Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.Reisenden erblickte, richtete sich in die Höhe und sprach 'wenn ihr jemand braucht, so nehmt mich in eure Dienste.' Der Königssohn antwortete 'was soll ich mit einem so ungefügen Mann anfangen?' 'O,' sprach der Dicke, 'das will nichts sagen, wenn ich mich recht aus einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick.' 'Wenn das ist,' sagte der Königssohn, 'so kann ich dich brauchen, komm mit mir.' Da gieng der Dicke hinter dem Königssohn her, und über eine Weile fanden sie einen andern, der lag da auf der Erde und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. Fragte der Königssohn 'was machst du da?' 'Jch horche,' antwortete der Mann. 'Wonach horchst du so aufmerksam?' 'Jch horche nach dem was eben in der Welt sich zuträgt, denn meinen Ohren entgeht nichts, das Gras sogar hör ich wachsen.' Fragte der Königssohn 'sage mir, was hörst du am Hofe der alten Königin, welche die schöne Tochter hat?' Da antwortete er 'ich höre das Schwert sausen, das einem Freier den Kopf abschlägt.' Der Königssohn sprach 'ich kann dich brauchen, komm mit mir.' Da zogen sie weiter und sahen einmal ein paar Füße da liegen und auch etwas von den Beinen, aber das Ende konnten sie nicht sehen. Als sie eine gute Strecke fortgegangen waren, kamen sie zu dem Leib und endlich auch zu dem Kopf. 'Ei,' sprach der Königssohn, 'was bist du für ein langer Strick!' 'O,' antwortete der Lange, 'das ist noch gar nichts, wenn ich meine Gliedmaßen erst recht ausstrecke, bin ich noch dreitausendmal so lang, und bin größer als der höchste Berg auf Erden. Jch will euch gerne dienen, wenn ihr mich annehmen wollt.' 'Komm mit,' sprach der Königssohn, 'ich kann dich brauchen.' Sie zogen weiter und fanden einen am Weg sitzen, der hatte die Augen zugebunden. Sprach der Königssohn zu ihm 'hast du blöde Augen, daß du nicht in das Licht sehen kannst?' 'Nein,' antwortete der Mann, 'ich darf die Binde nicht abnehmen, denn was ich mit meinen Augen ansehe, das springt aus einander, so Reisenden erblickte, richtete sich in die Höhe und sprach ‘wenn ihr jemand braucht, so nehmt mich in eure Dienste.’ Der Königssohn antwortete ‘was soll ich mit einem so ungefügen Mann anfangen?’ ‘O,’ sprach der Dicke, ‘das will nichts sagen, wenn ich mich recht aus einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick.’ ‘Wenn das ist,’ sagte der Königssohn, ‘so kann ich dich brauchen, komm mit mir.’ Da gieng der Dicke hinter dem Königssohn her, und über eine Weile fanden sie einen andern, der lag da auf der Erde und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. Fragte der Königssohn ‘was machst du da?’ ‘Jch horche,’ antwortete der Mann. ‘Wonach horchst du so aufmerksam?’ ‘Jch horche nach dem was eben in der Welt sich zuträgt, denn meinen Ohren entgeht nichts, das Gras sogar hör ich wachsen.’ Fragte der Königssohn ‘sage mir, was hörst du am Hofe der alten Königin, welche die schöne Tochter hat?’ Da antwortete er ‘ich höre das Schwert sausen, das einem Freier den Kopf abschlägt.’ Der Königssohn sprach ‘ich kann dich brauchen, komm mit mir.’ Da zogen sie weiter und sahen einmal ein paar Füße da liegen und auch etwas von den Beinen, aber das Ende konnten sie nicht sehen. Als sie eine gute Strecke fortgegangen waren, kamen sie zu dem Leib und endlich auch zu dem Kopf. ‘Ei,’ sprach der Königssohn, ‘was bist du für ein langer Strick!’ ‘O,’ antwortete der Lange, ‘das ist noch gar nichts, wenn ich meine Gliedmaßen erst recht ausstrecke, bin ich noch dreitausendmal so lang, und bin größer als der höchste Berg auf Erden. Jch will euch gerne dienen, wenn ihr mich annehmen wollt.’ ‘Komm mit,’ sprach der Königssohn, ‘ich kann dich brauchen.’ Sie zogen weiter und fanden einen am Weg sitzen, der hatte die Augen zugebunden. Sprach der Königssohn zu ihm ‘hast du blöde Augen, daß du nicht in das Licht sehen kannst?’ ‘Nein,’ antwortete der Mann, ‘ich darf die Binde nicht abnehmen, denn was ich mit meinen Augen ansehe, das springt aus einander, so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0242" n="230"/> Reisenden erblickte, richtete sich in die Höhe und sprach ‘wenn ihr jemand braucht, so nehmt mich in eure Dienste.’ Der Königssohn antwortete ‘was soll ich mit einem so ungefügen Mann anfangen?’ ‘O,’ sprach der Dicke, ‘das will nichts sagen, wenn ich mich recht aus einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick.’ ‘Wenn das ist,’ sagte der Königssohn, ‘so kann ich dich brauchen, komm mit mir.’ Da gieng der Dicke hinter dem Königssohn her, und über eine Weile fanden sie einen andern, der lag da auf der Erde und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. Fragte der Königssohn ‘was machst du da?’ ‘Jch horche,’ antwortete der Mann. ‘Wonach horchst du so aufmerksam?’ ‘Jch horche nach dem was eben in der Welt sich zuträgt, denn meinen Ohren entgeht nichts, das Gras sogar hör ich wachsen.’ Fragte der Königssohn ‘sage mir, was hörst du am Hofe der alten Königin, welche die schöne Tochter hat?’ Da antwortete er ‘ich höre das Schwert sausen, das einem Freier den Kopf abschlägt.’ Der Königssohn sprach ‘ich kann dich brauchen, komm mit mir.’ Da zogen sie weiter und sahen einmal ein paar Füße da liegen und auch etwas von den Beinen, aber das Ende konnten sie nicht sehen. Als sie eine gute Strecke fortgegangen waren, kamen sie zu dem Leib und endlich auch zu dem Kopf. ‘Ei,’ sprach der Königssohn, ‘was bist du für ein langer Strick!’ ‘O,’ antwortete der Lange, ‘das ist noch gar nichts, wenn ich meine Gliedmaßen erst recht ausstrecke, bin ich noch dreitausendmal so lang, und bin größer als der höchste Berg auf Erden. Jch will euch gerne dienen, wenn ihr mich annehmen wollt.’ ‘Komm mit,’ sprach der Königssohn, ‘ich kann dich brauchen.’ Sie zogen weiter und fanden einen am Weg sitzen, der hatte die Augen zugebunden. Sprach der Königssohn zu ihm ‘hast du blöde Augen, daß du nicht in das Licht sehen kannst?’ ‘Nein,’ antwortete der Mann, ‘ich darf die Binde nicht abnehmen, denn was ich mit meinen Augen ansehe, das springt aus einander, so </p> </div> </body> </text> </TEI> [230/0242]
Reisenden erblickte, richtete sich in die Höhe und sprach ‘wenn ihr jemand braucht, so nehmt mich in eure Dienste.’ Der Königssohn antwortete ‘was soll ich mit einem so ungefügen Mann anfangen?’ ‘O,’ sprach der Dicke, ‘das will nichts sagen, wenn ich mich recht aus einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick.’ ‘Wenn das ist,’ sagte der Königssohn, ‘so kann ich dich brauchen, komm mit mir.’ Da gieng der Dicke hinter dem Königssohn her, und über eine Weile fanden sie einen andern, der lag da auf der Erde und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. Fragte der Königssohn ‘was machst du da?’ ‘Jch horche,’ antwortete der Mann. ‘Wonach horchst du so aufmerksam?’ ‘Jch horche nach dem was eben in der Welt sich zuträgt, denn meinen Ohren entgeht nichts, das Gras sogar hör ich wachsen.’ Fragte der Königssohn ‘sage mir, was hörst du am Hofe der alten Königin, welche die schöne Tochter hat?’ Da antwortete er ‘ich höre das Schwert sausen, das einem Freier den Kopf abschlägt.’ Der Königssohn sprach ‘ich kann dich brauchen, komm mit mir.’ Da zogen sie weiter und sahen einmal ein paar Füße da liegen und auch etwas von den Beinen, aber das Ende konnten sie nicht sehen. Als sie eine gute Strecke fortgegangen waren, kamen sie zu dem Leib und endlich auch zu dem Kopf. ‘Ei,’ sprach der Königssohn, ‘was bist du für ein langer Strick!’ ‘O,’ antwortete der Lange, ‘das ist noch gar nichts, wenn ich meine Gliedmaßen erst recht ausstrecke, bin ich noch dreitausendmal so lang, und bin größer als der höchste Berg auf Erden. Jch will euch gerne dienen, wenn ihr mich annehmen wollt.’ ‘Komm mit,’ sprach der Königssohn, ‘ich kann dich brauchen.’ Sie zogen weiter und fanden einen am Weg sitzen, der hatte die Augen zugebunden. Sprach der Königssohn zu ihm ‘hast du blöde Augen, daß du nicht in das Licht sehen kannst?’ ‘Nein,’ antwortete der Mann, ‘ich darf die Binde nicht abnehmen, denn was ich mit meinen Augen ansehe, das springt aus einander, so
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