Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.und verschluck es ganz, dann wirst du allen und jeden Morgen früh beim Aufstehen ein Goldstück unter deinem Kopfkissen finden, und das kommt dir zu von wegen des Vogelherzens.' Der Jäger dankte der weisen Frau, und dachte bei sich 'schöne Dinge, die sie mir versprochen hat, wenns nur auch all so einträfe.' Doch, wie er etwa hundert Schritte gegangen war, hörte er über sich in den Ästen ein Geschrei und Gezwitscher, daß er aufschaute: da sah er einen Haufen Vögel, die rissen mit den Schnäbeln und Füßen ein Tuch herum, schrien, zerrten und balgten sich, als wollts ein jeder allein haben. 'Nun,' sprach der Jäger, 'das ist wunderlich, es kommt ja gerade so, wie das Mütterchen gesagt hat,' nahm die Büchse von der Schulter, legte an, und that einen Schuß mitten hinein, daß die Federn herumflogen. Alsbald nahm das Gethier mit großem Schreien die Flucht, aber einer fiel todt herab, und der Mantel sank ebenfalls herunter. Da that der Jäger wie ihm die Alte geheißen hatte, schnitt den Vogel auf, suchte das Herz, schluckte es hinunter, und nahm den Mantel mit nach Haus. Am andern Morgen, als er aufwachte, fiel ihm die Verheißung ein, und er wollte sehen ob sie auch einträfe. Wie er aber sein Kopfkissen in die Höhe hob, da schimmerte ihm das Goldstück entgegen, und am andern Morgen fand er wieder eins, und so weiter jedesmal, wenn er aufstand. Er sammelte sich einen Haufen Gold, endlich aber dachte er 'was hilft mir all mein Gold, wenn ich daheim bleibe? ich will ausziehen und mich in der Welt umsehen.' und verschluck es ganz, dann wirst du allen und jeden Morgen früh beim Aufstehen ein Goldstück unter deinem Kopfkissen finden, und das kommt dir zu von wegen des Vogelherzens.’ Der Jäger dankte der weisen Frau, und dachte bei sich ‘schöne Dinge, die sie mir versprochen hat, wenns nur auch all so einträfe.’ Doch, wie er etwa hundert Schritte gegangen war, hörte er über sich in den Ästen ein Geschrei und Gezwitscher, daß er aufschaute: da sah er einen Haufen Vögel, die rissen mit den Schnäbeln und Füßen ein Tuch herum, schrien, zerrten und balgten sich, als wollts ein jeder allein haben. ‘Nun,’ sprach der Jäger, ‘das ist wunderlich, es kommt ja gerade so, wie das Mütterchen gesagt hat,’ nahm die Büchse von der Schulter, legte an, und that einen Schuß mitten hinein, daß die Federn herumflogen. Alsbald nahm das Gethier mit großem Schreien die Flucht, aber einer fiel todt herab, und der Mantel sank ebenfalls herunter. Da that der Jäger wie ihm die Alte geheißen hatte, schnitt den Vogel auf, suchte das Herz, schluckte es hinunter, und nahm den Mantel mit nach Haus. Am andern Morgen, als er aufwachte, fiel ihm die Verheißung ein, und er wollte sehen ob sie auch einträfe. Wie er aber sein Kopfkissen in die Höhe hob, da schimmerte ihm das Goldstück entgegen, und am andern Morgen fand er wieder eins, und so weiter jedesmal, wenn er aufstand. Er sammelte sich einen Haufen Gold, endlich aber dachte er ‘was hilft mir all mein Gold, wenn ich daheim bleibe? ich will ausziehen und mich in der Welt umsehen.’ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0212" n="202"/> und verschluck es ganz, dann wirst du allen und jeden Morgen früh beim Aufstehen ein Goldstück unter deinem Kopfkissen finden, und das kommt dir zu von wegen des Vogelherzens.’</p><lb/> <p>Der Jäger dankte der weisen Frau, und dachte bei sich ‘schöne Dinge, die sie mir versprochen hat, wenns nur auch all so einträfe.’ Doch, wie er etwa hundert Schritte gegangen war, hörte er über sich in den Ästen ein Geschrei und Gezwitscher, daß er aufschaute: da sah er einen Haufen Vögel, die rissen mit den Schnäbeln und Füßen ein Tuch herum, schrien, zerrten und balgten sich, als wollts ein jeder allein haben. ‘Nun,’ sprach der Jäger, ‘das ist wunderlich, es kommt ja gerade so, wie das Mütterchen gesagt hat,’ nahm die Büchse von der Schulter, legte an, und that einen Schuß mitten hinein, daß die Federn herumflogen. Alsbald nahm das Gethier mit großem Schreien die Flucht, aber einer fiel todt herab, und der Mantel sank ebenfalls herunter. Da that der Jäger wie ihm die Alte geheißen hatte, schnitt den Vogel auf, suchte das Herz, schluckte es hinunter, und nahm den Mantel mit nach Haus.</p><lb/> <p>Am andern Morgen, als er aufwachte, fiel ihm die Verheißung ein, und er wollte sehen ob sie auch einträfe. Wie er aber sein Kopfkissen in die Höhe hob, da schimmerte ihm das Goldstück entgegen, und am andern Morgen fand er wieder eins, und so weiter jedesmal, wenn er aufstand. Er sammelte sich einen Haufen Gold, endlich aber dachte er ‘was hilft mir all mein Gold, wenn ich daheim bleibe? ich will ausziehen und mich in der Welt umsehen.’</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [202/0212]
und verschluck es ganz, dann wirst du allen und jeden Morgen früh beim Aufstehen ein Goldstück unter deinem Kopfkissen finden, und das kommt dir zu von wegen des Vogelherzens.’
Der Jäger dankte der weisen Frau, und dachte bei sich ‘schöne Dinge, die sie mir versprochen hat, wenns nur auch all so einträfe.’ Doch, wie er etwa hundert Schritte gegangen war, hörte er über sich in den Ästen ein Geschrei und Gezwitscher, daß er aufschaute: da sah er einen Haufen Vögel, die rissen mit den Schnäbeln und Füßen ein Tuch herum, schrien, zerrten und balgten sich, als wollts ein jeder allein haben. ‘Nun,’ sprach der Jäger, ‘das ist wunderlich, es kommt ja gerade so, wie das Mütterchen gesagt hat,’ nahm die Büchse von der Schulter, legte an, und that einen Schuß mitten hinein, daß die Federn herumflogen. Alsbald nahm das Gethier mit großem Schreien die Flucht, aber einer fiel todt herab, und der Mantel sank ebenfalls herunter. Da that der Jäger wie ihm die Alte geheißen hatte, schnitt den Vogel auf, suchte das Herz, schluckte es hinunter, und nahm den Mantel mit nach Haus.
Am andern Morgen, als er aufwachte, fiel ihm die Verheißung ein, und er wollte sehen ob sie auch einträfe. Wie er aber sein Kopfkissen in die Höhe hob, da schimmerte ihm das Goldstück entgegen, und am andern Morgen fand er wieder eins, und so weiter jedesmal, wenn er aufstand. Er sammelte sich einen Haufen Gold, endlich aber dachte er ‘was hilft mir all mein Gold, wenn ich daheim bleibe? ich will ausziehen und mich in der Welt umsehen.’
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-01T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |