Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

noch nicht; aus was für Samen mag die gewachsen sein? oder dir geräths allein, und du bist ein Glückskind.' 'Ach nein,' sagte der Bauer, 'ein Glückskind bin ich nicht, ich bin ein armer Soldat, der, weil er sich nicht mehr nähren konnte, den Soldatenrock an den Nagel hieng, und das Land baute; ich habe noch einen Bruder, der ist reich, und Euch, Herr König, auch wohl bekannt, ich aber, weil ich nichts habe, bin von aller Welt vergessen.' Da empfand der König Mitleid mit ihm, und sprach 'deiner Armuth sollst du überhoben und so von mir beschenkt werden, daß du wohl deinem reichen Bruder gleich kommst.' Da schenkte er ihm eine Menge Gold, Äcker, Wiesen und Herden, und machte ihn steinreich, so daß des andern Bruders Reichthum gar nicht konnte damit verglichen werden. Als dieser hörte was sein Bruder mit einer einzigen Rübe erworben hatte, beneidete er ihn, und sann hin und her wie er sich auch ein solches Glück zuwenden könnte. Er wollts aber noch viel gescheidter anfangen, nahm Gold und Pferde, und brachte sie dem König, und meinte nicht anders, der würde ihm ein viel größeres Gegengeschenk machen, denn hätte sein Bruder so viel für eine Rübe bekommen, was würde es ihm für so schöne Dinge nicht alles tragen. Der König nahm das Geschenk und sagte er wüßte ihm nichts wieder zu geben, das seltener und besser wäre, als die große Rübe. Also mußte der Reiche seines Bruders Rübe auf einen Wagen legen, und nach Haus fahren lassen. Daheim wußte er nicht an wem er seinen Zorn und Ärger auslassen sollte, bis ihm böse Gedanken kamen, und er beschloß seinen Bruder zu tödten. Er gewann Mörder, die mußten sich in einen

noch nicht; aus was für Samen mag die gewachsen sein? oder dir geräths allein, und du bist ein Glückskind.’ ‘Ach nein,’ sagte der Bauer, ‘ein Glückskind bin ich nicht, ich bin ein armer Soldat, der, weil er sich nicht mehr nähren konnte, den Soldatenrock an den Nagel hieng, und das Land baute; ich habe noch einen Bruder, der ist reich, und Euch, Herr König, auch wohl bekannt, ich aber, weil ich nichts habe, bin von aller Welt vergessen.’ Da empfand der König Mitleid mit ihm, und sprach ‘deiner Armuth sollst du überhoben und so von mir beschenkt werden, daß du wohl deinem reichen Bruder gleich kommst.’ Da schenkte er ihm eine Menge Gold, Äcker, Wiesen und Herden, und machte ihn steinreich, so daß des andern Bruders Reichthum gar nicht konnte damit verglichen werden. Als dieser hörte was sein Bruder mit einer einzigen Rübe erworben hatte, beneidete er ihn, und sann hin und her wie er sich auch ein solches Glück zuwenden könnte. Er wollts aber noch viel gescheidter anfangen, nahm Gold und Pferde, und brachte sie dem König, und meinte nicht anders, der würde ihm ein viel größeres Gegengeschenk machen, denn hätte sein Bruder so viel für eine Rübe bekommen, was würde es ihm für so schöne Dinge nicht alles tragen. Der König nahm das Geschenk und sagte er wüßte ihm nichts wieder zu geben, das seltener und besser wäre, als die große Rübe. Also mußte der Reiche seines Bruders Rübe auf einen Wagen legen, und nach Haus fahren lassen. Daheim wußte er nicht an wem er seinen Zorn und Ärger auslassen sollte, bis ihm böse Gedanken kamen, und er beschloß seinen Bruder zu tödten. Er gewann Mörder, die mußten sich in einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0314" n="304"/>
