Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840.hinzu, gieng ganz tapfer zur Scheuer hinein, und blickte umher. Als er aber das seltsame und greuliche Thier mit eigenen Augen sah, so gerieth er in nicht geringere Angst als der Knecht. Mit ein paar Sätzen sprang er hinaus, lief zu seinen Nachbarn, und bat sie flehentlich ihm gegen ein unbekanntes und gefährliches Thier Beistand zu leisten; ohnehin könnte die ganze Stadt in Gefahr kommen, wenn es aus der Scheuer, wo es säße, herausbräche. Es entstand großer Lärm und Geschrei in allen Straßen: die Bürger kamen mit Spießen Heugabeln Sensen und Aexten bewafnet herbei als wollten sie gegen den Feind ausziehen; zuletzt erschienen auch die Herrn des Raths mit dem Bürgermeister an der Spitze. Als sie sich auf dem Markt geordnet hatten, zogen sie zu der Scheuer, und umringten sie von allen Seiten. Hierauf trat einer der beherztesten hervor, und gieng mit gefälltem Spieß hinein, kam aber gleich darauf mit einem Schrei und todtenbleich wieder heraus gelaufen, und konnte kein Wort hervorbringen. Noch zwei andere wagten sich hinein, es ergieng ihnen aber nicht besser. Endlich trat einer hervor, ein großer starker Mann, der wegen seiner Kriegsthaten berühmt war, und sprach 'mit bloßem Ansehen werdet ihr das Ungethüm nicht vertreiben, hier muß Ernst gebraucht werden, aber ich sehe daß ihr alle zu Weibern geworden seid, und keiner den Fuchs beißen will.' Er ließ sich Harnisch Schwert und Spieß bringen, und rüstete sich. Alle rühmten seinen Muth, obgleich viele um sein Leben besorgt waren. Die beiden Scheuerthore wurden aufgethan, und man erblickte die Eule, die sich indessen hinzu, gieng ganz tapfer zur Scheuer hinein, und blickte umher. Als er aber das seltsame und greuliche Thier mit eigenen Augen sah, so gerieth er in nicht geringere Angst als der Knecht. Mit ein paar Sätzen sprang er hinaus, lief zu seinen Nachbarn, und bat sie flehentlich ihm gegen ein unbekanntes und gefährliches Thier Beistand zu leisten; ohnehin könnte die ganze Stadt in Gefahr kommen, wenn es aus der Scheuer, wo es säße, herausbräche. Es entstand großer Lärm und Geschrei in allen Straßen: die Bürger kamen mit Spießen Heugabeln Sensen und Aexten bewafnet herbei als wollten sie gegen den Feind ausziehen; zuletzt erschienen auch die Herrn des Raths mit dem Bürgermeister an der Spitze. Als sie sich auf dem Markt geordnet hatten, zogen sie zu der Scheuer, und umringten sie von allen Seiten. Hierauf trat einer der beherztesten hervor, und gieng mit gefälltem Spieß hinein, kam aber gleich darauf mit einem Schrei und todtenbleich wieder heraus gelaufen, und konnte kein Wort hervorbringen. Noch zwei andere wagten sich hinein, es ergieng ihnen aber nicht besser. Endlich trat einer hervor, ein großer starker Mann, der wegen seiner Kriegsthaten berühmt war, und sprach ‘mit bloßem Ansehen werdet ihr das Ungethüm nicht vertreiben, hier muß Ernst gebraucht werden, aber ich sehe daß ihr alle zu Weibern geworden seid, und keiner den Fuchs beißen will.’ Er ließ sich Harnisch Schwert und Spieß bringen, und rüstete sich. Alle rühmten seinen Muth, obgleich viele um sein Leben besorgt waren. Die beiden Scheuerthore wurden aufgethan, und man erblickte die Eule, die sich indessen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0408" n="387"/> hinzu, gieng ganz tapfer zur Scheuer hinein, und blickte umher. Als er aber das seltsame und greuliche Thier mit eigenen Augen sah, so gerieth er in nicht geringere Angst als der Knecht. Mit ein paar Sätzen sprang er hinaus, lief zu seinen Nachbarn, und bat sie flehentlich ihm gegen ein unbekanntes und gefährliches Thier Beistand zu leisten; ohnehin könnte die ganze Stadt in Gefahr kommen, wenn es aus der Scheuer, wo es säße, herausbräche. Es entstand großer Lärm und Geschrei in allen Straßen: die Bürger kamen mit Spießen Heugabeln Sensen und Aexten bewafnet herbei als wollten sie gegen den Feind ausziehen; zuletzt erschienen auch die Herrn des Raths mit dem Bürgermeister an der Spitze. Als sie sich auf dem Markt geordnet hatten, zogen sie zu der Scheuer, und umringten sie von allen Seiten. Hierauf trat einer der beherztesten hervor, und gieng mit gefälltem Spieß hinein, kam aber gleich darauf mit einem Schrei und todtenbleich wieder heraus gelaufen, und konnte kein Wort hervorbringen. Noch zwei andere wagten sich hinein, es ergieng ihnen aber nicht besser. Endlich trat einer hervor, ein großer starker Mann, der wegen seiner Kriegsthaten berühmt war, und sprach ‘mit bloßem Ansehen werdet ihr das Ungethüm nicht vertreiben, hier muß Ernst gebraucht werden, aber ich sehe daß ihr alle zu Weibern geworden seid, und keiner den Fuchs beißen will.’ Er ließ sich Harnisch Schwert und Spieß bringen, und rüstete sich. Alle rühmten seinen Muth, obgleich viele um sein Leben besorgt waren. Die beiden Scheuerthore wurden aufgethan, und man erblickte die Eule, die sich indessen </p> </div> </body> </text> </TEI> [387/0408]
hinzu, gieng ganz tapfer zur Scheuer hinein, und blickte umher. Als er aber das seltsame und greuliche Thier mit eigenen Augen sah, so gerieth er in nicht geringere Angst als der Knecht. Mit ein paar Sätzen sprang er hinaus, lief zu seinen Nachbarn, und bat sie flehentlich ihm gegen ein unbekanntes und gefährliches Thier Beistand zu leisten; ohnehin könnte die ganze Stadt in Gefahr kommen, wenn es aus der Scheuer, wo es säße, herausbräche. Es entstand großer Lärm und Geschrei in allen Straßen: die Bürger kamen mit Spießen Heugabeln Sensen und Aexten bewafnet herbei als wollten sie gegen den Feind ausziehen; zuletzt erschienen auch die Herrn des Raths mit dem Bürgermeister an der Spitze. Als sie sich auf dem Markt geordnet hatten, zogen sie zu der Scheuer, und umringten sie von allen Seiten. Hierauf trat einer der beherztesten hervor, und gieng mit gefälltem Spieß hinein, kam aber gleich darauf mit einem Schrei und todtenbleich wieder heraus gelaufen, und konnte kein Wort hervorbringen. Noch zwei andere wagten sich hinein, es ergieng ihnen aber nicht besser. Endlich trat einer hervor, ein großer starker Mann, der wegen seiner Kriegsthaten berühmt war, und sprach ‘mit bloßem Ansehen werdet ihr das Ungethüm nicht vertreiben, hier muß Ernst gebraucht werden, aber ich sehe daß ihr alle zu Weibern geworden seid, und keiner den Fuchs beißen will.’ Er ließ sich Harnisch Schwert und Spieß bringen, und rüstete sich. Alle rühmten seinen Muth, obgleich viele um sein Leben besorgt waren. Die beiden Scheuerthore wurden aufgethan, und man erblickte die Eule, die sich indessen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-05-27T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |