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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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würde, wenn dich einer wegholen und dir den Garaus machen wollte.' 'Sei nur still,' sagte der gutmüthige Schneider, 'du sollst deine Kinder behalten,' und setzte die Gefangene wieder ins Wasser.

Als er sich umkehrte, stand er vor einem alten Baum, der halb hohl war, und sah die wilden Bienen aus- und einfliegen. 'Da finde ich gleich den Lohn für meine gute That' sagte der Schneider, 'der Honig wird mich laben.' Aber der Weisel kam heraus, drohte und sprach 'wenn du mein Volk anrührst und mein Nest zerstörst, so sollen dir unsere Stacheln wie zehntausend glühende Nadeln in die Haut fahren. Läßt du uns aber in Ruhe und gehst deiner Wege, so wollen wir dir ein andermal dafür einen Dienst leisten.'

Das Schneiderlein sah daß auch hier nichts anzufangen war. 'Drei Schüsseln leer,' sagte er, 'und auf der vierten nichts, das ist eine schlechte Mahlzeit.' Er schleppte sich also mit seinem ausgehungerten Magen in die Stadt, und da es eben zu Mittag läutete, so war für ihn im Gasthaus schon gekocht und er konnte sich gleich zu Tisch setzen. Als er satt war, sagte er 'nun will ich auch arbeiten.' Er gieng in der Stadt umher, suchte einen Meister und fand auch bald ein gutes Unterkommen. Da er aber sein Handwerk von Grund aus gelernt hatte, so dauerte es nicht lange, er ward berühmt, und jeder wollte seinen neuen Rock von dem kleinen Schneider gemacht haben. Alle Tage nahm sein Ansehen zu. 'Jch kann in meiner Kunst nicht weiter kommen,' sprach er, 'und doch gehts jeden Tag besser.' Endlich bestellte ihn der König zu seinem Hofschneider.

Aber wies in der Welt geht. An demselben Tag war sein ehemaliger Kamerad, der Schuster, auch Hofschuster geworden. Als dieser den Schneider erblickte und sah daß er wieder zwei gesunde Augen hatte, so peinigte ihn das Gewissen. 'Ehe er Rache an mir nimmt,' dachte er bei sich selbst, 'muß ich ihm eine Grube

würde, wenn dich einer wegholen und dir den Garaus machen wollte.’ ‘Sei nur still,’ sagte der gutmüthige Schneider, ‘du sollst deine Kinder behalten,’ und setzte die Gefangene wieder ins Wasser.

Als er sich umkehrte, stand er vor einem alten Baum, der halb hohl war, und sah die wilden Bienen aus- und einfliegen. ‘Da finde ich gleich den Lohn für meine gute That’ sagte der Schneider, ‘der Honig wird mich laben.’ Aber der Weisel kam heraus, drohte und sprach ‘wenn du mein Volk anrührst und mein Nest zerstörst, so sollen dir unsere Stacheln wie zehntausend glühende Nadeln in die Haut fahren. Läßt du uns aber in Ruhe und gehst deiner Wege, so wollen wir dir ein andermal dafür einen Dienst leisten.’

Das Schneiderlein sah daß auch hier nichts anzufangen war. ‘Drei Schüsseln leer,’ sagte er, ‘und auf der vierten nichts, das ist eine schlechte Mahlzeit.’ Er schleppte sich also mit seinem ausgehungerten Magen in die Stadt, und da es eben zu Mittag läutete, so war für ihn im Gasthaus schon gekocht und er konnte sich gleich zu Tisch setzen. Als er satt war, sagte er ‘nun will ich auch arbeiten.’ Er gieng in der Stadt umher, suchte einen Meister und fand auch bald ein gutes Unterkommen. Da er aber sein Handwerk von Grund aus gelernt hatte, so dauerte es nicht lange, er ward berühmt, und jeder wollte seinen neuen Rock von dem kleinen Schneider gemacht haben. Alle Tage nahm sein Ansehen zu. ‘Jch kann in meiner Kunst nicht weiter kommen,’ sprach er, ‘und doch gehts jeden Tag besser.’ Endlich bestellte ihn der König zu seinem Hofschneider.

Aber wies in der Welt geht. An demselben Tag war sein ehemaliger Kamerad, der Schuster, auch Hofschuster geworden. Als dieser den Schneider erblickte und sah daß er wieder zwei gesunde Augen hatte, so peinigte ihn das Gewissen. ‘Ehe er Rache an mir nimmt,’ dachte er bei sich selbst, ‘muß ich ihm eine Grube

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[108/0120] würde, wenn dich einer wegholen und dir den Garaus machen wollte.’ ‘Sei nur still,’ sagte der gutmüthige Schneider, ‘du sollst deine Kinder behalten,’ und setzte die Gefangene wieder ins Wasser. Als er sich umkehrte, stand er vor einem alten Baum, der halb hohl war, und sah die wilden Bienen aus- und einfliegen. ‘Da finde ich gleich den Lohn für meine gute That’ sagte der Schneider, ‘der Honig wird mich laben.’ Aber der Weisel kam heraus, drohte und sprach ‘wenn du mein Volk anrührst und mein Nest zerstörst, so sollen dir unsere Stacheln wie zehntausend glühende Nadeln in die Haut fahren. Läßt du uns aber in Ruhe und gehst deiner Wege, so wollen wir dir ein andermal dafür einen Dienst leisten.’ Das Schneiderlein sah daß auch hier nichts anzufangen war. ‘Drei Schüsseln leer,’ sagte er, ‘und auf der vierten nichts, das ist eine schlechte Mahlzeit.’ Er schleppte sich also mit seinem ausgehungerten Magen in die Stadt, und da es eben zu Mittag läutete, so war für ihn im Gasthaus schon gekocht und er konnte sich gleich zu Tisch setzen. Als er satt war, sagte er ‘nun will ich auch arbeiten.’ Er gieng in der Stadt umher, suchte einen Meister und fand auch bald ein gutes Unterkommen. Da er aber sein Handwerk von Grund aus gelernt hatte, so dauerte es nicht lange, er ward berühmt, und jeder wollte seinen neuen Rock von dem kleinen Schneider gemacht haben. Alle Tage nahm sein Ansehen zu. ‘Jch kann in meiner Kunst nicht weiter kommen,’ sprach er, ‘und doch gehts jeden Tag besser.’ Endlich bestellte ihn der König zu seinem Hofschneider. Aber wies in der Welt geht. An demselben Tag war sein ehemaliger Kamerad, der Schuster, auch Hofschuster geworden. Als dieser den Schneider erblickte und sah daß er wieder zwei gesunde Augen hatte, so peinigte ihn das Gewissen. ‘Ehe er Rache an mir nimmt,’ dachte er bei sich selbst, ‘muß ich ihm eine Grube

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/120>, abgerufen am 25.11.2024.