Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite
184.
Der Nagel.

Ein Kaufmann hatte auf der Messe gute Geschäfte gemacht, alle Waaren verkauft und seine Geldkatze mit Gold und Silber gespickt. Er wollte jetzt heimreisen und vor Einbruch der Nacht zu Haus sein. Er packte also den Mantelsack mit dem Geld auf sein Pferd und ritt fort. Zu Mittag rastete er in einer Stadt: als er weiter wollte, führte ihm der Hausknecht das Roß vor, sprach aber 'Herr, am linken Hinterfuß fehlt im Hufeisen ein Nagel.' 'Laß ihn fehlen,' erwiederte der Kaufmann, 'die sechs Stunden, die ich noch zu machen habe, wird das Eisen wohl fest halten. Jch habe Eile.' Nachmittags als er wieder abgestiegen war und dem Roß Brot geben ließ, kam der Knecht in die Stube, und sagte 'Herr, euerm Pferd fehlt am linken Hinterfuß ein Hufeisen. Soll ichs zum Schmied führen?' 'Laß es fehlen,' erwiederte der Herr, 'die paar Stunden, die noch übrig sind, wird das Pferd wohl aushalten. Jch habe Eile.' Er ritt fort, aber nicht lange, so fieng das Pferd zu hinken an. Es hinkte nicht lange, so fieng es an zu stolpern, und es stolperte nicht lange, so fiel es nieder und brach ein Bein. Der Kaufmann mußte das Pferd liegen lassen, den Mantelsack abschnallen, auf die Schulter nehmen und zu Fuß nach Haus gehen, wo er erst spät in der Nacht anlangte. 'An allem Unglück,' sprach er zu sich selbst, 'ist der verwünschte Nagel Schuld.' Eile mit Weile.



184.
Der Nagel.

Ein Kaufmann hatte auf der Messe gute Geschäfte gemacht, alle Waaren verkauft und seine Geldkatze mit Gold und Silber gespickt. Er wollte jetzt heimreisen und vor Einbruch der Nacht zu Haus sein. Er packte also den Mantelsack mit dem Geld auf sein Pferd und ritt fort. Zu Mittag rastete er in einer Stadt: als er weiter wollte, führte ihm der Hausknecht das Roß vor, sprach aber ‘Herr, am linken Hinterfuß fehlt im Hufeisen ein Nagel.’ ‘Laß ihn fehlen,’ erwiederte der Kaufmann, ‘die sechs Stunden, die ich noch zu machen habe, wird das Eisen wohl fest halten. Jch habe Eile.’ Nachmittags als er wieder abgestiegen war und dem Roß Brot geben ließ, kam der Knecht in die Stube, und sagte ‘Herr, euerm Pferd fehlt am linken Hinterfuß ein Hufeisen. Soll ichs zum Schmied führen?’ ‘Laß es fehlen,’ erwiederte der Herr, ‘die paar Stunden, die noch übrig sind, wird das Pferd wohl aushalten. Jch habe Eile.’ Er ritt fort, aber nicht lange, so fieng das Pferd zu hinken an. Es hinkte nicht lange, so fieng es an zu stolpern, und es stolperte nicht lange, so fiel es nieder und brach ein Bein. Der Kaufmann mußte das Pferd liegen lassen, den Mantelsack abschnallen, auf die Schulter nehmen und zu Fuß nach Haus gehen, wo er erst spät in der Nacht anlangte. ‘An allem Unglück,’ sprach er zu sich selbst, ‘ist der verwünschte Nagel Schuld.’ Eile mit Weile.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0402" n="390"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">184.<lb/>
Der Nagel.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>in Kaufmann hatte auf der Messe gute Geschäfte gemacht, alle Waaren verkauft und seine Geldkatze mit Gold und Silber gespickt. Er wollte jetzt heimreisen und vor Einbruch der Nacht zu Haus sein. Er packte also den Mantelsack mit dem Geld auf sein Pferd und ritt fort. Zu Mittag rastete er in einer Stadt: als er weiter wollte, führte ihm der Hausknecht das Roß vor, sprach aber &#x2018;Herr, am linken Hinterfuß fehlt im Hufeisen ein Nagel.&#x2019; &#x2018;Laß ihn fehlen,&#x2019; erwiederte der Kaufmann, &#x2018;die sechs Stunden, die ich noch zu machen habe, wird das Eisen wohl fest halten. Jch habe Eile.&#x2019; Nachmittags als er wieder abgestiegen war und dem Roß Brot geben ließ, kam der Knecht in die Stube, und sagte &#x2018;Herr, euerm Pferd fehlt am linken Hinterfuß ein Hufeisen. Soll ichs zum Schmied führen?&#x2019; &#x2018;Laß es fehlen,&#x2019; erwiederte der Herr, &#x2018;die paar Stunden, die noch übrig sind, wird das Pferd wohl aushalten. Jch habe Eile.&#x2019; Er ritt fort, aber nicht lange, so fieng das Pferd zu hinken an. Es hinkte nicht lange, so fieng es an zu stolpern, und es stolperte nicht lange, so fiel es nieder und brach ein Bein. Der Kaufmann mußte das Pferd liegen lassen, den Mantelsack abschnallen, auf die Schulter nehmen und zu Fuß nach Haus gehen, wo er erst spät in der Nacht anlangte. &#x2018;An allem Unglück,&#x2019; sprach er zu sich selbst, &#x2018;ist der verwünschte Nagel Schuld.&#x2019; Eile mit Weile.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0402] 184. Der Nagel. Ein Kaufmann hatte auf der Messe gute Geschäfte gemacht, alle Waaren verkauft und seine Geldkatze mit Gold und Silber gespickt. Er wollte jetzt heimreisen und vor Einbruch der Nacht zu Haus sein. Er packte also den Mantelsack mit dem Geld auf sein Pferd und ritt fort. Zu Mittag rastete er in einer Stadt: als er weiter wollte, führte ihm der Hausknecht das Roß vor, sprach aber ‘Herr, am linken Hinterfuß fehlt im Hufeisen ein Nagel.’ ‘Laß ihn fehlen,’ erwiederte der Kaufmann, ‘die sechs Stunden, die ich noch zu machen habe, wird das Eisen wohl fest halten. Jch habe Eile.’ Nachmittags als er wieder abgestiegen war und dem Roß Brot geben ließ, kam der Knecht in die Stube, und sagte ‘Herr, euerm Pferd fehlt am linken Hinterfuß ein Hufeisen. Soll ichs zum Schmied führen?’ ‘Laß es fehlen,’ erwiederte der Herr, ‘die paar Stunden, die noch übrig sind, wird das Pferd wohl aushalten. Jch habe Eile.’ Er ritt fort, aber nicht lange, so fieng das Pferd zu hinken an. Es hinkte nicht lange, so fieng es an zu stolpern, und es stolperte nicht lange, so fiel es nieder und brach ein Bein. Der Kaufmann mußte das Pferd liegen lassen, den Mantelsack abschnallen, auf die Schulter nehmen und zu Fuß nach Haus gehen, wo er erst spät in der Nacht anlangte. ‘An allem Unglück,’ sprach er zu sich selbst, ‘ist der verwünschte Nagel Schuld.’ Eile mit Weile.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (Harvard University): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-08T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/402
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/402>, abgerufen am 22.11.2024.