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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

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und merkten daß etwas Ungewöhnliches vorgieng, traten sie in die Kirche ein. Sie hörten der Predigt eine Weile zu, da stieß der Küster den Pfarrer an, und sprach 'es wäre nicht übel, wenn wir die Gelegenheit benutzten, und zusammen vor dem Einbruch des jüngsten Tags auf eine leichte Art in den Himmel kämen.' 'Freilich,' erwiderte der Pfarrer, 'ich habe das auch gedacht; habt ihr Lust, so wollen wir uns auf den Weg machen.' 'Ja,' antwortete der Küster, 'aber ihr, Herr Pfarrer, habt den Vortritt, ich folge nach.' Der Pfarrer schritt also vor, und stieg auf die Kanzel, wo der Meister den Sack öffnete. Der Pfarrer kroch zuerst hinein, dann der Küster. Gleich band der Meister den Sack fest zu, packte ihn am Bausch, und schleifte ihn die Kanzeltreppe hinab: so oft die Köpfe der beiden Thoren auf die Stufen aufschlugen, rief er 'jetzt gehts schon über die Berge.' Dann zog er sie auf gleiche Weise durch das Dorf, und wenn sie durch Pfützen kamen, rief er 'jetzt gehts schon durch die nassen Wolken,' und als er sie endlich die Schloßtreppe hinaufzog, so rief er 'jetzt sind wir auf der Himmelstreppe, und werden bald im Vorhof sein.' Als er oben angelangt war, schob er den Sack in den Taubenschlag, und als die Tauben flatterten, sagte er 'hört ihr wie die Engel sich freuen, und mit den Fittichen schlagen.' Dann schob er den Riegel vor, und gieng fort.

Am andern Morgen begab er sich zu dem Grafen, und sagte ihm daß er auch die dritte Aufgabe gelöst, und den Pfarrer und Küster aus der Kirche weggeführt habe. 'Wo hast du sie gelassen?' fragte der Herr. 'Sie liegen in einem Sack oben auf dem Taubenschlag, und bilden

und merkten daß etwas Ungewöhnliches vorgieng, traten sie in die Kirche ein. Sie hörten der Predigt eine Weile zu, da stieß der Küster den Pfarrer an, und sprach ‘es wäre nicht übel, wenn wir die Gelegenheit benutzten, und zusammen vor dem Einbruch des jüngsten Tags auf eine leichte Art in den Himmel kämen.’ ‘Freilich,’ erwiderte der Pfarrer, ‘ich habe das auch gedacht; habt ihr Lust, so wollen wir uns auf den Weg machen.’ ‘Ja,’ antwortete der Küster, ‘aber ihr, Herr Pfarrer, habt den Vortritt, ich folge nach.’ Der Pfarrer schritt also vor, und stieg auf die Kanzel, wo der Meister den Sack öffnete. Der Pfarrer kroch zuerst hinein, dann der Küster. Gleich band der Meister den Sack fest zu, packte ihn am Bausch, und schleifte ihn die Kanzeltreppe hinab: so oft die Köpfe der beiden Thoren auf die Stufen aufschlugen, rief er ‘jetzt gehts schon über die Berge.’ Dann zog er sie auf gleiche Weise durch das Dorf, und wenn sie durch Pfützen kamen, rief er ‘jetzt gehts schon durch die nassen Wolken,’ und als er sie endlich die Schloßtreppe hinaufzog, so rief er ‘jetzt sind wir auf der Himmelstreppe, und werden bald im Vorhof sein.’ Als er oben angelangt war, schob er den Sack in den Taubenschlag, und als die Tauben flatterten, sagte er ‘hört ihr wie die Engel sich freuen, und mit den Fittichen schlagen.’ Dann schob er den Riegel vor, und gieng fort.

Am andern Morgen begab er sich zu dem Grafen, und sagte ihm daß er auch die dritte Aufgabe gelöst, und den Pfarrer und Küster aus der Kirche weggeführt habe. ‘Wo hast du sie gelassen?’ fragte der Herr. ‘Sie liegen in einem Sack oben auf dem Taubenschlag, und bilden

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[487/0497] und merkten daß etwas Ungewöhnliches vorgieng, traten sie in die Kirche ein. Sie hörten der Predigt eine Weile zu, da stieß der Küster den Pfarrer an, und sprach ‘es wäre nicht übel, wenn wir die Gelegenheit benutzten, und zusammen vor dem Einbruch des jüngsten Tags auf eine leichte Art in den Himmel kämen.’ ‘Freilich,’ erwiderte der Pfarrer, ‘ich habe das auch gedacht; habt ihr Lust, so wollen wir uns auf den Weg machen.’ ‘Ja,’ antwortete der Küster, ‘aber ihr, Herr Pfarrer, habt den Vortritt, ich folge nach.’ Der Pfarrer schritt also vor, und stieg auf die Kanzel, wo der Meister den Sack öffnete. Der Pfarrer kroch zuerst hinein, dann der Küster. Gleich band der Meister den Sack fest zu, packte ihn am Bausch, und schleifte ihn die Kanzeltreppe hinab: so oft die Köpfe der beiden Thoren auf die Stufen aufschlugen, rief er ‘jetzt gehts schon über die Berge.’ Dann zog er sie auf gleiche Weise durch das Dorf, und wenn sie durch Pfützen kamen, rief er ‘jetzt gehts schon durch die nassen Wolken,’ und als er sie endlich die Schloßtreppe hinaufzog, so rief er ‘jetzt sind wir auf der Himmelstreppe, und werden bald im Vorhof sein.’ Als er oben angelangt war, schob er den Sack in den Taubenschlag, und als die Tauben flatterten, sagte er ‘hört ihr wie die Engel sich freuen, und mit den Fittichen schlagen.’ Dann schob er den Riegel vor, und gieng fort. Am andern Morgen begab er sich zu dem Grafen, und sagte ihm daß er auch die dritte Aufgabe gelöst, und den Pfarrer und Küster aus der Kirche weggeführt habe. ‘Wo hast du sie gelassen?’ fragte der Herr. ‘Sie liegen in einem Sack oben auf dem Taubenschlag, und bilden

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/497>, abgerufen am 23.12.2024.