Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.grausam mächtige Stimme! wenns doch mein wäre! wer ihm doch Salz auf den Schwanz streuen könnte!' 'Wenns weiter nichts ist,' sprach der Knecht, 'der Vogel soll bald herunter sein,' legte an und traf aufs Haar, und der Vogel fiel herab in die Dornhecken. 'Geh, Spitzbub,' sagte er zum Juden, 'und hol dir den Vogel heraus.' 'Mein,' sprach der Jude, 'laß der Herr den Bub weg, so kommt ein Hund gelaufen; ich will mir den Vogel auflesen, weil ihr ihn doch einmal getroffen habt,' legte sich auf die Erde und fieng an sich in den Busch hinein zu arbeiten. Wie er nun mitten in dem Dorn steckte, plagte der Muthwille den guten Knecht, daß er seine Fidel abnahm und anfieng zu geigen. Gleich fieng auch der Jude an die Beine zu heben und in die Höhe zu springen: und je mehr der Knecht strich, desto besser gieng der Tanz. Aber die Dörner zerrissen ihm den schäbigen Rock, kämmten ihm den Ziegenbart und stachen und zwickten ihn am ganzen Leib. 'Mein,' rief der Jude, 'was soll mir das Geigen! laß der Herr das Geigen, ich begehre nicht zu tanzen.' Aber der Knecht hörte nicht darauf und dachte 'du hast die Leute genug geschunden, nun soll dirs die Dornhecke nicht besser machen,' und fieng von neuem an zu geigen, daß der Jude immer höher aufspringen mußte, und die Fetzen von seinem Rock an den Stacheln hängen blieben. 'Au weih geschrien!' rief der Jude, 'geb ich doch dem Herrn, was er verlangt, wenn er nur das Geigen läßt, einen ganzen Beutel mit Gold.' 'Wenn du so spendabel bist,' sprach der Knecht, 'so will ich wohl mit meiner Musik aufhören, aber das muß ich dir nachrühmen, du machst deinen Tanz noch mit, daß es eine Art hat;' nahm darauf den Beutel und gieng seiner Wege. Der Jude blieb stehen und sah ihm nach und war still bis der Knecht weit weg und ihm ganz aus den Augen war, dann schrie er aus Leibeskräften, 'du miserabler Musikant, du Bierfiedler: wart, wenn ich dich allein erwische! ich will dich jagen, grausam mächtige Stimme! wenns doch mein wäre! wer ihm doch Salz auf den Schwanz streuen könnte!’ ‘Wenns weiter nichts ist,’ sprach der Knecht, ‘der Vogel soll bald herunter sein,’ legte an und traf aufs Haar, und der Vogel fiel herab in die Dornhecken. ‘Geh, Spitzbub,’ sagte er zum Juden, ‘und hol dir den Vogel heraus.’ ‘Mein,’ sprach der Jude, ‘laß der Herr den Bub weg, so kommt ein Hund gelaufen; ich will mir den Vogel auflesen, weil ihr ihn doch einmal getroffen habt,’ legte sich auf die Erde und fieng an sich in den Busch hinein zu arbeiten. Wie er nun mitten in dem Dorn steckte, plagte der Muthwille den guten Knecht, daß er seine Fidel abnahm und anfieng zu geigen. Gleich fieng auch der Jude an die Beine zu heben und in die Höhe zu springen: und je mehr der Knecht strich, desto besser gieng der Tanz. Aber die Dörner zerrissen ihm den schäbigen Rock, kämmten ihm den Ziegenbart und stachen und zwickten ihn am ganzen Leib. ‘Mein,’ rief der Jude, ‘was soll mir das Geigen! laß der Herr das Geigen, ich begehre nicht zu tanzen.’ Aber der Knecht hörte nicht darauf und dachte ‘du hast die Leute genug geschunden, nun soll dirs die Dornhecke nicht besser machen,’ und fieng von neuem an zu geigen, daß der Jude immer höher aufspringen mußte, und die Fetzen von seinem Rock an den Stacheln hängen blieben. ‘Au weih geschrien!’ rief der Jude, ‘geb ich doch dem Herrn, was er verlangt, wenn er nur das Geigen läßt, einen ganzen Beutel mit Gold.’ ‘Wenn du so spendabel bist,’ sprach der Knecht, ‘so will ich wohl mit meiner Musik aufhören, aber das muß ich dir nachrühmen, du machst deinen Tanz noch mit, daß es eine Art hat;’ nahm darauf den Beutel und gieng seiner Wege. Der Jude blieb stehen und sah ihm nach und war still bis der Knecht weit weg und ihm ganz aus den Augen war, dann schrie er aus Leibeskräften, ‘du miserabler Musikant, du Bierfiedler: wart, wenn ich dich allein erwische! ich will dich jagen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0135" n="123"/> grausam mächtige Stimme! wenns doch mein wäre! wer ihm doch Salz auf den Schwanz streuen könnte!’ ‘Wenns weiter nichts ist,’ sprach der Knecht, ‘der Vogel soll bald herunter sein,’ legte an und traf aufs Haar, und der Vogel fiel herab in die Dornhecken. ‘Geh, Spitzbub,’ sagte er zum Juden, ‘und hol dir den Vogel heraus.’ ‘Mein,’ sprach der Jude, ‘laß der Herr den Bub weg, so kommt ein Hund gelaufen; ich will mir den Vogel auflesen, weil ihr ihn doch einmal getroffen habt,’ legte sich auf die Erde und fieng an sich in den Busch hinein zu arbeiten. Wie er nun mitten in dem Dorn steckte, plagte der Muthwille den guten Knecht, daß er seine Fidel abnahm und anfieng zu geigen. Gleich fieng auch der Jude an die Beine zu heben und in die Höhe zu springen: und je mehr der Knecht strich, desto besser gieng der Tanz. Aber die Dörner zerrissen ihm den schäbigen Rock, kämmten ihm den Ziegenbart und stachen und zwickten ihn am ganzen Leib. ‘Mein,’ rief der Jude, ‘was soll mir das Geigen! laß der Herr das Geigen, ich begehre nicht zu tanzen.’ Aber der Knecht hörte nicht darauf und dachte ‘du hast die Leute genug geschunden, nun soll dirs die Dornhecke nicht besser machen,’ und fieng von neuem an zu geigen, daß der Jude immer höher aufspringen mußte, und die Fetzen von seinem Rock an den Stacheln hängen blieben. ‘Au weih geschrien!’ rief der Jude, ‘geb ich doch dem Herrn, was er verlangt, wenn er nur das Geigen läßt, einen ganzen Beutel mit Gold.’ ‘Wenn du so spendabel bist,’ sprach der Knecht, ‘so will ich wohl mit meiner Musik aufhören, aber das muß ich dir nachrühmen, du machst deinen Tanz noch mit, daß es eine Art hat;’ nahm darauf den Beutel und gieng seiner Wege.</p><lb/> <p>Der Jude blieb stehen und sah ihm nach und war still bis der Knecht weit weg und ihm ganz aus den Augen war, dann schrie er aus Leibeskräften, ‘du miserabler Musikant, du Bierfiedler: wart, wenn ich dich allein erwische! ich will dich jagen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [123/0135]
grausam mächtige Stimme! wenns doch mein wäre! wer ihm doch Salz auf den Schwanz streuen könnte!’ ‘Wenns weiter nichts ist,’ sprach der Knecht, ‘der Vogel soll bald herunter sein,’ legte an und traf aufs Haar, und der Vogel fiel herab in die Dornhecken. ‘Geh, Spitzbub,’ sagte er zum Juden, ‘und hol dir den Vogel heraus.’ ‘Mein,’ sprach der Jude, ‘laß der Herr den Bub weg, so kommt ein Hund gelaufen; ich will mir den Vogel auflesen, weil ihr ihn doch einmal getroffen habt,’ legte sich auf die Erde und fieng an sich in den Busch hinein zu arbeiten. Wie er nun mitten in dem Dorn steckte, plagte der Muthwille den guten Knecht, daß er seine Fidel abnahm und anfieng zu geigen. Gleich fieng auch der Jude an die Beine zu heben und in die Höhe zu springen: und je mehr der Knecht strich, desto besser gieng der Tanz. Aber die Dörner zerrissen ihm den schäbigen Rock, kämmten ihm den Ziegenbart und stachen und zwickten ihn am ganzen Leib. ‘Mein,’ rief der Jude, ‘was soll mir das Geigen! laß der Herr das Geigen, ich begehre nicht zu tanzen.’ Aber der Knecht hörte nicht darauf und dachte ‘du hast die Leute genug geschunden, nun soll dirs die Dornhecke nicht besser machen,’ und fieng von neuem an zu geigen, daß der Jude immer höher aufspringen mußte, und die Fetzen von seinem Rock an den Stacheln hängen blieben. ‘Au weih geschrien!’ rief der Jude, ‘geb ich doch dem Herrn, was er verlangt, wenn er nur das Geigen läßt, einen ganzen Beutel mit Gold.’ ‘Wenn du so spendabel bist,’ sprach der Knecht, ‘so will ich wohl mit meiner Musik aufhören, aber das muß ich dir nachrühmen, du machst deinen Tanz noch mit, daß es eine Art hat;’ nahm darauf den Beutel und gieng seiner Wege.
Der Jude blieb stehen und sah ihm nach und war still bis der Knecht weit weg und ihm ganz aus den Augen war, dann schrie er aus Leibeskräften, ‘du miserabler Musikant, du Bierfiedler: wart, wenn ich dich allein erwische! ich will dich jagen,
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