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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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war, da ließ der König alle drei Schwestern vor seinen Thron kommen. Da hättet ihr sehen sollen was die Leute für Augen machten, als die jüngste eintrat, es war als wenn die Sonne aufgieng. Der König sprach 'meine Töchter, ich weiß nicht wann mein letzter Tag kommt, ich will heute bestimmen was eine jede nach meinem Tode erhalten soll. Jhr alle habt mich lieb, aber welche mich von euch am liebsten hat, die soll das beste haben.' Jede sagte sie hätte ihn am liebsten. 'Könnt ihr mirs nicht ausdrücken,' erwiederte der König, 'wie lieb ihr mich habt? daran werde ichs sehen wie ihrs meint.' Die älteste sprach 'ich habe den Vater so lieb wie den süßesten Zucker.' Die zweite 'ich habe den Vater so lieb wie mein schönstes Kleid.' Die jüngste aber schwieg. Da fragte der Vater 'und du, mein liebstes Kind, wie lieb hast du mich?' 'Jch weiß es nicht,' antwortete sie, 'und kann meine Liebe mit nichts vergleichen.' Aber der Vater bestand darauf, sie müßte etwas nennen. Da sagte sie endlich 'die beste Speise schmeckt mir nicht ohne Salz, darum habe ich den Vater so lieb wie Salz.' Als der König das hörte, gerieth er in Zorn und sprach 'wenn du mich so liebst als Salz, so soll deine Liebe auch mit Salz belohnt werden.' Da theilte er das Reich zwischen den beiden ältesten, der jüngsten aber ließ er einen Sack mit Salz auf den Rücken binden, und zwei Knechte mußten sie hinaus in den wilden Wald führen. 'Wir haben alle für sie gefleht und gebeten,' sagte die Königin, 'aber der Zorn des Königs war nicht zu erweichen. Wie hat sie geweint, als sie uns verlassen mußte! der ganze Weg ist mit Perlen besät worden, die ihr aus den Augen geflossen sind. Den König hat bald hernach seine große Härte gereut und hat das arme Kind in dem ganzen Wald suchen lassen, aber niemand konnte sie finden. Wenn ich denke daß sie die wilden Thiere gefressen haben, so weiß ich mich vor Traurigkeit nicht zu fassen; manchmal tröste ich mich mit der Hoffnung, sie sei noch am Leben und habe sich in einer

war, da ließ der König alle drei Schwestern vor seinen Thron kommen. Da hättet ihr sehen sollen was die Leute für Augen machten, als die jüngste eintrat, es war als wenn die Sonne aufgieng. Der König sprach ‘meine Töchter, ich weiß nicht wann mein letzter Tag kommt, ich will heute bestimmen was eine jede nach meinem Tode erhalten soll. Jhr alle habt mich lieb, aber welche mich von euch am liebsten hat, die soll das beste haben.’ Jede sagte sie hätte ihn am liebsten. ‘Könnt ihr mirs nicht ausdrücken,’ erwiederte der König, ‘wie lieb ihr mich habt? daran werde ichs sehen wie ihrs meint.’ Die älteste sprach ‘ich habe den Vater so lieb wie den süßesten Zucker.’ Die zweite ‘ich habe den Vater so lieb wie mein schönstes Kleid.’ Die jüngste aber schwieg. Da fragte der Vater ‘und du, mein liebstes Kind, wie lieb hast du mich?’ ‘Jch weiß es nicht,’ antwortete sie, ‘und kann meine Liebe mit nichts vergleichen.’ Aber der Vater bestand darauf, sie müßte etwas nennen. Da sagte sie endlich ‘die beste Speise schmeckt mir nicht ohne Salz, darum habe ich den Vater so lieb wie Salz.’ Als der König das hörte, gerieth er in Zorn und sprach ‘wenn du mich so liebst als Salz, so soll deine Liebe auch mit Salz belohnt werden.’ Da theilte er das Reich zwischen den beiden ältesten, der jüngsten aber ließ er einen Sack mit Salz auf den Rücken binden, und zwei Knechte mußten sie hinaus in den wilden Wald führen. ‘Wir haben alle für sie gefleht und gebeten,’ sagte die Königin, ‘aber der Zorn des Königs war nicht zu erweichen. Wie hat sie geweint, als sie uns verlassen mußte! der ganze Weg ist mit Perlen besät worden, die ihr aus den Augen geflossen sind. Den König hat bald hernach seine große Härte gereut und hat das arme Kind in dem ganzen Wald suchen lassen, aber niemand konnte sie finden. Wenn ich denke daß sie die wilden Thiere gefressen haben, so weiß ich mich vor Traurigkeit nicht zu fassen; manchmal tröste ich mich mit der Hoffnung, sie sei noch am Leben und habe sich in einer

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[367/0379] war, da ließ der König alle drei Schwestern vor seinen Thron kommen. Da hättet ihr sehen sollen was die Leute für Augen machten, als die jüngste eintrat, es war als wenn die Sonne aufgieng. Der König sprach ‘meine Töchter, ich weiß nicht wann mein letzter Tag kommt, ich will heute bestimmen was eine jede nach meinem Tode erhalten soll. Jhr alle habt mich lieb, aber welche mich von euch am liebsten hat, die soll das beste haben.’ Jede sagte sie hätte ihn am liebsten. ‘Könnt ihr mirs nicht ausdrücken,’ erwiederte der König, ‘wie lieb ihr mich habt? daran werde ichs sehen wie ihrs meint.’ Die älteste sprach ‘ich habe den Vater so lieb wie den süßesten Zucker.’ Die zweite ‘ich habe den Vater so lieb wie mein schönstes Kleid.’ Die jüngste aber schwieg. Da fragte der Vater ‘und du, mein liebstes Kind, wie lieb hast du mich?’ ‘Jch weiß es nicht,’ antwortete sie, ‘und kann meine Liebe mit nichts vergleichen.’ Aber der Vater bestand darauf, sie müßte etwas nennen. Da sagte sie endlich ‘die beste Speise schmeckt mir nicht ohne Salz, darum habe ich den Vater so lieb wie Salz.’ Als der König das hörte, gerieth er in Zorn und sprach ‘wenn du mich so liebst als Salz, so soll deine Liebe auch mit Salz belohnt werden.’ Da theilte er das Reich zwischen den beiden ältesten, der jüngsten aber ließ er einen Sack mit Salz auf den Rücken binden, und zwei Knechte mußten sie hinaus in den wilden Wald führen. ‘Wir haben alle für sie gefleht und gebeten,’ sagte die Königin, ‘aber der Zorn des Königs war nicht zu erweichen. Wie hat sie geweint, als sie uns verlassen mußte! der ganze Weg ist mit Perlen besät worden, die ihr aus den Augen geflossen sind. Den König hat bald hernach seine große Härte gereut und hat das arme Kind in dem ganzen Wald suchen lassen, aber niemand konnte sie finden. Wenn ich denke daß sie die wilden Thiere gefressen haben, so weiß ich mich vor Traurigkeit nicht zu fassen; manchmal tröste ich mich mit der Hoffnung, sie sei noch am Leben und habe sich in einer

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/379>, abgerufen am 25.11.2024.