Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.Da zog er fort, bergauf, bergab, sang und sprang nach Herzenslust. Nun trug es sich zu, als er an ein Buschwerk vorüber kam, daß ein kleines Männchen hervortrat und ihn anrief 'wo hinaus, Bruder Lustig? ich sehe du trägst nicht schwer an deinen Sorgen.' 'Was soll ich traurig sein,' antwortete der Knecht, 'ich habe vollauf, der Lohn von drei Jahren klingelt in meiner Tasche.' 'Wie viel ist denn deines Schatzes?' fragte ihn das Männchen. 'Wie viel? drei baare Heller, richtig gezählt.' 'Höre,' sagte der Zwerg, 'ich bin ein armer bedürftiger Mann, schenke mir deine drei Heller: ich kann nichts mehr arbeiten, du aber bist jung und kannst dir dein Brot leicht verdienen.' Und weil der Knecht ein gutes Herz hatte und Mitleid mit dem Männchen fühlte, so reichte er ihm seine drei Heller und sprach 'in Gottes Namen, es wird mir doch nicht fehlen.' Da sprach das Männchen 'weil ich dein gutes Herz sehe, so gewähre ich dir drei Wünsche, für jeden Heller einen, die sollen dir in Erfüllung gehen.' 'Aha,' sprach der Knecht, 'du bist einer, der blau pfeifen kann. Wohlan, wenns doch sein soll, so wünsche ich mir erstlich ein Vogelrohr, das alles trifft, wonach ich ziele: zweitens eine Fidel, wenn ich darauf streiche, so muß alles tanzen, was den Klang hört: und drittens, wenn ich an jemand eine Bitte thue, so darf er sie nicht abschlagen.' 'Das sollst du alles haben' sprach das Männchen, griff in den Busch, und, denk einer, da lag schon Fidel und Vogelrohr in Bereitschaft, als wenn sie bestellt wären. Er gab sie dem Knecht und sprach 'was du dir immer erbitten wirst, kein Mensch auf der Welt soll dirs abschlagen.' 'Herz, was begehrst du nun?' sprach der Knecht zu sich selber und zog lustig weiter. Bald darauf begegnete er einem Juden mit einem langen Ziegenbart, der stand und horchte auf den Gesang eines Vogels, der hoch oben in der Spitze eines Baumes saß. 'Gottes Wunder!' rief er aus, 'so ein kleines Thier hat so eine Da zog er fort, bergauf, bergab, sang und sprang nach Herzenslust. Nun trug es sich zu, als er an ein Buschwerk vorüber kam, daß ein kleines Männchen hervortrat und ihn anrief ‘wo hinaus, Bruder Lustig? ich sehe du trägst nicht schwer an deinen Sorgen.’ ‘Was soll ich traurig sein,’ antwortete der Knecht, ‘ich habe vollauf, der Lohn von drei Jahren klingelt in meiner Tasche.’ ‘Wie viel ist denn deines Schatzes?’ fragte ihn das Männchen. ‘Wie viel? drei baare Heller, richtig gezählt.’ ‘Höre,’ sagte der Zwerg, ‘ich bin ein armer bedürftiger Mann, schenke mir deine drei Heller: ich kann nichts mehr arbeiten, du aber bist jung und kannst dir dein Brot leicht verdienen.’ Und weil der Knecht ein gutes Herz hatte und Mitleid mit dem Männchen fühlte, so reichte er ihm seine drei Heller und sprach ‘in Gottes Namen, es wird mir doch nicht fehlen.’ Da sprach das Männchen ‘weil ich dein gutes Herz sehe, so gewähre ich dir drei Wünsche, für jeden Heller einen, die sollen dir in Erfüllung gehen.’ ‘Aha,’ sprach der Knecht, ‘du bist einer, der blau pfeifen kann. Wohlan, wenns doch sein soll, so wünsche ich mir erstlich ein Vogelrohr, das alles trifft, wonach ich ziele: zweitens eine Fidel, wenn ich darauf streiche, so muß alles tanzen, was den Klang hört: und drittens, wenn ich an jemand eine Bitte thue, so darf er sie nicht abschlagen.’ ‘Das sollst du alles haben’ sprach das Männchen, griff in den Busch, und, denk einer, da lag schon Fidel und Vogelrohr in Bereitschaft, als wenn sie bestellt wären. Er gab sie dem Knecht und sprach ‘was du dir immer erbitten wirst, kein Mensch auf der Welt soll dirs abschlagen.’ ‘Herz, was begehrst du nun?’ sprach der Knecht zu sich selber und zog lustig weiter. Bald darauf begegnete er einem Juden mit einem langen Ziegenbart, der stand und horchte auf den Gesang eines Vogels, der hoch oben in der Spitze eines Baumes saß. ‘Gottes Wunder!’ rief er aus, ‘so ein kleines Thier hat so eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0134" n="122"/> <p> Da zog er fort, bergauf, bergab, sang und sprang nach Herzenslust. Nun trug es sich zu, als er an ein Buschwerk vorüber kam, daß ein kleines Männchen hervortrat und ihn anrief ‘wo hinaus, Bruder Lustig? ich sehe du trägst nicht schwer an deinen Sorgen.’ ‘Was soll ich traurig sein,’ antwortete der Knecht, ‘ich habe vollauf, der Lohn von drei Jahren klingelt in meiner Tasche.’ ‘Wie viel ist denn deines Schatzes?’ fragte ihn das Männchen. ‘Wie viel? drei baare Heller, richtig gezählt.’ ‘Höre,’ sagte der Zwerg, ‘ich bin ein armer bedürftiger Mann, schenke mir deine drei Heller: ich kann nichts mehr arbeiten, du aber bist jung und kannst dir dein Brot leicht verdienen.’ Und weil der Knecht ein gutes Herz hatte und Mitleid mit dem Männchen fühlte, so reichte er ihm seine drei Heller und sprach ‘in Gottes Namen, es wird mir doch nicht fehlen.’ Da sprach das Männchen ‘weil ich dein gutes Herz sehe, so gewähre ich dir drei Wünsche, für jeden Heller einen, die sollen dir in Erfüllung gehen.’ ‘Aha,’ sprach der Knecht, ‘du bist einer, der blau pfeifen kann. Wohlan, wenns doch sein soll, so wünsche ich mir erstlich ein Vogelrohr, das alles trifft, wonach ich ziele: zweitens eine Fidel, wenn ich darauf streiche, so muß alles tanzen, was den Klang hört: und drittens, wenn ich an jemand eine Bitte thue, so darf er sie nicht abschlagen.’ ‘Das sollst du alles haben’ sprach das Männchen, griff in den Busch, und, denk einer, da lag schon Fidel und Vogelrohr in Bereitschaft, als wenn sie bestellt wären. Er gab sie dem Knecht und sprach ‘was du dir immer erbitten wirst, kein Mensch auf der Welt soll dirs abschlagen.’</p><lb/> <p>‘Herz, was begehrst du nun?’ sprach der Knecht zu sich selber und zog lustig weiter. Bald darauf begegnete er einem Juden mit einem langen Ziegenbart, der stand und horchte auf den Gesang eines Vogels, der hoch oben in der Spitze eines Baumes saß. ‘Gottes Wunder!’ rief er aus, ‘so ein kleines Thier hat so eine </p> </div> </body> </text> </TEI> [122/0134]
Da zog er fort, bergauf, bergab, sang und sprang nach Herzenslust. Nun trug es sich zu, als er an ein Buschwerk vorüber kam, daß ein kleines Männchen hervortrat und ihn anrief ‘wo hinaus, Bruder Lustig? ich sehe du trägst nicht schwer an deinen Sorgen.’ ‘Was soll ich traurig sein,’ antwortete der Knecht, ‘ich habe vollauf, der Lohn von drei Jahren klingelt in meiner Tasche.’ ‘Wie viel ist denn deines Schatzes?’ fragte ihn das Männchen. ‘Wie viel? drei baare Heller, richtig gezählt.’ ‘Höre,’ sagte der Zwerg, ‘ich bin ein armer bedürftiger Mann, schenke mir deine drei Heller: ich kann nichts mehr arbeiten, du aber bist jung und kannst dir dein Brot leicht verdienen.’ Und weil der Knecht ein gutes Herz hatte und Mitleid mit dem Männchen fühlte, so reichte er ihm seine drei Heller und sprach ‘in Gottes Namen, es wird mir doch nicht fehlen.’ Da sprach das Männchen ‘weil ich dein gutes Herz sehe, so gewähre ich dir drei Wünsche, für jeden Heller einen, die sollen dir in Erfüllung gehen.’ ‘Aha,’ sprach der Knecht, ‘du bist einer, der blau pfeifen kann. Wohlan, wenns doch sein soll, so wünsche ich mir erstlich ein Vogelrohr, das alles trifft, wonach ich ziele: zweitens eine Fidel, wenn ich darauf streiche, so muß alles tanzen, was den Klang hört: und drittens, wenn ich an jemand eine Bitte thue, so darf er sie nicht abschlagen.’ ‘Das sollst du alles haben’ sprach das Männchen, griff in den Busch, und, denk einer, da lag schon Fidel und Vogelrohr in Bereitschaft, als wenn sie bestellt wären. Er gab sie dem Knecht und sprach ‘was du dir immer erbitten wirst, kein Mensch auf der Welt soll dirs abschlagen.’
‘Herz, was begehrst du nun?’ sprach der Knecht zu sich selber und zog lustig weiter. Bald darauf begegnete er einem Juden mit einem langen Ziegenbart, der stand und horchte auf den Gesang eines Vogels, der hoch oben in der Spitze eines Baumes saß. ‘Gottes Wunder!’ rief er aus, ‘so ein kleines Thier hat so eine
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