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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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Sonnenstrahlen fiengen an darauf zu tanzen. Als der König das sah, stand er vor Verwunderung auf, gieng und umarmte das Schneiderlein im Angesicht aller Menschen.

Aber das Glück dauerte nicht lang. Der König hatte Töchter genug, eine immer schöner als die andere, aber keinen Sohn. Da begab sich der boshafte Schuster zum viertenmal zu dem Könige, und sprach 'Herr König, der Schneider läßt nicht ab von seinem Übermuth. Jetzt hat er sich vermessen, wenn er wolle, so könne er dem Herrn König einen Sohn durch die Lüfte herbei tragen lassen.' Der König ließ den Schneider rufen und sprach 'wenn du mir binnen neun Tagen einen Sohn bringen läßt, so sollst du meine älteste Tochter zur Frau haben.' 'Der Lohn ist freilich groß,' dachte das Schneiderlein, 'da thäte man wohl ein übriges, aber die Kirschen hängen mir zu hoch: wenn ich danach steige, so bricht unter mir der Ast, und ich falle herab.' Er gieng nach Haus, setzte sich mit unterschlagenen Beinen auf seinen Arbeitstisch und bedachte sich was zu thun wäre. 'Es geht nicht,' rief er endlich aus, 'ich will fort, hier kann ich doch nicht in Ruhe leben.' Er schnürte sein Bündel und eilte zum Thore hinaus. Als er auf die Wiesen kam, erblickte er seinen alten Freund, den Storch, der da, wie ein Weltweiser, auf und abgieng, zuweilen still stand, einen Frosch in nähere Betrachtung nahm und ihn endlich verschluckte. Der Storch kam heran und begrüßte ihn. 'Jch sehe,' hub er an, 'du hast deinen Ranzen auf dem Rücken, warum willst du die Stadt verlassen?' Der Schneider erzählte ihm was der König von ihm verlangt hatte und er nicht erfüllen konnte, und jammerte über sein Misgeschick. 'Laß dir darüber keine grauen Haare wachsen,' sagte der Storch, 'ich will dir aus der Noth helfen. Schon lange bringe ich die Wickelkinder in die Stadt, da kann ich auch einmal einen kleinen Prinzen aus dem Brunnen holen. Geh heim und verhalte dich

Sonnenstrahlen fiengen an darauf zu tanzen. Als der König das sah, stand er vor Verwunderung auf, gieng und umarmte das Schneiderlein im Angesicht aller Menschen.

Aber das Glück dauerte nicht lang. Der König hatte Töchter genug, eine immer schöner als die andere, aber keinen Sohn. Da begab sich der boshafte Schuster zum viertenmal zu dem Könige, und sprach ‘Herr König, der Schneider läßt nicht ab von seinem Übermuth. Jetzt hat er sich vermessen, wenn er wolle, so könne er dem Herrn König einen Sohn durch die Lüfte herbei tragen lassen.’ Der König ließ den Schneider rufen und sprach ‘wenn du mir binnen neun Tagen einen Sohn bringen läßt, so sollst du meine älteste Tochter zur Frau haben.’ ‘Der Lohn ist freilich groß,’ dachte das Schneiderlein, ‘da thäte man wohl ein übriges, aber die Kirschen hängen mir zu hoch: wenn ich danach steige, so bricht unter mir der Ast, und ich falle herab.’ Er gieng nach Haus, setzte sich mit unterschlagenen Beinen auf seinen Arbeitstisch und bedachte sich was zu thun wäre. ‘Es geht nicht,’ rief er endlich aus, ‘ich will fort, hier kann ich doch nicht in Ruhe leben.’ Er schnürte sein Bündel und eilte zum Thore hinaus. Als er auf die Wiesen kam, erblickte er seinen alten Freund, den Storch, der da, wie ein Weltweiser, auf und abgieng, zuweilen still stand, einen Frosch in nähere Betrachtung nahm und ihn endlich verschluckte. Der Storch kam heran und begrüßte ihn. ‘Jch sehe,’ hub er an, ‘du hast deinen Ranzen auf dem Rücken, warum willst du die Stadt verlassen?’ Der Schneider erzählte ihm was der König von ihm verlangt hatte und er nicht erfüllen konnte, und jammerte über sein Misgeschick. ‘Laß dir darüber keine grauen Haare wachsen,’ sagte der Storch, ‘ich will dir aus der Noth helfen. Schon lange bringe ich die Wickelkinder in die Stadt, da kann ich auch einmal einen kleinen Prinzen aus dem Brunnen holen. Geh heim und verhalte dich

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[112/0124] Sonnenstrahlen fiengen an darauf zu tanzen. Als der König das sah, stand er vor Verwunderung auf, gieng und umarmte das Schneiderlein im Angesicht aller Menschen. Aber das Glück dauerte nicht lang. Der König hatte Töchter genug, eine immer schöner als die andere, aber keinen Sohn. Da begab sich der boshafte Schuster zum viertenmal zu dem Könige, und sprach ‘Herr König, der Schneider läßt nicht ab von seinem Übermuth. Jetzt hat er sich vermessen, wenn er wolle, so könne er dem Herrn König einen Sohn durch die Lüfte herbei tragen lassen.’ Der König ließ den Schneider rufen und sprach ‘wenn du mir binnen neun Tagen einen Sohn bringen läßt, so sollst du meine älteste Tochter zur Frau haben.’ ‘Der Lohn ist freilich groß,’ dachte das Schneiderlein, ‘da thäte man wohl ein übriges, aber die Kirschen hängen mir zu hoch: wenn ich danach steige, so bricht unter mir der Ast, und ich falle herab.’ Er gieng nach Haus, setzte sich mit unterschlagenen Beinen auf seinen Arbeitstisch und bedachte sich was zu thun wäre. ‘Es geht nicht,’ rief er endlich aus, ‘ich will fort, hier kann ich doch nicht in Ruhe leben.’ Er schnürte sein Bündel und eilte zum Thore hinaus. Als er auf die Wiesen kam, erblickte er seinen alten Freund, den Storch, der da, wie ein Weltweiser, auf und abgieng, zuweilen still stand, einen Frosch in nähere Betrachtung nahm und ihn endlich verschluckte. Der Storch kam heran und begrüßte ihn. ‘Jch sehe,’ hub er an, ‘du hast deinen Ranzen auf dem Rücken, warum willst du die Stadt verlassen?’ Der Schneider erzählte ihm was der König von ihm verlangt hatte und er nicht erfüllen konnte, und jammerte über sein Misgeschick. ‘Laß dir darüber keine grauen Haare wachsen,’ sagte der Storch, ‘ich will dir aus der Noth helfen. Schon lange bringe ich die Wickelkinder in die Stadt, da kann ich auch einmal einen kleinen Prinzen aus dem Brunnen holen. Geh heim und verhalte dich

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/124>, abgerufen am 25.11.2024.