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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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bohrte ein Loch in den Mond, zog ein Seil hindurch und ließ ihn herab. Als die glänzende Kugel auf dem Wagen lag, deckten sie ein Tuch darüber, damit niemand den Raub bemerken sollte. Sie brachten ihn glücklich in ihr Land und stellten ihn auf eine hohe Eiche. Alte und junge freuten sich, als die neue Lampe ihr Licht über alle Felder leuchten ließ und Stuben und Kammern damit erfüllte. Die Zwerge kamen aus den Felsenhöhlen hervor, und die kleinen Wichtelmänner tanzten in ihren rothen Röckchen auf den Wiesen den Ringeltanz.

Die vier versorgten den Mond mit Öl, putzten den Dacht und erhielten wöchentlich ihren Thaler. Aber sie wurden alte Greise, und als der eine erkrankte und seinen Tod voraus sah, verordnete er daß der vierte Theil des Mondes als sein Eigenthum ihm mit in das Grab sollte gegeben werden. Als er gestorben war, stieg der Schultheiß auf den Baum und schnitt mit der Heckenscheere ein Viertel ab, das in den Sarg gelegt ward. Das Licht des Mondes nahm ab, aber noch nicht merklich. Als der zweite starb, ward ihm das zweite Viertel mitgegeben und das Licht minderte sich. Noch schwächer ward es nach dem Tod des dritten, der gleichfalls seinen Theil mitnahm, und als der vierte ins Grab kam, trat die alte Finsternis wieder ein. Wenn die Leute Abends ohne Laterne ausgiengen, stießen sie mit den Köpfen zusammen.

Als aber die Theile des Monds in der Unterwelt sich wieder vereinigten, so wurden dort, wo immer Dunkelheit geherrscht hatte, die Todten unruhig und erwachten aus ihrem Schlaf. Sie erstaunten als sie wieder sehen konnten: das Mondlicht war ihnen genug, denn ihre Augen waren so schwach geworden, daß sie den Glanz der Sonne nicht ertragen hätten. Sie erhoben sich, wurden lustig und nahmen ihre alte Lebensweise wieder an. Ein Theil gieng zum Spiel und Tanz, andere liefen in die Wirthshäuser, wo sie Wein forderten, sich betranken, tobten und zankten,

bohrte ein Loch in den Mond, zog ein Seil hindurch und ließ ihn herab. Als die glänzende Kugel auf dem Wagen lag, deckten sie ein Tuch darüber, damit niemand den Raub bemerken sollte. Sie brachten ihn glücklich in ihr Land und stellten ihn auf eine hohe Eiche. Alte und junge freuten sich, als die neue Lampe ihr Licht über alle Felder leuchten ließ und Stuben und Kammern damit erfüllte. Die Zwerge kamen aus den Felsenhöhlen hervor, und die kleinen Wichtelmänner tanzten in ihren rothen Röckchen auf den Wiesen den Ringeltanz.

Die vier versorgten den Mond mit Öl, putzten den Dacht und erhielten wöchentlich ihren Thaler. Aber sie wurden alte Greise, und als der eine erkrankte und seinen Tod voraus sah, verordnete er daß der vierte Theil des Mondes als sein Eigenthum ihm mit in das Grab sollte gegeben werden. Als er gestorben war, stieg der Schultheiß auf den Baum und schnitt mit der Heckenscheere ein Viertel ab, das in den Sarg gelegt ward. Das Licht des Mondes nahm ab, aber noch nicht merklich. Als der zweite starb, ward ihm das zweite Viertel mitgegeben und das Licht minderte sich. Noch schwächer ward es nach dem Tod des dritten, der gleichfalls seinen Theil mitnahm, und als der vierte ins Grab kam, trat die alte Finsternis wieder ein. Wenn die Leute Abends ohne Laterne ausgiengen, stießen sie mit den Köpfen zusammen.

Als aber die Theile des Monds in der Unterwelt sich wieder vereinigten, so wurden dort, wo immer Dunkelheit geherrscht hatte, die Todten unruhig und erwachten aus ihrem Schlaf. Sie erstaunten als sie wieder sehen konnten: das Mondlicht war ihnen genug, denn ihre Augen waren so schwach geworden, daß sie den Glanz der Sonne nicht ertragen hätten. Sie erhoben sich, wurden lustig und nahmen ihre alte Lebensweise wieder an. Ein Theil gieng zum Spiel und Tanz, andere liefen in die Wirthshäuser, wo sie Wein forderten, sich betranken, tobten und zankten,

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[352/0364] bohrte ein Loch in den Mond, zog ein Seil hindurch und ließ ihn herab. Als die glänzende Kugel auf dem Wagen lag, deckten sie ein Tuch darüber, damit niemand den Raub bemerken sollte. Sie brachten ihn glücklich in ihr Land und stellten ihn auf eine hohe Eiche. Alte und junge freuten sich, als die neue Lampe ihr Licht über alle Felder leuchten ließ und Stuben und Kammern damit erfüllte. Die Zwerge kamen aus den Felsenhöhlen hervor, und die kleinen Wichtelmänner tanzten in ihren rothen Röckchen auf den Wiesen den Ringeltanz. Die vier versorgten den Mond mit Öl, putzten den Dacht und erhielten wöchentlich ihren Thaler. Aber sie wurden alte Greise, und als der eine erkrankte und seinen Tod voraus sah, verordnete er daß der vierte Theil des Mondes als sein Eigenthum ihm mit in das Grab sollte gegeben werden. Als er gestorben war, stieg der Schultheiß auf den Baum und schnitt mit der Heckenscheere ein Viertel ab, das in den Sarg gelegt ward. Das Licht des Mondes nahm ab, aber noch nicht merklich. Als der zweite starb, ward ihm das zweite Viertel mitgegeben und das Licht minderte sich. Noch schwächer ward es nach dem Tod des dritten, der gleichfalls seinen Theil mitnahm, und als der vierte ins Grab kam, trat die alte Finsternis wieder ein. Wenn die Leute Abends ohne Laterne ausgiengen, stießen sie mit den Köpfen zusammen. Als aber die Theile des Monds in der Unterwelt sich wieder vereinigten, so wurden dort, wo immer Dunkelheit geherrscht hatte, die Todten unruhig und erwachten aus ihrem Schlaf. Sie erstaunten als sie wieder sehen konnten: das Mondlicht war ihnen genug, denn ihre Augen waren so schwach geworden, daß sie den Glanz der Sonne nicht ertragen hätten. Sie erhoben sich, wurden lustig und nahmen ihre alte Lebensweise wieder an. Ein Theil gieng zum Spiel und Tanz, andere liefen in die Wirthshäuser, wo sie Wein forderten, sich betranken, tobten und zankten,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/364>, abgerufen am 25.11.2024.