Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

hohe Gras, und sprach 'wir wollen uns dahin setzen, Dreiäuglein, ich will dir etwas vorsingen.' Dreiäuglein setzte sich, und war müde von dem Weg und der Sonnenhitze, und Zweiäuglein hub wieder das vorige Liedlein an, und sang

'Dreiäuglein, wachst du?'

aber statt daß es nun singen mußte

'Dreiäuglein, schläfst du?'

sang es aus Unbedachtsamkeit

'Zweiäuglein, schläfst du?'

und sang immer

'Dreiäuglein, wachst du?
Zweiäuglein, schläfst du?'

Da fielen dem Dreiäuglein seine zwei Augen zu, und schliefen, aber das dritte, das von dem Sprüchlein nicht angeredet wurde, schlief nicht ein: zwar that es Dreiäuglein zu, aber aus List, gleich als schlief es damit, doch blinzelte es, und konnte alles gar wohl sehen. Und als Zweiäuglein meinte Dreiäuglein schliefe fest, sagte es sein Sprüchlein

'Zicklein, meck,
Tischlein deck,'

aß und trank nach Herzenslust, und hieß dann das Tischlein wieder fortgehen,

'Zicklein, meck,
Tischlein weg,'

und Dreiäuglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweiäuglein zu ihm, und weckte es, und sprach 'ei, Dreiäuglein, bist du eingeschlafen? du kannst gut hüten! komm, wir wollen heim gehen.' Und als sie nach Haus

hohe Gras, und sprach ‘wir wollen uns dahin setzen, Dreiäuglein, ich will dir etwas vorsingen.’ Dreiäuglein setzte sich, und war müde von dem Weg und der Sonnenhitze, und Zweiäuglein hub wieder das vorige Liedlein an, und sang

‘Dreiäuglein, wachst du?’

aber statt daß es nun singen mußte

‘Dreiäuglein, schläfst du?’

sang es aus Unbedachtsamkeit

Zweiäuglein, schläfst du?’

und sang immer

‘Dreiäuglein, wachst du?
Zweiäuglein, schläfst du?’

Da fielen dem Dreiäuglein seine zwei Augen zu, und schliefen, aber das dritte, das von dem Sprüchlein nicht angeredet wurde, schlief nicht ein: zwar that es Dreiäuglein zu, aber aus List, gleich als schlief es damit, doch blinzelte es, und konnte alles gar wohl sehen. Und als Zweiäuglein meinte Dreiäuglein schliefe fest, sagte es sein Sprüchlein

‘Zicklein, meck,
Tischlein deck,’

aß und trank nach Herzenslust, und hieß dann das Tischlein wieder fortgehen,

‘Zicklein, meck,
Tischlein weg,’

und Dreiäuglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweiäuglein zu ihm, und weckte es, und sprach ‘ei, Dreiäuglein, bist du eingeschlafen? du kannst gut hüten! komm, wir wollen heim gehen.’ Und als sie nach Haus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0259" n="249"/>
hohe Gras, und sprach &#x2018;wir wollen uns dahin setzen, Dreiäuglein, ich will dir etwas vorsingen.&#x2019; Dreiäuglein setzte sich, und war müde von dem Weg und der Sonnenhitze, und Zweiäuglein hub wieder das vorige Liedlein an, und sang</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;Dreiäuglein, wachst du?&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>aber statt daß es nun singen mußte</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;Dreiäuglein, schläfst du?&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>sang es aus Unbedachtsamkeit</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;<hi rendition="#g">Zweiäuglein</hi>, schläfst du?&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>und sang immer</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;Dreiäuglein, wachst du?</l><lb/>
          <l><hi rendition="#g">Zweiäuglein</hi>, schläfst du?&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Da fielen dem Dreiäuglein seine zwei Augen zu, und schliefen, aber das dritte, das von dem Sprüchlein nicht angeredet wurde, schlief nicht ein: zwar that es Dreiäuglein zu, aber aus List, gleich als schlief es damit, doch blinzelte es, und konnte alles gar wohl sehen. Und als Zweiäuglein meinte Dreiäuglein schliefe fest, sagte es sein Sprüchlein</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;Zicklein, meck,</l><lb/>
          <l>Tischlein deck,&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>aß und trank nach Herzenslust, und hieß dann das Tischlein wieder fortgehen,</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;Zicklein, meck,</l><lb/>
          <l>Tischlein weg,&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>und Dreiäuglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweiäuglein zu ihm, und weckte es, und sprach &#x2018;ei, Dreiäuglein, bist du eingeschlafen? du kannst gut hüten! komm, wir wollen heim gehen.&#x2019; Und als sie nach Haus
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0259] hohe Gras, und sprach ‘wir wollen uns dahin setzen, Dreiäuglein, ich will dir etwas vorsingen.’ Dreiäuglein setzte sich, und war müde von dem Weg und der Sonnenhitze, und Zweiäuglein hub wieder das vorige Liedlein an, und sang ‘Dreiäuglein, wachst du?’ aber statt daß es nun singen mußte ‘Dreiäuglein, schläfst du?’ sang es aus Unbedachtsamkeit ‘Zweiäuglein, schläfst du?’ und sang immer ‘Dreiäuglein, wachst du? Zweiäuglein, schläfst du?’ Da fielen dem Dreiäuglein seine zwei Augen zu, und schliefen, aber das dritte, das von dem Sprüchlein nicht angeredet wurde, schlief nicht ein: zwar that es Dreiäuglein zu, aber aus List, gleich als schlief es damit, doch blinzelte es, und konnte alles gar wohl sehen. Und als Zweiäuglein meinte Dreiäuglein schliefe fest, sagte es sein Sprüchlein ‘Zicklein, meck, Tischlein deck,’ aß und trank nach Herzenslust, und hieß dann das Tischlein wieder fortgehen, ‘Zicklein, meck, Tischlein weg,’ und Dreiäuglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweiäuglein zu ihm, und weckte es, und sprach ‘ei, Dreiäuglein, bist du eingeschlafen? du kannst gut hüten! komm, wir wollen heim gehen.’ Und als sie nach Haus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/259
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/259>, abgerufen am 19.12.2024.