Das Jnnere des Schlosses war bis zum Abend vollendet. Wie es die Alte anfieng, weiß ich nicht, aber die Wände der Zimmer waren mit Seide und Sammet bezogen, buntgestickte Stühle standen da und reichverzierte Armsessel an Tischen von Marmor, krystallne Kronleuchter hiengen von der Bühne herab und spiegelten sich in dem glatten Boden: grüne Papageien saßen in goldenen Käfigen und fremde Vögel, die lieblich sangen: überall war eine Pracht, als wenn ein König da einziehen sollte. Die Sonne wollte eben untergehen, als das Mädchen erwachte und ihm der Glanz von tausend Lichtern entgegen leuchtete. Mit schnellen Schritten kam es heran und trat durch das geöffnete Thor in das Schloß. Die Treppe war mit rothem Tuch belegt und das goldene Geländer mit blühenden Bäumen besetzt. Als es die Pracht der Zimmer erblickte, blieb es wie erstarrt stehen. Wer weiß wie lang es so gestanden hätte, wenn ihm nicht der Gedanke an die Stiefmutter gekommen wäre. 'Ach,' sprach es zu sich selbst, 'wenn sie doch endlich zufrieden gestellt wäre und mir das Leben nicht länger zur Qual machen wollte.' Das Mädchen gieng und zeigte ihr an daß das Schloß fertig wäre. 'Gleich will ich einziehen' sagte sie und erhob sich von ihrem Sitz. Als sie in das Schloß eintrat, mußte sie die Hand vor die Augen halten, so blendete sie der Glanz. 'Siehst du,' sagte sie zu dem Mädchen, 'wie leicht dirs geworden ist, ich hätte dir etwas Schwereres aufgeben sollen.' Sie gieng durch alle Zimmer und spürte in allen Ecken ob etwas fehlte oder mangelhaft wäre, aber sie konnte nichts auffinden. 'Jetzt wollen wir hinabsteigen,' sprach sie und sah das Mädchen mit boshaften Blicken an, 'Küche und Keller muß noch untersucht werden, und hast du etwas vergessen, so sollst du deiner

stellten sich neben einander in Ordnung. Auf dem Dach legten sich die Ziegeln zurecht, und als es Mittag war, drehte sich schon die große Wetterfahne wie eine goldene Jungfrau mit fliegendem Gewand auf der Spitze des Thurms. Das Jnnere des Schlosses war bis zum Abend vollendet. Wie es die Alte anfieng, weiß ich nicht, aber die Wände der Zimmer waren mit Seide und Sammet bezogen, buntgestickte Stühle standen da und reichverzierte Armsessel an Tischen von Marmor, krystallne Kronleuchter hiengen von der Bühne herab und spiegelten sich in dem glatten Boden: grüne Papageien saßen in goldenen Käfigen und fremde Vögel, die lieblich sangen: überall war eine Pracht, als wenn ein König da einziehen sollte. Die Sonne wollte eben untergehen, als das Mädchen erwachte und ihm der Glanz von tausend Lichtern entgegen leuchtete. Mit schnellen Schritten kam es heran und trat durch das geöffnete Thor in das Schloß. Die Treppe war mit rothem Tuch belegt und das goldene Geländer mit blühenden Bäumen besetzt. Als es die Pracht der Zimmer erblickte, blieb es wie erstarrt stehen. Wer weiß wie lang es so gestanden hätte, wenn ihm nicht der Gedanke an die Stiefmutter gekommen wäre. ‘Ach,’ sprach es zu sich selbst, ‘wenn sie doch endlich zufrieden gestellt wäre und mir das Leben nicht länger zur Qual machen wollte.’ Das Mädchen gieng und zeigte ihr an daß das Schloß fertig wäre. ‘Gleich will ich einziehen’ sagte sie und erhob sich von ihrem Sitz. Als sie in das Schloß eintrat, mußte sie die Hand vor die Augen halten, so blendete sie der Glanz. ‘Siehst du,’ sagte sie zu dem Mädchen, ‘wie leicht dirs geworden ist, ich hätte dir etwas Schwereres aufgeben sollen.’ Sie gieng durch alle Zimmer und spürte in allen Ecken ob etwas fehlte oder mangelhaft wäre, aber sie konnte nichts auffinden. ‘Jetzt wollen wir hinabsteigen,’ sprach sie und sah das Mädchen mit boshaften Blicken an, ‘Küche und Keller muß noch untersucht werden, und hast du etwas vergessen, so sollst du deiner

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stellten sich neben einander in Ordnung. Auf dem Dach legten sich die Ziegeln zurecht, und als es Mittag war, drehte sich schon die große Wetterfahne wie eine goldene Jungfrau mit fliegendem Gewand auf der Spitze des Thurms. Das Jnnere des Schlosses war bis zum Abend vollendet. Wie es die Alte anfieng, weiß ich nicht, aber die Wände der Zimmer waren mit Seide und Sammet bezogen, buntgestickte Stühle standen da und reichverzierte Armsessel an Tischen von Marmor, krystallne Kronleuchter hiengen von der Bühne herab und spiegelten sich in dem glatten Boden: grüne Papageien saßen in goldenen Käfigen und fremde Vögel, die lieblich sangen: überall war eine Pracht, als wenn ein König da einziehen sollte. Die Sonne wollte eben untergehen, als das Mädchen erwachte und ihm der Glanz von tausend Lichtern entgegen leuchtete. Mit schnellen Schritten kam es heran und trat durch das geöffnete Thor in das Schloß. Die Treppe war mit rothem Tuch belegt und das goldene Geländer mit blühenden Bäumen besetzt. Als es die Pracht der Zimmer erblickte, blieb es wie erstarrt stehen. Wer weiß wie lang es so gestanden hätte, wenn ihm nicht der Gedanke an die Stiefmutter gekommen wäre. &#x2018;Ach,&#x2019; sprach es zu sich selbst, &#x2018;wenn sie doch endlich zufrieden gestellt wäre und mir das Leben nicht länger zur Qual machen wollte.&#x2019; Das Mädchen gieng und zeigte ihr an daß das Schloß fertig wäre. &#x2018;Gleich will ich einziehen&#x2019; sagte sie und erhob sich von ihrem Sitz. Als sie in das Schloß eintrat, mußte sie die Hand vor die Augen halten, so blendete sie der Glanz. &#x2018;Siehst du,&#x2019; sagte sie zu dem Mädchen, &#x2018;wie leicht dirs geworden ist, ich hätte dir etwas Schwereres aufgeben sollen.&#x2019; Sie gieng durch alle Zimmer und spürte in allen Ecken ob etwas fehlte oder mangelhaft wäre, aber sie konnte nichts auffinden. &#x2018;Jetzt wollen wir hinabsteigen,&#x2019; sprach sie und sah das Mädchen mit boshaften Blicken an, &#x2018;Küche und Keller muß noch untersucht werden, und hast du etwas vergessen, so sollst du deiner
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[398/0410] stellten sich neben einander in Ordnung. Auf dem Dach legten sich die Ziegeln zurecht, und als es Mittag war, drehte sich schon die große Wetterfahne wie eine goldene Jungfrau mit fliegendem Gewand auf der Spitze des Thurms. Das Jnnere des Schlosses war bis zum Abend vollendet. Wie es die Alte anfieng, weiß ich nicht, aber die Wände der Zimmer waren mit Seide und Sammet bezogen, buntgestickte Stühle standen da und reichverzierte Armsessel an Tischen von Marmor, krystallne Kronleuchter hiengen von der Bühne herab und spiegelten sich in dem glatten Boden: grüne Papageien saßen in goldenen Käfigen und fremde Vögel, die lieblich sangen: überall war eine Pracht, als wenn ein König da einziehen sollte. Die Sonne wollte eben untergehen, als das Mädchen erwachte und ihm der Glanz von tausend Lichtern entgegen leuchtete. Mit schnellen Schritten kam es heran und trat durch das geöffnete Thor in das Schloß. Die Treppe war mit rothem Tuch belegt und das goldene Geländer mit blühenden Bäumen besetzt. Als es die Pracht der Zimmer erblickte, blieb es wie erstarrt stehen. Wer weiß wie lang es so gestanden hätte, wenn ihm nicht der Gedanke an die Stiefmutter gekommen wäre. ‘Ach,’ sprach es zu sich selbst, ‘wenn sie doch endlich zufrieden gestellt wäre und mir das Leben nicht länger zur Qual machen wollte.’ Das Mädchen gieng und zeigte ihr an daß das Schloß fertig wäre. ‘Gleich will ich einziehen’ sagte sie und erhob sich von ihrem Sitz. Als sie in das Schloß eintrat, mußte sie die Hand vor die Augen halten, so blendete sie der Glanz. ‘Siehst du,’ sagte sie zu dem Mädchen, ‘wie leicht dirs geworden ist, ich hätte dir etwas Schwereres aufgeben sollen.’ Sie gieng durch alle Zimmer und spürte in allen Ecken ob etwas fehlte oder mangelhaft wäre, aber sie konnte nichts auffinden. ‘Jetzt wollen wir hinabsteigen,’ sprach sie und sah das Mädchen mit boshaften Blicken an, ‘Küche und Keller muß noch untersucht werden, und hast du etwas vergessen, so sollst du deiner

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/410>, abgerufen am 27.11.2024.