Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

weg, so leis und behend, daß das Unthier nichts merkte, sondern fortschnarchte. Sie eilten voll Freude mit ihr aufs Schiff, und steuerten in die offene See, aber der Drache, der bei seinem Erwachen die Königstochter nicht mehr gefunden hatte, kam hinter ihnen her, und schnaupte wüthend durch die Luft; und als er gerade über dem Schiff war, und sich herablassen wollte, da legte der Jäger seine Büchse an, und schoß ihm mitten ins Herz, daß er todt herabfiel. Es war aber ein so gewaltiges Unthier, daß es im Herabfallen das ganze Schiff zertrümmerte, und die fünfe nur noch ein paar Bretter erhaschen konnten, und auf dem weiten Meer umher schwammen. Da war der Schneider nicht faul, nahm seine wunderbare Nadel, nähte die Bretter mit ein paar großen Stichen in der Eile zusammen, setzte sich darauf, schiffte hin, und sammelte alle Stücke des Schiffs. Dann nähte er auch diese so behend zusammen, daß in kurzer Zeit das Schiff wieder segelfertig war, und sie glücklich heim fahren konnten.

Als der König seine Tochter wieder erblickte, war große Freude, und er sprach zu den vier Brüdern 'einer von euch soll sie zur Gemahlin haben, aber welcher das ist, macht unter euch aus.' Da entstand Streit unter ihnen, der Sterngucker sprach 'hätt ich nicht die Königstochter gesehen, so wären alle eure Künste umsonst gewesen: darum ist sie mein.' Der Dieb sprach 'was hätte das Sehen geholfen, wenn ich sie nicht unter dem Drachen weggenommen hätte; darum ist sie mein.' Der Jäger sprach 'ihr wärt doch sammt der Königstochter von dem Unthier zerrissen worden, hätte es meine Kugel nicht getroffen; darum ist sie mein.' Der Schneider sprach 'und

weg, so leis und behend, daß das Unthier nichts merkte, sondern fortschnarchte. Sie eilten voll Freude mit ihr aufs Schiff, und steuerten in die offene See, aber der Drache, der bei seinem Erwachen die Königstochter nicht mehr gefunden hatte, kam hinter ihnen her, und schnaupte wüthend durch die Luft; und als er gerade über dem Schiff war, und sich herablassen wollte, da legte der Jäger seine Büchse an, und schoß ihm mitten ins Herz, daß er todt herabfiel. Es war aber ein so gewaltiges Unthier, daß es im Herabfallen das ganze Schiff zertrümmerte, und die fünfe nur noch ein paar Bretter erhaschen konnten, und auf dem weiten Meer umher schwammen. Da war der Schneider nicht faul, nahm seine wunderbare Nadel, nähte die Bretter mit ein paar großen Stichen in der Eile zusammen, setzte sich darauf, schiffte hin, und sammelte alle Stücke des Schiffs. Dann nähte er auch diese so behend zusammen, daß in kurzer Zeit das Schiff wieder segelfertig war, und sie glücklich heim fahren konnten.

Als der König seine Tochter wieder erblickte, war große Freude, und er sprach zu den vier Brüdern ‘einer von euch soll sie zur Gemahlin haben, aber welcher das ist, macht unter euch aus.’ Da entstand Streit unter ihnen, der Sterngucker sprach ‘hätt ich nicht die Königstochter gesehen, so wären alle eure Künste umsonst gewesen: darum ist sie mein.’ Der Dieb sprach ‘was hätte das Sehen geholfen, wenn ich sie nicht unter dem Drachen weggenommen hätte; darum ist sie mein.’ Der Jäger sprach ‘ihr wärt doch sammt der Königstochter von dem Unthier zerrissen worden, hätte es meine Kugel nicht getroffen; darum ist sie mein.’ Der Schneider sprach ‘und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0253" n="243"/>
weg, so leis und behend, daß das Unthier nichts merkte, sondern fortschnarchte. Sie eilten voll Freude mit ihr aufs Schiff, und steuerten in die offene See, aber der Drache, der bei seinem Erwachen die Königstochter nicht mehr gefunden hatte, kam hinter ihnen her, und schnaupte wüthend durch die Luft; und als er gerade über dem Schiff war, und sich herablassen wollte, da legte der Jäger seine Büchse an, und schoß ihm mitten ins Herz, daß er todt herabfiel. Es war aber ein so gewaltiges Unthier, daß es im Herabfallen das ganze Schiff zertrümmerte, und die fünfe nur noch ein paar Bretter erhaschen konnten, und auf dem weiten Meer umher schwammen. Da war der Schneider nicht faul, nahm seine wunderbare Nadel, nähte die Bretter mit ein paar großen Stichen in der Eile zusammen, setzte sich darauf, schiffte hin, und sammelte alle Stücke des Schiffs. Dann nähte er auch diese so behend zusammen, daß in kurzer Zeit das Schiff wieder segelfertig war, und sie glücklich heim fahren konnten.</p><lb/>
        <p>Als der König seine Tochter wieder erblickte, war große Freude, und er sprach zu den vier Brüdern &#x2018;einer von euch soll sie zur Gemahlin haben, aber welcher das ist, macht unter euch aus.&#x2019; Da entstand Streit unter ihnen, der Sterngucker sprach &#x2018;hätt ich nicht die Königstochter gesehen, so wären alle eure Künste umsonst gewesen: darum ist sie mein.&#x2019; Der Dieb sprach &#x2018;was hätte das Sehen geholfen, wenn ich sie nicht unter dem Drachen weggenommen hätte; darum ist sie mein.&#x2019; Der Jäger sprach &#x2018;ihr wärt doch sammt der Königstochter von dem Unthier zerrissen worden, hätte es meine Kugel nicht getroffen; darum ist sie mein.&#x2019; Der Schneider sprach &#x2018;und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0253] weg, so leis und behend, daß das Unthier nichts merkte, sondern fortschnarchte. Sie eilten voll Freude mit ihr aufs Schiff, und steuerten in die offene See, aber der Drache, der bei seinem Erwachen die Königstochter nicht mehr gefunden hatte, kam hinter ihnen her, und schnaupte wüthend durch die Luft; und als er gerade über dem Schiff war, und sich herablassen wollte, da legte der Jäger seine Büchse an, und schoß ihm mitten ins Herz, daß er todt herabfiel. Es war aber ein so gewaltiges Unthier, daß es im Herabfallen das ganze Schiff zertrümmerte, und die fünfe nur noch ein paar Bretter erhaschen konnten, und auf dem weiten Meer umher schwammen. Da war der Schneider nicht faul, nahm seine wunderbare Nadel, nähte die Bretter mit ein paar großen Stichen in der Eile zusammen, setzte sich darauf, schiffte hin, und sammelte alle Stücke des Schiffs. Dann nähte er auch diese so behend zusammen, daß in kurzer Zeit das Schiff wieder segelfertig war, und sie glücklich heim fahren konnten. Als der König seine Tochter wieder erblickte, war große Freude, und er sprach zu den vier Brüdern ‘einer von euch soll sie zur Gemahlin haben, aber welcher das ist, macht unter euch aus.’ Da entstand Streit unter ihnen, der Sterngucker sprach ‘hätt ich nicht die Königstochter gesehen, so wären alle eure Künste umsonst gewesen: darum ist sie mein.’ Der Dieb sprach ‘was hätte das Sehen geholfen, wenn ich sie nicht unter dem Drachen weggenommen hätte; darum ist sie mein.’ Der Jäger sprach ‘ihr wärt doch sammt der Königstochter von dem Unthier zerrissen worden, hätte es meine Kugel nicht getroffen; darum ist sie mein.’ Der Schneider sprach ‘und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/253
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/253>, abgerufen am 23.12.2024.