noch nicht; aus was für Samen mag die gewachsen sein? oder dir geräths allein, und du bist ein Glückskind.&#x2019; &#x2018;Ach nein,&#x2019; sagte der Bauer, &#x2018;ein Glückskind bin ich nicht, ich bin ein armer Soldat, der, weil er sich nicht mehr nähren konnte, den Soldatenrock an den Nagel hieng, und das Land baute; ich habe noch einen Bruder, der ist reich, und Euch, Herr König, auch wohl bekannt, ich aber, weil ich nichts habe, bin von aller Welt vergessen.&#x2019; Da empfand der König Mitleid mit ihm, und sprach &#x2018;deiner Armuth sollst du überhoben und so von mir beschenkt werden, daß du wohl deinem reichen Bruder gleich kommst.&#x2019; Da schenkte er ihm eine Menge Gold, Äcker, Wiesen und Herden, und machte ihn steinreich, so daß des andern Bruders Reichthum gar nicht konnte damit verglichen werden. Als dieser hörte was sein Bruder mit einer einzigen Rübe erworben hatte, beneidete er ihn, und sann hin und her wie er sich auch ein solches Glück zuwenden könnte. Er wollts aber noch viel gescheidter anfangen, nahm Gold und Pferde, und brachte sie dem König, und meinte nicht anders, der würde ihm ein viel größeres Gegengeschenk machen, denn hätte sein Bruder so viel für eine Rübe bekommen, was würde es ihm für so schöne Dinge nicht alles tragen. Der König nahm das Geschenk und sagte er wüßte ihm nichts wieder zu geben, das seltener und besser wäre, als die große Rübe. Also mußte der Reiche seines Bruders Rübe auf einen Wagen legen, und nach Haus fahren lassen. Daheim wußte er nicht an wem er seinen Zorn und Ärger auslassen sollte, bis ihm böse Gedanken kamen, und er beschloß seinen Bruder zu tödten. Er gewann Mörder, die mußten sich in einen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0314] noch nicht; aus was für Samen mag die gewachsen sein? oder dir geräths allein, und du bist ein Glückskind.’ ‘Ach nein,’ sagte der Bauer, ‘ein Glückskind bin ich nicht, ich bin ein armer Soldat, der, weil er sich nicht mehr nähren konnte, den Soldatenrock an den Nagel hieng, und das Land baute; ich habe noch einen Bruder, der ist reich, und Euch, Herr König, auch wohl bekannt, ich aber, weil ich nichts habe, bin von aller Welt vergessen.’ Da empfand der König Mitleid mit ihm, und sprach ‘deiner Armuth sollst du überhoben und so von mir beschenkt werden, daß du wohl deinem reichen Bruder gleich kommst.’ Da schenkte er ihm eine Menge Gold, Äcker, Wiesen und Herden, und machte ihn steinreich, so daß des andern Bruders Reichthum gar nicht konnte damit verglichen werden. Als dieser hörte was sein Bruder mit einer einzigen Rübe erworben hatte, beneidete er ihn, und sann hin und her wie er sich auch ein solches Glück zuwenden könnte. Er wollts aber noch viel gescheidter anfangen, nahm Gold und Pferde, und brachte sie dem König, und meinte nicht anders, der würde ihm ein viel größeres Gegengeschenk machen, denn hätte sein Bruder so viel für eine Rübe bekommen, was würde es ihm für so schöne Dinge nicht alles tragen. Der König nahm das Geschenk und sagte er wüßte ihm nichts wieder zu geben, das seltener und besser wäre, als die große Rübe. Also mußte der Reiche seines Bruders Rübe auf einen Wagen legen, und nach Haus fahren lassen. Daheim wußte er nicht an wem er seinen Zorn und Ärger auslassen sollte, bis ihm böse Gedanken kamen, und er beschloß seinen Bruder zu tödten. Er gewann Mörder, die mußten sich in einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/314
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/314>, abgerufen am 19.12.2024.