Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite
112.
Der Dreschflegel vom Himmel.

Es zog einmal ein Bauer mit einem Paar Ochsen zum Pflügen aus. Als er auf den Acker kam, da fiengen den beiden Thieren die Hörner an zu wachsen, wuchsen fort, und als er nach Haus wollte, waren sie so groß, daß er nicht mit zum Thor hinein konnte. Zu gutem Glück kam gerade ein Metzger daher, dem überließ er sie, und schlossen sie den Handel dergestalt, daß er sollte dem Metzger ein Maß Rübsamen bringen, der wollt ihm dann für jedes Korn einen brabanter Thaler aufzählen. Das heiß ich gut verkauft! Der Bauer gieng nun heim, und trug das Maß Rübsamen auf dem Rücken herbei; unterwegs verlor er aber aus dem Sack ein Körnchen. Der Metzger bezahlte ihn wie gehandelt war richtig aus; hätte der Bauer das Korn nicht verloren, so hätte er einen brabanter Thaler mehr gehabt. Jndessen, wie er wieder des Wegs zurück kam, war aus dem Korn ein Baum gewachsen, der reichte bis an den Himmel. Da dachte der Bauer 'weil die Gelegenheit da ist, mußt du doch sehen, was die Engel da droben machen, und ihnen einmal unter die Augen gucken.' Also stieg er hinauf und sah daß die Engel oben Hafer droschen und schaute das mit an; wie er so schaute, merkte er, daß der Baum, worauf er stand, anfieng zu wackeln, guckte hinunter und sah daß ihn eben einer umhauen wollte. 'Wenn du da herab stürztest, das wär ein böses Ding' dachte er, und in der Noth wußt er sich nicht besser zu helfen, als daß er die Spreu vom Hafer nahm, die haufenweis da lag, und daraus einen

112.
Der Dreschflegel vom Himmel.

Es zog einmal ein Bauer mit einem Paar Ochsen zum Pflügen aus. Als er auf den Acker kam, da fiengen den beiden Thieren die Hörner an zu wachsen, wuchsen fort, und als er nach Haus wollte, waren sie so groß, daß er nicht mit zum Thor hinein konnte. Zu gutem Glück kam gerade ein Metzger daher, dem überließ er sie, und schlossen sie den Handel dergestalt, daß er sollte dem Metzger ein Maß Rübsamen bringen, der wollt ihm dann für jedes Korn einen brabanter Thaler aufzählen. Das heiß ich gut verkauft! Der Bauer gieng nun heim, und trug das Maß Rübsamen auf dem Rücken herbei; unterwegs verlor er aber aus dem Sack ein Körnchen. Der Metzger bezahlte ihn wie gehandelt war richtig aus; hätte der Bauer das Korn nicht verloren, so hätte er einen brabanter Thaler mehr gehabt. Jndessen, wie er wieder des Wegs zurück kam, war aus dem Korn ein Baum gewachsen, der reichte bis an den Himmel. Da dachte der Bauer ‘weil die Gelegenheit da ist, mußt du doch sehen, was die Engel da droben machen, und ihnen einmal unter die Augen gucken.’ Also stieg er hinauf und sah daß die Engel oben Hafer droschen und schaute das mit an; wie er so schaute, merkte er, daß der Baum, worauf er stand, anfieng zu wackeln, guckte hinunter und sah daß ihn eben einer umhauen wollte. ‘Wenn du da herab stürztest, das wär ein böses Ding’ dachte er, und in der Noth wußt er sich nicht besser zu helfen, als daß er die Spreu vom Hafer nahm, die haufenweis da lag, und daraus einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0145" n="133"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">112.<lb/>
Der Dreschflegel vom Himmel.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s zog einmal ein Bauer mit einem Paar Ochsen zum Pflügen aus. Als er auf den Acker kam, da fiengen den beiden Thieren die Hörner an zu wachsen, wuchsen fort, und als er nach Haus wollte, waren sie so groß, daß er nicht mit zum Thor hinein konnte. Zu gutem Glück kam gerade ein Metzger daher, dem überließ er sie, und schlossen sie den Handel dergestalt, daß er sollte dem Metzger ein Maß Rübsamen bringen, der wollt ihm dann für jedes Korn einen brabanter Thaler aufzählen. Das heiß ich gut verkauft! Der Bauer gieng nun heim, und trug das Maß Rübsamen auf dem Rücken herbei; unterwegs verlor er aber aus dem Sack ein Körnchen. Der Metzger bezahlte ihn wie gehandelt war richtig aus; hätte der Bauer das Korn nicht verloren, so hätte er einen brabanter Thaler mehr gehabt. Jndessen, wie er wieder des Wegs zurück kam, war aus dem Korn ein Baum gewachsen, der reichte bis an den Himmel. Da dachte der Bauer &#x2018;weil die Gelegenheit da ist, mußt du doch sehen, was die Engel da droben machen, und ihnen einmal unter die Augen gucken.&#x2019; Also stieg er hinauf und sah daß die Engel oben Hafer droschen und schaute das mit an; wie er so schaute, merkte er, daß der Baum, worauf er stand, anfieng zu wackeln, guckte hinunter und sah daß ihn eben einer umhauen wollte. &#x2018;Wenn du da herab stürztest, das wär ein böses Ding&#x2019; dachte er, und in der Noth wußt er sich nicht besser zu helfen, als daß er die Spreu vom Hafer nahm, die haufenweis da lag, und daraus einen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0145] 112. Der Dreschflegel vom Himmel. Es zog einmal ein Bauer mit einem Paar Ochsen zum Pflügen aus. Als er auf den Acker kam, da fiengen den beiden Thieren die Hörner an zu wachsen, wuchsen fort, und als er nach Haus wollte, waren sie so groß, daß er nicht mit zum Thor hinein konnte. Zu gutem Glück kam gerade ein Metzger daher, dem überließ er sie, und schlossen sie den Handel dergestalt, daß er sollte dem Metzger ein Maß Rübsamen bringen, der wollt ihm dann für jedes Korn einen brabanter Thaler aufzählen. Das heiß ich gut verkauft! Der Bauer gieng nun heim, und trug das Maß Rübsamen auf dem Rücken herbei; unterwegs verlor er aber aus dem Sack ein Körnchen. Der Metzger bezahlte ihn wie gehandelt war richtig aus; hätte der Bauer das Korn nicht verloren, so hätte er einen brabanter Thaler mehr gehabt. Jndessen, wie er wieder des Wegs zurück kam, war aus dem Korn ein Baum gewachsen, der reichte bis an den Himmel. Da dachte der Bauer ‘weil die Gelegenheit da ist, mußt du doch sehen, was die Engel da droben machen, und ihnen einmal unter die Augen gucken.’ Also stieg er hinauf und sah daß die Engel oben Hafer droschen und schaute das mit an; wie er so schaute, merkte er, daß der Baum, worauf er stand, anfieng zu wackeln, guckte hinunter und sah daß ihn eben einer umhauen wollte. ‘Wenn du da herab stürztest, das wär ein böses Ding’ dachte er, und in der Noth wußt er sich nicht besser zu helfen, als daß er die Spreu vom Hafer nahm, die haufenweis da lag, und daraus einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (Harvard University): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-08T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/145
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/145>, abgerufen am 23.11.2024.