Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
116.
Das blaue Licht.

Es war einmal ein König, der hatte einen Soldaten, der ihm lange Jahre treu gedient hatte. Als der Krieg zu Ende war, und der Soldat, der vielen Wunden wegen, die er empfangen hatte, nicht weiter dienen konnte, sprach der König zu ihm 'du kannst nun heim gehen, ich brauche dich nicht mehr: Geld bekommst du nicht mehr, denn Lohn erhält nur der, welcher mir Dienste dafür leistet.' Da wußte der Soldat nicht womit er sein Leben fristen sollte: voll Sorgen gieng er fort, und gieng den ganzen Tag lang bis er Abends in einen Wald kam. Und als es stockfinster war, sah er ein Licht, dem näherte er sich, und kam zu einem Haus, darin wohnte eine Hexe. 'Gieb mir doch ein Nachtlager, und ein wenig Essen und Trinken,' sprach er zu ihr, 'ich verschmachte sonst.' 'Oho!' antwortete sie, 'wer giebt einem verlaufenen Soldaten etwas? doch will ich barmherzig sein und dich aufnehmen, wenn du thust was ich verlange.' 'Was verlangst du?' fragte der Soldat. 'Daß du mir morgen meinen Garten umgräbst.' Der Soldat willigte ein, und arbeitete den folgenden Tag aus allen Kräften, konnte aber vor Abend nicht fertig werden. 'Ich sehe wohl,' sprach die Hexe, 'daß du heute nicht weiter kannst: ich will dich noch eine

116.
Das blaue Licht.

Es war einmal ein König, der hatte einen Soldaten, der ihm lange Jahre treu gedient hatte. Als der Krieg zu Ende war, und der Soldat, der vielen Wunden wegen, die er empfangen hatte, nicht weiter dienen konnte, sprach der König zu ihm ‘du kannst nun heim gehen, ich brauche dich nicht mehr: Geld bekommst du nicht mehr, denn Lohn erhält nur der, welcher mir Dienste dafür leistet.’ Da wußte der Soldat nicht womit er sein Leben fristen sollte: voll Sorgen gieng er fort, und gieng den ganzen Tag lang bis er Abends in einen Wald kam. Und als es stockfinster war, sah er ein Licht, dem näherte er sich, und kam zu einem Haus, darin wohnte eine Hexe. ‘Gieb mir doch ein Nachtlager, und ein wenig Essen und Trinken,’ sprach er zu ihr, ‘ich verschmachte sonst.’ ‘Oho!’ antwortete sie, ‘wer giebt einem verlaufenen Soldaten etwas? doch will ich barmherzig sein und dich aufnehmen, wenn du thust was ich verlange.’ ‘Was verlangst du?’ fragte der Soldat. ‘Daß du mir morgen meinen Garten umgräbst.’ Der Soldat willigte ein, und arbeitete den folgenden Tag aus allen Kräften, konnte aber vor Abend nicht fertig werden. ‘Ich sehe wohl,’ sprach die Hexe, ‘daß du heute nicht weiter kannst: ich will dich noch eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0184" n="174"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">116.<lb/>
Das blaue Licht.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal ein König, der hatte einen Soldaten, der ihm lange Jahre treu gedient hatte. Als der Krieg zu Ende war, und der Soldat, der vielen Wunden wegen, die er empfangen hatte, nicht weiter dienen konnte, sprach der König zu ihm &#x2018;du kannst nun heim gehen, ich brauche dich nicht mehr: Geld bekommst du nicht mehr, denn Lohn erhält nur der, welcher mir Dienste dafür leistet.&#x2019; Da wußte der Soldat nicht womit er sein Leben fristen sollte: voll Sorgen gieng er fort, und gieng den ganzen Tag lang bis er Abends in einen Wald kam. Und als es stockfinster war, sah er ein Licht, dem näherte er sich, und kam zu einem Haus, darin wohnte eine Hexe. &#x2018;Gieb mir doch ein Nachtlager, und ein wenig Essen und Trinken,&#x2019; sprach er zu ihr, &#x2018;ich verschmachte sonst.&#x2019; &#x2018;Oho!&#x2019; antwortete sie, &#x2018;wer giebt einem verlaufenen Soldaten etwas? doch will ich barmherzig sein und dich aufnehmen, wenn du thust was ich verlange.&#x2019; &#x2018;Was verlangst du?&#x2019; fragte der Soldat. &#x2018;Daß du mir morgen meinen Garten umgräbst.&#x2019; Der Soldat willigte ein, und arbeitete den folgenden Tag aus allen Kräften, konnte aber vor Abend nicht fertig werden. &#x2018;Ich sehe wohl,&#x2019; sprach die Hexe, &#x2018;daß du heute nicht weiter kannst: ich will dich noch eine
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0184] 116. Das blaue Licht. Es war einmal ein König, der hatte einen Soldaten, der ihm lange Jahre treu gedient hatte. Als der Krieg zu Ende war, und der Soldat, der vielen Wunden wegen, die er empfangen hatte, nicht weiter dienen konnte, sprach der König zu ihm ‘du kannst nun heim gehen, ich brauche dich nicht mehr: Geld bekommst du nicht mehr, denn Lohn erhält nur der, welcher mir Dienste dafür leistet.’ Da wußte der Soldat nicht womit er sein Leben fristen sollte: voll Sorgen gieng er fort, und gieng den ganzen Tag lang bis er Abends in einen Wald kam. Und als es stockfinster war, sah er ein Licht, dem näherte er sich, und kam zu einem Haus, darin wohnte eine Hexe. ‘Gieb mir doch ein Nachtlager, und ein wenig Essen und Trinken,’ sprach er zu ihr, ‘ich verschmachte sonst.’ ‘Oho!’ antwortete sie, ‘wer giebt einem verlaufenen Soldaten etwas? doch will ich barmherzig sein und dich aufnehmen, wenn du thust was ich verlange.’ ‘Was verlangst du?’ fragte der Soldat. ‘Daß du mir morgen meinen Garten umgräbst.’ Der Soldat willigte ein, und arbeitete den folgenden Tag aus allen Kräften, konnte aber vor Abend nicht fertig werden. ‘Ich sehe wohl,’ sprach die Hexe, ‘daß du heute nicht weiter kannst: ich will dich noch eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/184
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/184>, abgerufen am 18.11.2024.