Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

in ein altes verlassenes Schloß, stiegen hinauf und legten sich in den Saal schlafen. Am andern Morgen gieng Hans hinab in den Garten, der war ganz verwildert und stand voll Dörner und Gebüsch. Und wie er so herum gieng, sprang ein Wildschwein auf ihn los: er gab ihm aber mit seinem Stab einen Schlag daß es gleich niederfiel. Dann nahm er es auf die Schulter und brachte es hinauf; da steckten sie es an einen Spieß, machten sich einen Braten zurecht und waren guter Dinge. Nun verabredeten sie daß jeden Tag, der Reihe nach zwei auf die Jagd gehen sollten und einer daheim bleiben und kochen, für jeden neun Pfund Fleisch. Den ersten Tag blieb der Tannendreher daheim und Hans und der Felsenklipperer giengen auf die Jagd. Als der Tannendreher beim Kochen beschäftigt war, kam ein kleines altes zusammengeschrumpeltes Männchen zu ihm auf das Schloß, und forderte Fleisch. 'Pack dich, Duckmäuser,' antwortete er, 'du brauchst kein Fleisch.' Aber wie verwunderte sich der Tannendreher, als das kleine unscheinbare Männlein an ihm hinauf sprang und mit Fäusten so auf ihn losschlug, daß er sich nicht wehren konnte, zur Erde fiel und nach Athem schnappte. Das Männlein gieng nicht eher fort, als bis es seinen Zorn völlig an ihm ausgelassen hatte. Als die zwei andern von der Jagd heimkamen, sagte ihnen der Tannendreher nichts von dem alten Männchen und den Schlägen, die er bekommen hatte und dachte 'wenn sie daheim bleiben, so können sies auch einmal mit der kleinen Kratzbürste versuchen,' und der bloße Gedanke machte ihm schon Vergnügen. Den folgenden Tag blieb der Steinklipperer daheim, und dem gieng es gerade so wie dem Tannendreher, er ward von dem Männlein übel zugerichtet, weil er ihm kein Fleisch hatte geben wollen. Als die andern Abends nach Haus kamen, sah es ihm der Tannendreher wohl an was er erfahren hatte, aber beide schwiegen still und dachten 'der Hans muß auch von der Suppe kosten.' Der Hans, der den nächsten

in ein altes verlassenes Schloß, stiegen hinauf und legten sich in den Saal schlafen. Am andern Morgen gieng Hans hinab in den Garten, der war ganz verwildert und stand voll Dörner und Gebüsch. Und wie er so herum gieng, sprang ein Wildschwein auf ihn los: er gab ihm aber mit seinem Stab einen Schlag daß es gleich niederfiel. Dann nahm er es auf die Schulter und brachte es hinauf; da steckten sie es an einen Spieß, machten sich einen Braten zurecht und waren guter Dinge. Nun verabredeten sie daß jeden Tag, der Reihe nach zwei auf die Jagd gehen sollten und einer daheim bleiben und kochen, für jeden neun Pfund Fleisch. Den ersten Tag blieb der Tannendreher daheim und Hans und der Felsenklipperer giengen auf die Jagd. Als der Tannendreher beim Kochen beschäftigt war, kam ein kleines altes zusammengeschrumpeltes Männchen zu ihm auf das Schloß, und forderte Fleisch. ‘Pack dich, Duckmäuser,’ antwortete er, ‘du brauchst kein Fleisch.’ Aber wie verwunderte sich der Tannendreher, als das kleine unscheinbare Männlein an ihm hinauf sprang und mit Fäusten so auf ihn losschlug, daß er sich nicht wehren konnte, zur Erde fiel und nach Athem schnappte. Das Männlein gieng nicht eher fort, als bis es seinen Zorn völlig an ihm ausgelassen hatte. Als die zwei andern von der Jagd heimkamen, sagte ihnen der Tannendreher nichts von dem alten Männchen und den Schlägen, die er bekommen hatte und dachte ‘wenn sie daheim bleiben, so können sies auch einmal mit der kleinen Kratzbürste versuchen,’ und der bloße Gedanke machte ihm schon Vergnügen. Den folgenden Tag blieb der Steinklipperer daheim, und dem gieng es gerade so wie dem Tannendreher, er ward von dem Männlein übel zugerichtet, weil er ihm kein Fleisch hatte geben wollen. Als die andern Abends nach Haus kamen, sah es ihm der Tannendreher wohl an was er erfahren hatte, aber beide schwiegen still und dachten ‘der Hans muß auch von der Suppe kosten.’ Der Hans, der den nächsten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0339" n="327"/>
in ein altes verlassenes Schloß, stiegen hinauf und legten sich in den Saal schlafen. Am andern Morgen gieng Hans hinab in den Garten, der war ganz verwildert und stand voll Dörner und Gebüsch. Und wie er so herum gieng, sprang ein Wildschwein auf ihn los: er gab ihm aber mit seinem Stab einen Schlag daß es gleich niederfiel. Dann nahm er es auf die Schulter und brachte es hinauf; da steckten sie es an einen Spieß, machten sich einen Braten zurecht und waren guter Dinge. Nun verabredeten sie daß jeden Tag, der Reihe nach zwei auf die Jagd gehen sollten und einer daheim bleiben und kochen, für jeden neun Pfund Fleisch. Den ersten Tag blieb der Tannendreher daheim und Hans und der Felsenklipperer giengen auf die Jagd. Als der Tannendreher beim Kochen beschäftigt war, kam ein kleines altes zusammengeschrumpeltes Männchen zu ihm auf das Schloß, und forderte Fleisch. &#x2018;Pack dich, Duckmäuser,&#x2019; antwortete er, &#x2018;du brauchst kein Fleisch.&#x2019; Aber wie verwunderte sich der Tannendreher, als das kleine unscheinbare Männlein an ihm hinauf sprang und mit Fäusten so auf ihn losschlug, daß er sich nicht wehren konnte, zur Erde fiel und nach Athem schnappte. Das Männlein gieng nicht eher fort, als bis es seinen Zorn völlig an ihm ausgelassen hatte. Als die zwei andern von der Jagd heimkamen, sagte ihnen der Tannendreher nichts von dem alten Männchen und den Schlägen, die er bekommen hatte und dachte &#x2018;wenn sie daheim bleiben, so können sies auch einmal mit der kleinen Kratzbürste versuchen,&#x2019; und der bloße Gedanke machte ihm schon Vergnügen. Den folgenden Tag blieb der Steinklipperer daheim, und dem gieng es gerade so wie dem Tannendreher, er ward von dem Männlein übel zugerichtet, weil er ihm kein Fleisch hatte geben wollen. Als die andern Abends nach Haus kamen, sah es ihm der Tannendreher wohl an was er erfahren hatte, aber beide schwiegen still und dachten &#x2018;der Hans muß auch von der Suppe kosten.&#x2019; Der Hans, der den nächsten
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0339] in ein altes verlassenes Schloß, stiegen hinauf und legten sich in den Saal schlafen. Am andern Morgen gieng Hans hinab in den Garten, der war ganz verwildert und stand voll Dörner und Gebüsch. Und wie er so herum gieng, sprang ein Wildschwein auf ihn los: er gab ihm aber mit seinem Stab einen Schlag daß es gleich niederfiel. Dann nahm er es auf die Schulter und brachte es hinauf; da steckten sie es an einen Spieß, machten sich einen Braten zurecht und waren guter Dinge. Nun verabredeten sie daß jeden Tag, der Reihe nach zwei auf die Jagd gehen sollten und einer daheim bleiben und kochen, für jeden neun Pfund Fleisch. Den ersten Tag blieb der Tannendreher daheim und Hans und der Felsenklipperer giengen auf die Jagd. Als der Tannendreher beim Kochen beschäftigt war, kam ein kleines altes zusammengeschrumpeltes Männchen zu ihm auf das Schloß, und forderte Fleisch. ‘Pack dich, Duckmäuser,’ antwortete er, ‘du brauchst kein Fleisch.’ Aber wie verwunderte sich der Tannendreher, als das kleine unscheinbare Männlein an ihm hinauf sprang und mit Fäusten so auf ihn losschlug, daß er sich nicht wehren konnte, zur Erde fiel und nach Athem schnappte. Das Männlein gieng nicht eher fort, als bis es seinen Zorn völlig an ihm ausgelassen hatte. Als die zwei andern von der Jagd heimkamen, sagte ihnen der Tannendreher nichts von dem alten Männchen und den Schlägen, die er bekommen hatte und dachte ‘wenn sie daheim bleiben, so können sies auch einmal mit der kleinen Kratzbürste versuchen,’ und der bloße Gedanke machte ihm schon Vergnügen. Den folgenden Tag blieb der Steinklipperer daheim, und dem gieng es gerade so wie dem Tannendreher, er ward von dem Männlein übel zugerichtet, weil er ihm kein Fleisch hatte geben wollen. Als die andern Abends nach Haus kamen, sah es ihm der Tannendreher wohl an was er erfahren hatte, aber beide schwiegen still und dachten ‘der Hans muß auch von der Suppe kosten.’ Der Hans, der den nächsten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (Harvard University): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-08T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/339
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/339>, abgerufen am 19.12.2024.